ALBANIA - Politik, Wirtschaft & Geschichte

Ein Deutscher auf Albaniens Thron

Ein Deutscher auf Albaniens Thron


Am 7. März 1914 lief in der albanischen Hafenstadt Durrës ein Dampfer
ein. Tausende Schaulustige hatten sich am Ufer versammelt. Ihre Neugier
galt Wilhelm Friedrich Heinrich Prinz zu Wied, in Neuwied geboren und
aus einem der ältesten Adelsgeschlechter Deutschlands stammend. Der
junge Staat existierte erst seit kurzem. Ein Jahr zuvor, nach dem
zweiten Balkankrieg, hatte die Londoner Konferenz der europäischen
Großmächte beschlossen, dem aufstrebenden Serbien einen Riegel
vorzuschieben. Dieser hieß Albanien und bildete jahrhundertelang die
ärmste Region des Osmanischen Reiches. Das Land war so rückständig, dass
keiner der in London Versammelten dem Volk zugetraut hatte, sich selbst
zu regieren. Man fahndete nach einem politisch ebenso ahnungs- wie
arglosen Monarchen ohne Machtbereich, der naiv genug war, sich auf das
Abenteuer Albanien einzulassen. Man fand den Prinzen zu Wied.





Wilhelm konnte als preußischer Kavallerieoffizier reiten und eine
Parade zu Pferd abnehmen. Eine weitere günstige Voraussetzung zur
Ausübung seiner Amtsgeschäfte war seine Religion. Als Protestant würde
Wilhelm kaum in die Streitigkeiten römisch-katholischer,
griechisch-orthodoxer und islamischer Parteien hineingezogen werden. Zum
einen lebten Angehörige all dieser Konfessionen im Land und waren sich
nicht grün. Zum anderen hatten neben Serbien auch Italien und
Griechenland ein Auge auf Albanien geworfen, das jahrhundertelang von
den Türken regiert wurde und von diesen gerne zurückerobert worden wäre.





Gleich bei seiner Ankunft erlitt Wilhelm die erste Blamage, als während
des begeisterten Empfangs einige Kanonenschüsse Salut abgegeben wurden.
Vor lauter Schreck fiel der Prinz über Bord und musste aus der Adria
gefischt werden. Auch hernach bekleckerte er sich nicht mit Ruhm.
»Arglos verfocht das Mitglied des deutschen Generalstabes ein
ausgeprägtes Gefühl für Pflicht und Ehre, hatte aber keine Erfahrung mit
balkanischen Intrigen und balkanischer Diplomatie«, bescheinigt der
albanische Historiker Dardan Gashi dem deutschen Prinzen. »Von Anfang an
verfing sich der Aristokrat, der die Verhältnisse in Albanien nicht
persönlich kannte, im dicht gesponnenen Netz von Lügen, Propaganda und
taktischen Schachzügen seiner zahlreichen Gegner.« Wenig überraschend
war Wilhelms Albanienengagement am 3. September 1914 schon wieder
Geschichte. Ralf Höller



[Quelle: https://www.neues-deutschland.de/artikel/925543.ein-deutscher-auf-albaniens-thron.html]


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Next time the devil tells you "You're stupid" say "No, you're stupid - ...I'm going to heaven, you ain't getting in".
~Joyce Meyer~