Lebensluegen der Gutmenschen ueber Afrika
Zu den hartnäckigsten Lebenslügen der Industrieländer gehört die sogenannte "Entwicklungshilfe". In Wirklichkeit trägt sie, worauf Kritiker schon seit Jahrzehnten hinweisen, in den betroffenen Ländern weniger zur Bekämpfung von Armut und Hunger bei als vielmehr zu noch größerer Abhängigkeit von den Geberländern (dieser Effekt ist in den USA halboffizielle Regierungslinie, wie erst unlängst der langjährige US-Diplomat John Perkins in seinen "Bekenntnissen eines Economic Hit Man" einräumte).
Jetzt erzeugt ein Bericht der Hilfsorganisation "Action Aid" neue Vorbehalte gegen die "Entwicklungshilfe". Nach Untersuchungen der Organisation fließt nämlich ein Großteil der offiziell angegebenen Hilfsaufwendungen nicht in die Bekämpfung der Not in den "Entwicklungs"-Ländern, sondern in die horrenden Gehälter von Beratern aus den Industrieländern. Ganze Firmen leben davon. Sie machen Druck auf die Politik, noch mehr Steuergeld auszuspucken.
Wer wirklich kassiert
Sage und schreibe 61 Prozent der von den G-7-Ländern (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Italien, Japan und USA) offiziell als "Entwicklungshilfe" deklarierten Mittel sind "Action Aid" zufolge reine "Phantomgelder". Von den 69 Milliarden Dollar, die zum Beispiel die USA im Jahre 2003 an "Entwicklungshilfe" aufwendeten, waren gerade einmal 27 Milliarden Dollar "real". Der Rest floß auf Umwegen über Firmen und teure Beraterhonorare wieder in die USA zurück - oder verließ amerikanische Konten gar nicht erst.
Über die Jahre verteilt, sind von den amerikanischen "Hilfs"-Aufwendungen nur zehn Prozent real und kommen den Empfangerländern zugute. Stattliche Summen fließen dagegen zur gleichen Zeit in die Taschen amerikanischer Techniker und Experten, deren Reisekosten allein in die Milliarden gehen.
Überhaupt, kritisiert "Action Aid", lägen die Gehälter der ausländischen Berater viel zu hoch. So verdienen technische "Experten" in Vietnam monatlich zwischen 18 000 und 27 000 US-Dollar; ein vergleichbarer lokaler Experte kommt dagegen nur auf ein Verdienst zwischen 1500 und 3000 Dollar. In Kambodscha erhalten die 740 ausländischen "Experten" jährlich 50 bis 70 Millionen US-Dollar. Im Schnitt verdient jeder einzelne von ihnen damit rund 200mal so viel wie ein einheimischer staatlicher Angestellter.
Extravagante Ausgaben
Aber es sind nicht nur die "Entwicklungshelfer", die sich an westlichen Steuergeldern mästen. Vor allem die einheimischen Oberschichten der Dritten Welt finanzieren ihr Luxusleben gern aus den Überweisungen der Industrieländer. Darauf wiesen kürzlich afrikanische Journalisten bei einer Konferenz in London hin. Andrew M. Mwenda, Politik-Redakteur der ugandischen Tageszeitung "The Monitor", brachte es auf den Punkt:
"Die finanziellen Engpässe, die Afrikas Regierungen plagen, sind in Wirklichkeit oft auf Schwächen der Finanzverwaltung und auf extravagante oder falsche Schwerpunktsetzungen bei den öffentlichen Ausgaben zurückzuführen. Eine Erhöhung der Entwicklungshilfe könnte sich als eine Medizin entpuppen, die den Patienten noch kränker macht."
Allein Ugandas Staatshaushalt sei zu 50 Prozent auf ausländische Spendengelder angewiesen, berichtet Mwenda. Das meiste fließe in eine völlig unsinnige Rüstung mit exorbitanten Soldzahlungen an das Militär. Dazu heißt es im dtv-Jahrbuch 2005: "Eine Untersuchungskommission (in Uganda) ermittelte etwa mehr als 10 000 'Geistersoldaten', die bezahlt wurden, ohne zu existieren. Die abgezweigten Gelder stecken sich Offiziere in die eigene Tasche." Dennoch gilt Uganda als vorbildlicher Verbündeter der USA, eng eingebunden in den "Anti-Terror-Krieg" der Amerikaner. Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit gehören dazu.
Schließlich gibt die Regierung des ugandischen Staatspräsidenten Museveni 200 Millionen Dollar für die Verwaltung aus, "vor allem für politische Patronage mit einem Kabinett von 68 Ministern, 73 Präsidentenberatern, einem Parlament von der Größe eines Fußballstadions und immer neuen Kommunalverwaltungen", berichtet Mwenda. Eine Studie belege, daß die Verwaltungsausgaben um die Hälfte reduziert werden könnten. Korruption und Verschwendung seien an der Tagesordnung. Die Reichen und Einflußreichen in Uganda bezahlen nach Auskunft des einheimischen Journalisten schon längst keine Steuern mehr.
Von neuerlichen Aufstockungen der Entwicklungshilfe hält Mwenda nichts. Die Industrieländer seien bereits großzügig genug gewesen: "Ein durchschnittliches afrikanisches Land südlich der Sahara erhält Entwicklungshilfe in einer Größenordnung von 13 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts. Geschichtlich gesehen, ist das ein noch nie dagewesener Transfer von Finanzmitteln entwickelter in arme Länder. Ein Land wie Uganda erhält so viel Entwicklungshilfe, daß die Wirtschaft nicht mehr in der Lage ist, sie sinnvoll zu verwenden."
Mwenda und seine einheimischen Kollegen rennen mit solchen Feststellungen allerdings an eine ideologische Wand. Vor allem linke Politiker des Westens glauben beharrlich daran, daß man nur genug Geld nach Afrika pumpen muß, um den Kontinent zum Blühen zu bringen. So gut wie niemand fragt, weshalb bislang die meisten Zuschüsse wirkungslos versickert sind und immer neue Katastrophenbilder an die Spendenbereitschaft der Amerikaner und Europäer appellieren.
Und wieder zahlen die Deutschen
Die von Tony Blair einberufene Entwicklungshilfe-Kommission in London, an der auch Mwenda teilnahm, bewirkte kein Umdenken. Im Gegenteil. Kurz darauf, Mitte Juni, erhielt die Dritte Welt den weitreichendsten Schuldenerlaß, den es je gab. Die G-7-Staaten plus Rußland bringen dafür rund 45 Milliarden Euro auf, indem sie die hauptsächlich afrikanischen Rückzahlungsraten für die Weltbank, den Internationalen Währungsfonds und andere Kreditinstitute übernehmen. Auch das astronomisch überschuldete Deutschland zeigt sich generös: In den nächsten zehn Jahren beteiligt es sich an dieser Aktion mit 70 bis 95 Millionen Euro jährlich.
Heftige Kritik kam aus - Kenia. Das ostafrikanische Land hat seine Schulden (fast) regelmäßig bezahlt und fühlt sich nun gegenüber den säumigen Nachbarn benachteiligt. Man darf davon ausgehen, daß den Kenianern ein solcher Fehler nicht noch einmal passiert