Alt und durchgeknallt

Winternacht

Winternacht

Der Schneesturm tobte schon seit Tagen über den nördlichen Regionen der Freien Lande. Die Stärke des Orkans war gar nicht mal das ungewöhnliche, die Jahreszeit war es. Dem Kalender nach hatte bereits das Frühjahr begonnen und die Bauern wären um diese Zeit immer auf ihre Felder hinausgefahren um die Saat auszutragen.
Nichts regte sich, kein Tier war zu sehen, kein Zeichen von Besiedelung. Nur eine einsame Silhouette stapfte unentwegt durch den kniehohen Schnee, hielt alle paar Schritte an um sich zu orientieren. Doch die unentwegt hinabwehenden Schneeflocken nahmen jegliche Sicht. Es war geradezu unmöglich diesem Wetter zu entkommen. Die Gestalt ging weiter, zog den dicken Umhang fester um die Schultern und versuchte mit aller Kraft sich dem Wind entgegenzustemmen. Den Weg hatte Adenedhel schon lange verloren. Das letzte mal sah er vor einer halben Stunde einen Grenzstein. Er war nun in Sketea, kaum zweihundert Schritt hinter der Grenze. Der Schnee behinderte sein Fortkommen und nahm ihm zugleich die Sicht. Selbst seine eigenen Hände konnte er kaum vor Augen sehen. Zum Glück hatte er vorgesorgt und genügend Kleidung auf die Reise mitgenommen. Als er vor Wochen, es schienen schon beinahe sechs Monate her zu sein, aus Antonika mit dem Auftrag loszog, eine gestohlene Schmuckschatulle - alles angeblich wertvolle Familienerbstücke - wiederzubeschaffen, ahnte er nicht, hier und jetzt in einem der größten Schneestürme fest zu sitzen, ohne Hoffnung auf Rettung.
In Gedanken versunken bemerkte Adenedhel nicht, daß er stehen geblieben war und sich an einen einsamen Baum lehnte. Dieser hatte auch schon bessere Tage erlebt. Die knorrigen Äste ragten gen Himmel, als würden sie flehend den Gott Geseth anrufen diesen Winter enden zu lassen. Die Kälte zerrte zunehmend an den Gewändern und Adenedhel beschloß weiterzuziehen. Er machte sich keine Hoffnung jemals lebend aus diesem Gestöber herauszukommen.
Doch was war das? Eine Bewegung? Licht? Ihm war, als würden sich die unsteten Umrisse der Sträucher vor ihm sich fortbewegen. War es die Kälte? Setzte nun sein Verstand aus? Schwankend näherte er sich der Gruppe von Gewächsten. Ihre kleinen Äste streckten sich ihm entgegen, schienen ihn zu greifen, doch er war es der sich bewegte. Die Sträucher waren gefroren und mit einer dicken Eisschicht bedeckt. Er sah sich um. Adenedhel schien auf einem niedrigen Hügel zu stehen.
Aus den Augenwinkeln vernahm er erneut eine Bewegung. Diesmal irrte er sich nicht. Da war jemand oder etwas. Wenn es ein anderer Humanoid war, hatten sie zu zweit eine größere Chance diesen Sturm zu überleben. Er klopte den Schnee von seinem Umhang und bewegte sich auf die Stelle zu, an der er die Bewegung gesehen hatte. Je näher er kam, desto deutlicher sah er die Spuren im Schnee. Eine Spur führte von Süden her auf den Hügel zu. Dort hatte jemand eine Weile gestanden. Das schloß er aus der Verwehung vor einem Schneeloch. Die Person mußte auf etwas gewartet oder gesucht haben. An einer Stelle schien der Schnee besonder stark aufgewühlt worden zu sein. Hoffnung keimte in ihm auf. Zur vorsicht aber, bevor er weiter der Spur folgte, griff er unter den Mantel und holte einen Dolch hervor. Nicht, daß dieser ihm was bringen würde, doch seine Pistolen würden bei der Feuchtigkeit nicht zünden. Die Spur führte den Hügel hinab und stetig gen Osten. In dieser Richtung lagen die ersten Ausläufer der Sternengipfel, die so weit im Norden bis an die Küste reichten. Mit etwas Glück würden sie auf den Trisuli Stoßen, der sich gen Süden schlängelte und in den Samaz mündete. Einmal dort könnten sich Adenedhel und sein Unbekannter gen Süden am Fluß entlangziehen. Irgendwann würden sie auf Himola, eine kleine Fischer und Bergwerkssiedlung am Rande von Sketea stoßen.
Adenedhel kam, dank der Vorarbeit der fernen Silhouette gut voran, jedoch schloß er nicht auf, sondern wurde sogar noch weiter angehängt. Für einen Troll waren die Spuren zu klein. Es mußte ein Ork sein, niemand sonst kam in einem solchen Schneegestöber so schnell voran.
Die Zeit dehnte sich. Es schienen Stunden vergangen zu sein, als die ersten Felsspitzen aus dem Sturm auftauchten. Das Vorwärtskommen wurde beschwerlicher, aber die Spuren waren noch immer recht gut auszumachen, auch wenn es schwieriger wurde ihr zu folgen, da die Furche von Schnee zugeweht wurde.
Sie schienen sich doch weiter nördlicher zu befinden, als Adenedhel zunächst angenommen hatte. Steinerne Formationen ragten links und rechts von ihm auf. Ein Wegstein ragte knapp aus den Schnee hervor. Seine Kenntnisse dieser Region waren auf alte Karten aus der Bibliothek von Antonika beschränkt. Das Alt bezog sich aber eher auf die nicht-mehr-Aktualität, da sich die Grenzen der Freien Lande stetig verschieben, verursacht durch ständige Kriege und Grenzkonflikte. Eine wahre Goldgrube für Karthografen. Ich habe eindeutig den Beruf verfehlt, dachte er bei sich, als urplötzlich der Wind aufhörte. Er stand nur noch in knöcheltiefem Schnee und befand sich vor einem Höhleneingang. Ein alter Minenschacht. Die Wände waren eindeutig behauen und mit Holzbalken abgestützt. Licht flutete nach draußen. In der Mine waren Fackeln aufgereiht und erhellten den Eingangsbereich. Adenedhel atmete tief durch, schlug seinen Mantel aus und trat in den Lichtkegel.
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Re: Winternacht

Der Tunnel schlängelte sich tief in den Fels hinein. Spärliches Licht flutete von den Seiten auf Adenedhel ein. Wärmende Strahlen drangen in seine Kleidung ein. Es war eine wahre Wonne für seine steifen Gelenke und kaum waren seine Gieder einigermaßen aufgetaut, wurde sich Adenedhel des Dolches gewahr, den er noch immer fest umklammert in seiner Hand hielt. Der würde ihm gewiß nichts nutzen, sollte er auf Schwierigkeiten stoßen. Er verstaute den Dolch wieder untern seinem Umhang und kramte nach dem Beutel mit Schießpulver. Das Glück war ihm hold, es war noch alles trocken. Schnell stopfte er seine beiden Doppelläufigen Revolver neu.
Nun war er bereit.
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