Bitte um Mithilfe: Interkulturelle Trainings Südafrika
Bitte um Mithilfe: Interkulturelle Trainings Südafrika
Hallo zusammen,
ich schreibe zurzeit an einer Masterarbeit zu interkulturellen Trainings, u.a. für Südafrika. Im Rahmen dessen möchte ich eine Reflexion vornehmen von dem, was über interkulturelle Vorbereitungstrainings angeboten wird und dem, was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Praxis in Südafrika dann von dem Seminar verwenden konnten bzw. was in ihren Augen besser gemacht werden könnte mit Blick auf die Inhalte der Vorbereitungstrainings.
Kann mir vielleicht jemand mit persönlichen Erfahrungen weiterhelfen? Wer hat bereits an interkulturellen Vorbereitungstrainings bei welchen Anbietern teilgenommen? Wie waren die Erfahrungen damit? Ich habe bereits versucht, mit einzelnen Anbietern von Vorbereitungstrainings Kontakt aufzunehmen. Allerdings erweist es sich als sehr schwer, mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Trainings in Kontakt zu kommen.
Vielen Dank!
Re: Bitte um Mithilfe: Interkulturelle Trainings Südafrika
Könntest Du vielleicht mal erklären, was ein "Interkulturelles Training" ist? Hört sich für mich irgendwie blödsinnig an. Lernt man da die Sprache des Landes und die Kultur, also bei Südafrika z.B. ein Trommelkurs? Da ich von so etwas noch nie gehört habe, denke ich, das ist nicht so verbreitet mit dem interkulturellen Training.
Wenn man sich auf eine Auswanderung vorbereitet, beschäftigt man sich mit dem Land, fährt so oft wie möglich hin, versucht sich mit den Menschen und der Mentalität vertraut zu machen und alles an Informationen zu bekommen, was man über das Land kriegen kann, aber was soll ein Training in Deutschland (ich nehme an, das ist gemeint) da nützen? Außer vielleicht, um die Sprache zu lernen. Alles andere kann man nur vor Ort lernen und durch viele, viele Aufenthalte vor der Auswanderung, bevor man den endgültigen Schritt tut.
Erzähl doch mal, was so ein Training beinhaltet und wer das anbietet.
Gruß Anna
Re: Bitte um Mithilfe: Interkulturelle Trainings Südafrika
So wie ich dies verstehe, wird man mit den Gepflogenheiten des Landes vertraut gemacht. Das ist insbesondere für den Personenkreis sinnvoll, der nicht die Zeit für Reisen etc. hat. Also z.B. für Manager, die in China Verhandlungen zum Abschluß bringen müssen. Sinn der Sache: Schutz vor dem faux pas!
Gruß Siggi
Re: Bitte um Mithilfe: Interkulturelle Trainings Südafrika
Hallo Anna_kl und siggi_siggi_siggi,
hätte vielleicht noch etwas mehr zu interkulturellen Trainings sagen sollen. Dies werde ich jetzt einfach mal nachholen. Siggi_siggi_siggi hat es bereits angesprochen. Solche interkulturellen Trainings dienen der Vorbereitung von z.B. Mitarbeitern internationaler Unternehmen, die auf einen Einsatz z.B. in Südafrika trainiert werden. Hierzu gehört z.B. auch das Vermitteln von Wissen zu Geschäftsgepflogenheiten, Verhandlungstechniken, Aufbau sozialer Beziehungen zu Einheimischen, etc. Es gibt verschiedene Anbieter solcher Trainings. In 2004 sind solche Trainings mal von der Stiftung Warentest getestet worden.
Re: Bitte um Mithilfe: Interkulturelle Trainings Südafrika
Hallo, Markus
"Interkulturelle Trainings für Südafrika": Ich weiß nicht, ob da so viele gelaufen sind, die dann wirklich Leute erreicht haben, die nach Südafrika gegangen sind / zeitweise nach Südafrika gingen. Oder ob sich nicht einige dieser Trainings besser als "Landeskundliche Einführungen" bezeichnet hätten, wenn sie überhaupt stattgefunden haben. Ich kann mir vorstellen, dass es für Deine Magisterarbeit bessere Beispiele als Südafrika geben könnte, wenn Du den Wert solcher Trainings darstellen willst.
Warum ich mich bei Dir melde? Na, ich habe früher von solchen Dingen selbst sehr viel gehalten und war da sehr optimistisch. Für Südafrika, ganz speziell, würde ich da aber eher Bedenken haben - insbesondere rückblickend.
Warum? Zum einen: Das "Vorbild" für das südafrikanische gesellschaftlich-geschäftliche Alltagsleben ist so eine Mischung aus britischem und amerikanischem Stil. Ein eigenständiges südafrikanisches Modell vermag ich allenfalls in Ansätzen zu erkennen. Und: Es wäre, in Bezug auf Südafrika, ein ganz gravierender Fehler, die Apartheid, die in den meisten Köpfen (schwarz, weiß, grün bei allen!) weiterexistiert, wegzudenken oder wegzulassen oder sonstwie zu übersehen. Der kulturelle Austausch zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen - oftmals diametral entgegengesetzte Lebensverständnisse - hier im Land ist von vielen, rühmlichen Ausnahmen einmal abgesehen rudimentär.
Also, mit anderen Worten: Südafrika ist kein Land aus einem Guss, und die einzelnen Leute verhalten sich in verschiedenen Lebensbereichen völlig unterschiedlich, "springen von einer Kultur zur anderen". Kirche und Arbeitsalltag, Fußball und Sexualleben - da liegen Welten dazwischen und oft sieht man nicht einmal bei einer einzelnen Person da irgendwelche Zusammenhänge. Man kann ein interkulturelles Training für Südafrika nur dann sinnvoll angehen, wenn man weiß, mit welchem Milieu, mit welcher Bevölkerungsgruppe man Umgang haben wird. Wenn das nicht präzise festgelegt wird, besteht die Gefahr, dass die Teilnehmer sich auf eine "gefühlsdusselige Art" auf Südafrika einlassen und das Ganze mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Die Gefahr ist hier extrem.
Lass' mich 'mal konkret werden:
Wenn die Firma BMW für auf zwei oder drei Jahre zu entsendende Mitarbeiter aus München so etwas anbieten würde, dann ginge es einmal darum, den Leuten zu vermitteln, was sie (und ihre Familien) hier erwartet an Wohnumfeld und dann in ihrer Vorgesetzten- oder Spezialistenfunktion im Betrieb. Ohne der Fa. BMW etwas unterstellen zu wollen, wird dann "keine Sau" irgendjemandem nahelegen, seine schulpflichtigen Kinder in eine der Schulen in die Townships zu schicken (sondern auf die Deutsche Schule), seine Kindergartenkinder allenfalls auch in den Kindergarten der Deutschen Schule oder einen der vielen Privatkindergarten "leicht elitären" Stils. Und für den Betriebsalltag wird man den Leuten klar machen, dass sie sich freundlich-distanziert zu verhalten haben, dass die Hautfarbe zwar keine Rolle spielt, aber in der Praxis man einem Weißen schon 'mal "die Leviten lesen" darf, bei einem Schwarzen aber Glacéhandschuhe anzuziehen sind. Und dann wird man ihm beibringen, bei welchem Metzger er Weißwürste und Leberkäse kriegt und wie man bei Reisen sich gegen Malaria schützt und dass man AIDS sehr, sehr ernst nehmen muss. Die Vorauswahl der zu Entsendenden würde wahrscheinlich eine Prüfung der englischen Sprachkenntnisse einschließen.
Wenn der Jesuitenorden jemand herschickt, sieht es ganz anders aus. Die würden wohl mit einer entsprechenden Sprachausbildung (isiPedi oder was sonst) anfangen, lange vor der Anreise schon Fachlektüre über Südafrika büffeln lassen und wohl auch unter den bereits in Südafrika befindlichen Ordensbrüdern frühzeitig eine Bezugsperson bestimmen. Und den Rest dann der vorgesehenen Aufgabe direkt zuordnen. "Beinhart".
Das deutsche Auswärtige Amt - genauer: die Botschaft, das GK - stellt für die zu Entsendenden Unterlagen zusammen. Das hat mit "interkulturell" nichts zu tun, sondern eher damit, wie man a) am Dienstort überlebt und b) Deutschland wirksam nach außen vertritt. Salopp: Man kriegt nicht beigebracht, wie man Huhn in Soße mit Maisbrei mit den Händen isst und welche Musik südafrikanische Gäste bevorzugen. Nein, man legt auf "die Bereicherung der südafrikanischen Vielfalt durch deutschen Einfluss und gutes Beispiel" Wert.
So, und jetzt sagst Du mir sicher, dass es da Leute gibt, die voller Idealismus nach Südafrika kommen, an der Überwindung der Not der Ärmsten der Armen und am Abbau der Apartheid und ihrer gesellschaftlichen Folgen arbeiten wollen und zur Vorbereitung ein solches interkulturelles Training absolvieren: Ja, gibt es, ich habe mich auch dazu gezählt (aber kein interkulturelles Training mitgemacht). Es gibt hier einen bösen Witz, der - wie solche Witze immer, natürlich nicht stimmt, aber eine ganze Portion Wahrheit enthält. Die Frage: "Was ist der Unterschied zwischen einem Rassisten und einem Touristen?" Die Antwort: "Der Tourist geht nach einiger Zeit wieder!" Oder, weniger bissig: Die Realität holt einen erschreckend schnell ein, es gibt keine "südafrikanische Gesellschaft", es gibt "Stämme". Ein Englischstämmiger sprach mir gegenüber einmal sehr abfällig über die Buren als "unsere Brüder von der anderen weißen Rasse" - auch hier ist ein Stück Wahrheit verborgen.
Noch ein Beipiel: Den wenigsten "Südafrikakennern" ist bewusst, dass etwa ein Viertel der Südafrikaner noch in einem feudalen Abhängigkeitsverhältnis leben (also von Königen (!) und Adligen, von Stammesältesten (und, in einem anderen Lebensbereich, von Medizinmännern) bestimmt werden: Wen darf ich heiraten, welches Ackerland erhalte ich zugeteilt, wen wähle ich bei den nächsten Wahlen, wo kann ich mir ein Haus bauen? Wo bekomme ich Trinkwasser her und wie komme ich an ein kostenloses Haus (welche die Regierung baut)? Ein Land - das kann man sich in Deutschland eigentlich gar nicht vorstellen - in dem von der staatlichen Verwaltung selbst heute noch nur etwa die Hälfte aller von den Bürgern gestellten Anträge überhaupt bearbeitet wird (!) - ist so leicht nicht als Einheit in einem Training zu erfassen.
Vielleicht, lieber Markus, hilft Dir meine Mail weiter. Falls nicht, vergesse sie einfach. Falls ich Dir konkrete Fragen einfallen, die ich Dir vielleicht beantworten kann, melde Dich bitte.
Kurz, dass Du nicht meinst, da schreibt Dir irgendein Spinner: Ich war hauptamtlich früher beim DGB, habe u.a. beim Bildungswerk des DGB "mitgemischt" (Bayern und darüber hinaus), bin SPD-ler, war zuletzt Sozialreferent (1995 - 2000) an der deutschen Botschaft hier und bin von der Ausbildung her Politikwissenschaftler und katholischer Theologe (2x voll, keine Lehramtskombi oder so). Ich wohne mit meiner Frau seit 1995 in Pretoria, habe aber in München "ein zweites Bein".
Also, guten Erfolg!
Freundliche Grüße aus Südafrika, einem schönen und interessanten Land mit vielen (sehr unterschiedlichen) Leuten,
Wolfgang Am 26.02.2008 um 23:08 schrieb markus_heinrich:
Re: Bitte um Mithilfe: Interkulturelle Trainings Südafrika
Hallo Wolfgang,
das ist sehr interessant, was Du da erzählst. Hier in Namibia ist es zum Teil ähnlich, zum Teil aber auch offensichtlich anders.
Du schreibst, einem Weißen kann man schon mal die Leviten lesen, einen Schwarzen muß man mit Glacéhandschuhen anfassen. Hier in Namibia scheint mir das nicht so zu sein. Die Schwarzen werden nicht mit Glacéhandschuhen angefaßt, im Gegenteil. Und einem Weißen kommt man besser höflich entgegen (außer natürlich einem Buren, die muß man in den Hintern treten, damit sie sich überhaupt bewegen ). Die Schwarzen kommen den Weißen grundsätzlich immer sehr respektvoll und z.T. sogar unterwürfig entgegen, was am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig ist.
Manchmal wirkt es aber auch unterwürfig, ist es aber gar nicht. Die Schwarzen und die Farbigen geben einem z.B. nie mit festem Druck die Hand. Das wäre respektlos. Also bekommt man einen äußerst weichen, schwachen Händedruck zur Begrüßung, selbst vom stärksten Mann. Das ist aber kein Zeichen seiner Schwäche oder Unsicherheit (wie es bei uns interpretiert würde), sondern ein Zeichen seines Respekts Dir gegenüber.
Aber die ganze Geschichte mit den Stämmen, dem Einfluß der Häuptlinge usw., die ist hier natürlich ganz genauso. Auf dem Land zumindest. In den Städten hat sich das schon verändert, aber die Stämme sind immer noch untereinander verbunden, das heißt, ein Ovambo wird vermutlich keine Hererofrau heiraten (dann eher schon eine Weiße). Und die Farbigen sind eben ganz separat, die haben weder mit Schwarzen noch mit Weißen etwas zu tun. Auf wen sollte man da also so ein "interkulturelles Training" ausrichten?
Die meisten Leute in Europa und besonders in Deutschland machen sich völlig falsche Vorstellungen, und auch Deine Magisterarbeit, Markus, geht von diesen falschen Vorstellungen aus. Nämlich davon, daß es in jedem Land eine einheitliche Kultur gibt. Das ist noch nicht einmal in Deutschland der Fall, denn wenn man ein "interkulturelles Training" für Bayern absolviert hätte, würde man damit in Hamburg wohl ganz schön auf die Nase fallen.
Für Afrika gilt das noch mehr.
Liebe Grüße Anna
Re: Bitte um Mithilfe: Interkulturelle Trainings Südafrika
Zitat: Anna_kl
Die meisten Leute in Europa und besonders in Deutschland machen sich völlig falsche Vorstellungen, ....
Hallo Anna Es liegt völlig auf meiner Linie das sich viele falsche Vorstellungen machen. Selbst diejenigen die ein Land schon im Urlaub gesehen haben sehen die Dinge anders als einer der schon ein paar Jahre den Alltagstrott hat erleben dürfen. Ich merke immer wieder das ich Neuimmigranten in meiner Wahlheimat nicht deutlich machen kann wie meine Realität aussieht. Vorschnell Schlüsse ziehen, da ist der Immigrant schnell und gerade das was er am Anfang toll fand geht Ihm oder auch Ihr nach ein paar Jahren auf den Keks.
Kulturelle Unterschiede? OK in einigen Ländern muss man eine Hand beim Essen auf den Schoß legen und in anderen Ländern (D) auf den Tisch. So muss in einigen Ländern geschmatzt werden um die Qualität des aufgedeckten wirklich hervorzuheben und in anderen Ländern sollte man nicht mit Messer und Gabel auf dem Teller für Geräusche sorgen.
Der Witz ist aber der das viele sich ihre Wahnvorstellungen des edlen Wilden nicht nehmen lassen wollen. Seminare was immer du willst keiner kennt sich so gut das er sein Verhalten von heute auf Morgen verändern kann. Unsere allzu deutsche Eigenart aufbrausend Rechte einzufordern obwohl keiner daran denkt sie einem wegzunehmen; nun das passiert auch mir manchmal, zum Glück nur manchmal aber leider bleiben diese von uns geschaffenen Eindrücke bei den Einheimischen im Kopfe kleben. Hierzulande wird mir das kopfschüttelnderweise als "Aleman" verziehen, andernorts sieht es wahrscheinlich nicht so aus.
Re: Bitte um Mithilfe: Interkulturelle Trainings Südafrika
Ja, was bei Euch der "aleman" ist, das sind hier in Namibia bei uns die "Jerrys". Ein Jerry ist ein neu eingewanderter Weißer, meist deutscher Herkunft. Ich bin natürlich auch noch ein Jerry, denn ich bin ja noch nicht so lange hier.
Das mit dem Aufbrausen, das kenne ich auch. Geduld gehört nicht gerade zu meinen Tugenden. Aber manchmal muß man das auch, insbesondere den Buren gegenüber. Wenn man die mal richtig anpfeift, spuren sie vielleicht vielleicht , wenn man das nicht macht, tanzen sie Dir auf der Nase herum. Das sind Weiße, wohlgemerkt. Arrogant bis dorthinaus.
Bei den Schwarzen ist das anders. Die kommen Dir als Weißem normalerweise mit Respekt entgegen, und wenn Du zeigst, daß Du weißt, wo es langgeht und freundlich bist, funktioniert das sehr gut. Da muß man auch nicht schimpfen wie mit den Buren.
Liebe Grüße Anna
Re: Bitte um Mithilfe: Interkulturelle Trainings Südafrika
Hallo Wolfgang, Anna und Arnego2,
erst mal vielen herzlichen Dank für Eure interessanten Berichte zum Thema Südafrika. Langsam wird mein Bild klarer und ich beginne zu verstehen, welch großen Herausforderungen man mit solch einem interkulturellen Training begegnen muss bzw. wo die Grenzen eines solchen Trainings liegen. Es wäre klasse, wenn ich mich im Laufe meiner Arbeit mit weiteren Fragen, die ganz bestimmt auftreten werden, wieder an Euch wenden kann.