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Ein stumpfes Schwert zu Albaniens Geburtstag

Ein stumpfes Schwert zu Albaniens Geburtstag

Ein stumpfes Schwert zu Albaniens Geburtstag


Thomas Fuster, Wien

Um
die Waffen des albanischen Nationalhelden Skanderbeg (1405–1468) ranken
sich diverse Mythen. So soll sein Schwert so scharf und schwer gewesen
sein, dass er einen Gegner vom Scheitel bis zur Sohle vertikal in zwei
Teile zerhauen konnte. Auch sollen Feinde geradezu erstarrt sein, wenn
sie seinen respekteinflössenden und mit einem Ziegenkopf dekorierten
Helm erblickten. Gegen Fürst Georg Kastriota, wie der ruhmreiche
Verteidiger gegen die Osmanen eigentlich hiess, zogen Gegner stets den
Kürzeren.

Erstmals seit über 400 Jahren müssen nun aufrechte
Albaner nicht länger einen weiten Weg auf sich nehmen, um diese Waffen
persönlich zu bewundern. So hat das Kunsthistorische Museum Wien, wo der
Helm und das Schwert von Skanderbeg lagern, die Machtinsignien erstmals
nach Albanien ausgeliehen, und zwar an das Nationalhistorische Museum
von Tirana. Anlass bildet der am 28. November anstehende 100. Jahrestag
der albanischen Staatsgründung. In Albanien bereitet man sich auf einen
Besucheransturm vor.

Die Aufregung rund um die Kriegsinstrumente
hat jedoch einen Makel. So gilt es unter Historikern, die ihr Brot
ausserhalb Albaniens verdienen, keineswegs als gesichert, dass die
Ausstellungsgegenstände tatsächlich Skanderbeg zugeordnet werden können.
Laut dem Skanderbeg-Experten Oliver Jens Schmitt von der Universität
Wien handelt es sich beim Schwert und beim unteren Teil des Helms
offenkundig um Fälschungen. Der habsburgische Erzherzog Ferdinand II.
von Tirol, der die Objekte gegen Ende des 16. Jahrhunderts in Italien
erwarb, dürfte einem Schwindel aufgesessen sein.

Mit solchen
Überlegungen will man in Albanien die Festfreude aber nicht trüben. Dass
Helm und Schwert echt sind, gilt dort als Faktum. Zweifel daran sind
unpatriotisch und daher unerlaubt. Allzu zentral ist Skanderbegs
identitätsstiftende Rolle für Albaniens Staatswerdung, als dass Einwände
gegenüber dessen Reliquien oder dessen Verehrung geduldet wären. Im
Jubel über Albaniens runden Geburtstag wiegt der Heldenmythos weit mehr
als die historische Wahrheit.

https://www.nzz.ch/aktuell/international/ein-stumpfes-schwert-zu-albaniens-geburtstag-1.17842575





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~Joyce Meyer~