was ist los? Selbst die ewigen Deutschland-Quengler sind seit Monaten stumm. Auswanderungsmüde? Gefällt Euch Deutschland wieder? Oder seid Ihr alle schon im gelobten Ausland?
Saludos, Gringo
Re: Was is´ los?
Na ja, ich bin schon im "gelobten" Ausland, aber es war jetzt auch gerade die am wenigsten aktive Zeit hier. In Namibia ist von ein bis zwei Wochen vor Weihnachten bis mindestens Mitte wenn nicht Ende Januar "tote Hose", zumindest hier in der Hauptstadt Windhoek. Da sind gleichzeitig Weihnachtsferien und die großen Sommerferien, sprich alles ist geschlossen, Schulen, Ämter, Büros, Restaurants, Gästefarmen, Hotels ... Ein paar Supermärkte haben noch auf das ist alles. Deshalb passiert hier auch nichts, und es gibt nichts zu berichten.
Außerdem habe ich schon seit vor Weihnachten Besuch aus Deutschland, und jetzt weiß ich wieder, warum ich ausgewandert bin. Dieser Streß in Deutschland, diese Unzufriedenheit ... nein, das möchte ich nie wieder haben.
Einige Leute von hier sind aber auch über Weihnachten nach Deutschland zu ihren Familien geflogen (kann man sich meistens nicht jedes Jahr leisten, vielleicht alle 4-5 Jahre, und dieses Jahr war es besonders teuer, weil der Rand/Namibia-Dollar gegenüber dem Euro enorm gefallen ist) und waren vom kalten Winterwetter begeistert. Endlich mal wieder Schnee und minus 29 Grad ... das ist ja auch wirklich etwas Besonderes. Das haben wir hier in Namibia nicht, und das vermissen viele Deutsche nach ein paar Jahren dann doch.
Re: Was is´ los?
Hmhh, klingt ja nach hochgeklappten deutschen Bürgersteigen in Windhoek.
Streß und Unzufriedenheit gibt es nicht nur in Deutschland. Wenn ich fragte Gefällt Euch Deutschland wieder?, war das nicht ganz ohne Selbstironie.
Hier im Möchtegern-Paradies der Nordeuropäer, in Spanien, wo wir momentan leben, ist es zwar echt schön, aber teilweise auch extrem nervig und rückständig. Immobilienpreise wie in Deutschland zu besten Zeiten für Häuschen mit Pappwänden und gepfuschter Bausubstanz. Die Leute verdienen die Hälfte wie in Deutschland, arbeiten aber viel länger (!) und haben weniger Urlaub. Kredite haben schon Laufzeiten bis in die nächste Generation hinein. Der öffentliche Nahverkehr ist meist ein Witz. Die medizinische Versorgung für den Normalbürger auch. Vom Bildungssystem will ich lieber nicht reden. Die Quote an Arroganten und Selbstgefälligen bei gleichzeitiger Ungebildetheit und provinziellem Denken ist beachtlich hoch. Am höchsten ist die Drogenrate (von ganz Europa). Durchgeknallte wird man bei genauerem Hinsehen viele finden, was vielleicht die nicht seltene familiäre Gewalt und die exorbitante Anzahl ermordeter (Ehe-)Frauen erklärt. An den Machos allein liegt es jedenfalls offensichtlich nicht. Ausgeglichene südländische Gelassenheit sieht man in den spanischen Industriestädten selten. Die Leute haben die gleichen psychologischen Zivilisationsschäden wie in Nordeuropa, manchmal sogar schlimmer, da sich wenige eine adäquate Behandlung leisten können. Die Siesta war einmal, dafür gibt es die Mañana-Mentilität noch immer. Der Behördendschungel ist ein Sumpf, und wer glaubt in Deutschland sei es furchtbar, hat noch nie mit spanischen Behörden zu tun gehabt. Die spanische Hochsprache bewegt sich bis in Akademikerkreise hinein meist unter der Gürtellinie, was die einfacher gestrickte Seele erfreuen mag, sobald man die Sprache versteht, aber irgendwann nur noch vulgär klingt. Ein Latino,der im Übrigen noch höflich siezt und nicht duzt, rümpft darüber ebenfalls die Nase. Aber Worte sind ja nur Schall und Rauch.
Deshalb denke ich manchmal wirklich an eine Rückkehr in diese heile deutsche Welt, wo noch geregelte humane (...) Arbeitsbedingungen, ein funktionierende Sozial- und Gesundheitssystem (AOK, du bist eine LUXUSkasse!) und eine gewisse Zuverlässigkeit herrschen. Mehr Urlaub gibt es auch. Mann, was ist Spanien als Tourist schön!
Die Spanier halten sich trotz allem für den Mittelpunkt der Welt und schauen auf die angeblich so rückständigen Latinos in Süd- und Mittelamerika herab (auch wenn sie ihnen jetzt ein lokales Wahlrecht eingeräumt haben natürlich nur den Legalen...).
In Peru bekomme ich aber an jeder Ecke einen Mikro-Bus, und der fährt auch alle 5 Minuten und hält auf seiner Route genau da an, wo es der Fahrgast wünscht. Wenn ich eine Flasche Gas (Butano) brauche, rufe ich beim Distribuidor an, und 15 Minuten später bringt mir ein Motorradfahrer das Ding in´s Haus. Hier in Spanien mußte ich erst mal einen Vertrag abschliessen und dafür bis in einen entlegenen Winkel der Stadt zum zentralen Gaslager fahren. Dort wartete ich dann vormittags zu den ausgewiesenen Öffnungszeiten 2 Stunden lang vor verschlossenen Türen, weil die Herren der Schöpfung gerade zu einem Cafecito weg waren. Irgendwann habe ich es aufgegeben. Beim zweiten Versuch am Nachmittag war ein Verkäufer da, sternhagelbetrunken, was die morgendliche Exkursion erklären dürfte. Immerhin hatte ich dann einen unterschriebenen Vertrag, meine erste Gasflasche, und darf die nächste dann bei der Tankstelle kaufen. Die ganze Aktion hat mich fast einen ganzen Tag gekostet.
Geld allein bewegt in Spanien nichts. Du must erst ein Amigo sein, und das sind nur die ausgewählten Eingeborenen aus Sandkastenzeiten. Die haben das Dorf auch nie verlassen. Und am Wochenende geht sowieso nichts, auch wenn Du das Geld auf den Tisch legst. Da lob ich mir das etwas amerikanisch verdorbene Peru, dort funktioniert es mit der Kohle zu jeder Tages- und Nachtzeit (und ohne natürlich gar nicht aber das gilt für fast alle Länder).
Nein, in Peru ist natürlich nicht alles besser, aber auch nicht alles schlechter, wie die hochadeligen Conquistadores das so vom hohen Ross aus behaupten. Die Spanier schwören ja auf ihr Essen, aber da haben sie wohl noch nie die peruanische Küche probiert! Darüber hinaus haben die Musik und die Mädels in Latinoamerica einfach mehr Feuer im Hintern. Meine Güte, können Spanierinnen spröde sein und herb aussehen (nach meinem Gusto). Penelope, du bist natürlich die Ausnahme!
So, das musste jetzt mal raus.
The gras is always greener on the other side of the hill.
Das würde ich als Deutscher in Deutschland mittlerweile so sehen.
Saluditos,
Gringo
Re: Was is´ los?
Zitat: gringo
Hmhh, klingt ja nach hochgeklappten deutschen Bürgersteigen in Windhoek.
Nicht nur deutsche. Die Bürgersteige sind generell hochgeklappt in Windhoek, sobald die Geschäfte schließen (die schließen so um 17 Uhr jeden Tag). Danach ist die Stadt ausgestorben. Und da viele Geschäfte über die Weihnachszeit von Mitte Dezember bis Mitte Januar auch noch geschlossen haben, ist Windhoek dann eigentlich ein paar Wochen lang den ganzen Tag geschlossen. Da ist einfach nichts los.
Unser (deutscher) Klempner konnte beispielsweise letzte Woche nicht kommen, um unseren Toilettenabfluß zu reparieren, weil seine Leute noch nicht aus dem Norden, sprich vom Weihnachtsbesuch bei ihren Familien, zurück waren. Das wird dann immer sehr großzügig ausgelegt, die Weihnachtsferien. Solange die Leute Geld haben, bleiben sie bei ihren Familien im Norden. Wenn sie keins mehr haben, kommen sie wieder nach Windhoek arbeiten.
Zitat: gringo
Streß und Unzufriedenheit gibt es nicht nur in Deutschland. Wenn ich fragte Gefällt Euch Deutschland wieder?, war das nicht ganz ohne Selbstironie.
Habe ich auch so verstanden. Manche Dinge an Deutschland fangen einem natürlich wieder an zu gefallen (abgesehen davon, daß ich Deutschland als mein Heimatland nie so heruntermachen würde wie es manche hier tun. Das ist undankbar. Deutschland bietet so viel, was andere Länder nicht bieten, kostenlose, und gute, Ausbildung zum Beispiel und vieles mehr), weil man sie im Ausland vermißt. Aber den Streß in Deutschland vermisse ich sicherlich nicht. Ich habe an meinem deutschen Besuch gemerkt, wie sehr mich das nervt, wenn jemand so drängt, wenn jemand so daran gewöhnt ist, Termine einzuhalten, daß er nicht einmal im Urlaub abschalten und darauf verzichten kann. Das ist einfach ätzend.
Zitat: gringo
Hier im Möchtegern-Paradies der Nordeuropäer, in Spanien, wo wir momentan leben, ist es zwar echt schön, aber teilweise auch extrem nervig und rückständig. Immobilienpreise wie in Deutschland zu besten Zeiten für Häuschen mit Pappwänden und gepfuschter
Ja, da wundert man sich. Wir wollen schon seit letztem Jahr ein Haus hier kaufen, aber wir wohnen immer noch in einem gemieteten, weil wir einfach nicht glauben können, was die hier für ein Haus verlangen. In Afrika. Die Qualität der Häuser ist sehr unterschiedlich, aber das Geld sind sie alle nicht wert. Aber da die Miete standardmäßig jedes Jahr um 10% erhöht wird, lohnt es sich für uns bald nicht mehr, zu mieten. Dann müssen wir kaufen, weil das billiger wird als die Miete.
Zitat: gringo
Die Leute verdienen die Hälfte wie in Deutschland, arbeiten aber viel länger (!) und haben weniger Urlaub. Kredite haben schon Laufzeiten bis in die nächste Generation hinein. Der öffentliche Nahverkehr ist meist ein Witz. Die medizinische Versorgung für den Normalbürger auch. Vom Bildungssystem will ich lieber nicht reden. Die Quote an Arroganten und Selbstgefälligen bei gleichzeitiger Ungebildetheit und provinziellem Denken ist beachtlich hoch.
Allerdings. Das katastrophale Bildungssystem trägt natürlich dazu bei, daß die Leute nicht denken können, niemals gelernt haben, etwas kritisch zu hinterfragen oder selbst zu entscheiden nach logischen oder pragmatischen Kriterien. Das macht hier in Afrika alles der Häuptling für sie. Und der Präsident ist natürlich der oberste Häuptling, die Regierung, die Beamten.
Das ist schon äußerst nervig. Du kannst nicht mit den Leuten argumentieren. Sie reagieren wie kleine Kinder, die noch nicht argumentieren können. Sie weigern sich einfach zu denken. Oder sie können es nicht, das kann ich nicht beurteilen. Dafür fahren sie aber alle jeden kleinsten Meter mit dem Taxi, weil es keinen öffentlichen Nahverkehr gibt und ihre Füße ja nicht fürs Laufen gemacht sind. Ich bin als Kind stundenlang gelaufen, um in die Schule zu kommen, das machen die hier kaum. Das ist viel zu anstrengend. Dann bleibt man halt zu Hause oder man nimmt einen Kredit bei irgendeinem Kredithai auf und fährt Taxi.
Wenn sie einen Job haben, denken sie, sie werden dafür bezahlt, daß sie sich überhaupt herablassen zu kommen. Wenn man sie zur Arbeit auffordert, kündigen sie. Anscheinend brauchen sie alle kein Geld. Man hat das Gefühl, die Leute hier in Namibia (die Schwarzen. Die Weißen und die Farbigen arbeiten sehr viel) sind furchtbar verwöhnt und alle mit einem goldenen Löffel im Mund geboren.
Zitat: gringo
Der Behördendschungel ist ein Sumpf, und wer glaubt in Deutschland sei es furchtbar, hat noch nie mit spanischen Behörden zu tun gehabt.
Oder mit französischen. Oder mit namibischen. (Wahrscheinlich könnte man die Liste endlos fortsetzen.) Ja, die deutsche Bürokratie lernt man erst zu schätzen, wenn man im Ausland ist. Vor allen Dingen bezieht sich die Bürokratie ja nicht nur auf die Behörden, sondern auf alles. Zum Beispiel, wenn man bei einer Bank ein Konto eröffnet. In Deutschland geht das ziemlich schnell, hier dauert das Stunden (in einem von der Klimaanlage auf 15 Grad heruntergekühlten Büro. Man friert sich dort tot, während draußen 30 Grad herrschen und man deshalb nur ein T-Shirt anhat) und produziert einen Berg von mindestens 40 Seiten Papier (die man alle einzeln unterschreiben muß). Das gleiche dann wieder, wenn man das Konto für Online-Banking freischalten lassen will. In Deutschland wird da irgendwo ein Kreuzchen gemacht und dann ist das erledigt. Hier in Namibia dauert das wieder Stunden und wieder 40 Seiten Papier, die man einzeln unterschreiben muß. (Ich wollte das Konto gleich bei der Eröffnung für Online-Banking freischalten lassen, aber das ging da aus irgendwelchen bürokratischen Gründen auch nicht. Es hat ein Jahr gedauert, bis das endlich ging. Und zwischenzeitlich mußte ich für alle meine Überweisungen jeden Monat riesige Überweisungsformulare ausfüllen und am Bankschalter abgeben. Hat mich jedesmal einen ganzen Tag gekostet und zudem ist es teuer, denn jede Transaktion bei der Bank, selbst wenn man auf sein eigenes Konto Geld einzahlt, kostet ein Vermögen.)
Zitat: gringo
Deshalb denke ich manchmal wirklich an eine Rückkehr in diese heile deutsche Welt, wo noch geregelte humane (...) Arbeitsbedingungen, ein funktionierende Sozial- und Gesundheitssystem (AOK, du bist eine LUXUSkasse!) und eine gewisse Zuverlässigkeit herrschen. Mehr Urlaub gibt es auch.
Ja, Deutschland ist ein Luxusland. Und das schönste ist: Man kann den Luxus auch bezahlen (das ist hier in Namibia nicht immer der Fall). Und die Zuverlässigkeit ist ein Segen. Wenn jemand sagt, er kommt um neun Uhr, dann kommt er auch um neun Uhr. Hier in Namibia muß man einfach warten. Kommt er, kommt er nicht? Man weiß es nicht.
Zitat: gringo
Die Spanier halten sich trotz allem für den Mittelpunkt der Welt
Ja, das könnten sich die Deutschen bei den europäischen Nachbarländern wirklich mal abgucken. Die Franzosen halten sich auch für den Mittelpunkt der Welt, die Engländer ebenso. Warum wir Deutschen nicht? Wir haben nicht weniger Grund dazu als Spanier, Franzosen oder Engländer. Aber wir tun es nicht.
Zitat: gringo
In Peru bekomme ich aber an jeder Ecke einen Mikro-Bus, und der fährt auch alle 5 Minuten und hält auf seiner Route genau da an, wo es der Fahrgast wünscht. Wenn ich eine Flasche Gas (Butano) brauche, rufe ich beim Distribuidor an, und 15 Minuten später bringt mir ein Motorradfahrer das Ding in´s Haus.
Peru klingt immer interessanter. Ja, an solchen Dingen merkt man, ob ein Land wirklich funktioniert. Und da scheint Peru ja wesentlich besser zu funktionieren als Spanien. Woran liegt das?
Zitat: gringo
Geld allein bewegt in Spanien nichts. Du must erst ein Amigo sein, und das sind nur die ausgewählten Eingeborenen aus Sandkastenzeiten.
Genau wie hier in Namibia. Mit Geld kommt man hier auch zu nichts. Man muß die richtigen Leute kennen und zum richtigen Stamm gehören.
Zitat: gringo
Da lob ich mir das etwas amerikanisch verdorbene Peru, dort funktioniert es mit der Kohle zu jeder Tages- und Nachtzeit (und ohne natürlich gar nicht aber das gilt für fast alle Länder).
Ja, die Länder, wo man mit Geld schnell etwas erreichen kann, sind wesentlich einfacher. Das wünsche ich mir auch manchmal. Natürlich kann man mit Geld schon etwas erreichen, aber nur, wenn man entweder sehr, sehr viel Geld hat (ein paar Millionen sollten es schon sein - Euro) oder wenn man eben zusätzlich die richtigen Leute kennt und die richtige Gesinnung hat (Chinesen bekommen hier in Namibia zum Beispiel alles oder Nordkoreaner. Die sind eben "sozialistische Bruderländer" - auch wenn das nicht stimmt).
Ja, wenn mir das hier zu viel wird, gehe ich dann nach Peru.
Nein, eigentlich gefällt es mir hier in Namibia. Es ist nicht alles so schlimm. Und das Leben ist wirklich entspannt. Man muß nur erst einmal wissen, wie alles läuft und viel Gelassenheit entwickeln.
Liebe Grüße Anna
Re: Was is´ los?
Hi,
die gleiche Frage habe ich mir bis vor einigen Tagen auch gestellt (hab schon gedacht, mein Internet-Provider wär bankrott gegangen, ohne mir Bescheid zu geben... ), aber dann haben sich ja doch wieder einige erbarmt, Beiträge zu posten. Der Trend scheint also - nachdem Weihnachtsgans und Butterstollen verdaut sind - doch wieder dahin zu gehen, sich dem Thema Auswandern zumindest gedanklich zu widmen.
Na denn, schaun wir mal, welches die meistgestellte Frage in diesem Jahr sein wird. Gruß,