Auswandern -   Heimatfrust...

Zelte in Deutschland abbrechen

Re: Zelte in Deutschland abbrechen

In D ist gesellschaftliche Anerkennung mit der Akkumulation von materiellen Werten verbunden. Daher bedarf es einer gewissen (innerlichen) Distanz, um genau dies zu erkennen. Ich kann sehr genau nachfühlen, wovon Du sprichst. Unser Wohnzimmer ist jetzt kleiner als das Badezimmer in D, unsere Küchenmöbel haben mal gerade 1/30 des Preises in D gekostet ... und trotzdem vermisse ich alle diese Dinge nicht, für die ich in D so hart gearbeitet habe. Ich besitze diese Dinge sogar noch, die Immobilien in D stehen leer, mein Sportwagen steht ungenutzt da... Ich ziehe es vor, dort nicht mehr zu leben.

Gruß
Siggi

Re: Zelte in Deutschland abbrechen

Kann man aber nur, wenn man keine Familie dabei hat. Mit Kind ein großes Risiko. Und leben kann man leider auch in den meisten Ländern nur mit Geld, egal wie weit man nach unten schraubt.

Ansonsten - ja. Dieses Anschaffen von Gütern, diesem Hinterherlaufen für Luxus - es ödet einen an. Ist aber in Australien genauso. Und wenn man hier nicht ein gewisses Einkommen erzielt, ist man ziemlich übel dran.

Ich denke, wir reden hier über 2 verschiedene Typen Menschen.

Auch Aussteigen kostet Geld. Wie ich in einem anderen Posting schrieb, es ist schön zu sehen, wie hier immer über Tree und Sea Change berichtet wird und von denen, die das können. Auch hier leider alles Leute mit Geld, die dann hinterher beschreiben, wie toll es ist, einfach und bescheiden zu leben. Auch Bescheidenheit braucht Grundkapital.

Tja, da sind wir wohl etwas verschiedener Meinung. Aber dafür ist ein Board ja da, sonst wäre es langweilig.

Re: Zelte in Deutschland abbrechen

Um "auszusteigen" bedarf es vor allem eines, was unbedingt notwendig ist, und das ist ein freier Geist. Solange der Geist dem materiellen Überfluss verhaftet ist, wird man sich sehr schwer tun "einfach" zu leben.

Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen und somit auch mit dem "Deutschen Denken" sehr vertraut. Aber schon in sehr frühen Jahren fragte ich mich immer wieder mal, dass so zu leben doch nicht die einzige Möglichkeit sein kann.

Als ich noch in Deutschland war, hatte ich mit meiner damaligen Frau einen Dauercampingplatz in landschaftlich sehrf schöner Lage an einem See. Meine Frau hatte bereits in ihrer Kindheit mit ihren Eltern immer die Ferien darauf verbracht und meine Exschwiegereltern leben heute den ganzen Sommer über auf diesem Platz in einem sehr gut ausgestatten Caravan. Wenn es das Wetter bzw. das Klima zulassen tät, würden sie für "ganz" dort leben wollen - aber im Winter wird es da einfach zu ungemütlich.

Als ich in früheren Jahren, jetzt ca. 25-30 Jahre her, mit meiner Frau unsere Ferien auf diesem Platz in einem Caravan mit Vorzelt verbrachte, merkte ich immer sehr schnell, dass ich nach einer kurzen "Umgewöhnungsphase" (2 Wochen oder so) eigentlich schon nichts mehr wirklich vermisste. Denn alles was um zu leben notwendig ist, war da alles vorhanden, wenn auch in etwas bescheidenerem Maßstab. Noch heute habe ich diese Ferien in einer sehr angenehmen Erinnerung.

Als ich dann vor 8 Jahren mich entschied, das "bürgerliche Leben" aufzugeben, spielte ich einige Zeit mit dem Gedanken, einen solchen Dauercampingplatz im Süden zu suchen, wo es das Klima gestattet, eben ganzjährig als Camper zu leben. Aber ich fand damals keinen geeigneten Platz und so entschied ich mich für ein kleines 2-Zimmer-Appartement zur Miete auf Teneriffa und wechselte einundeinhalb Jahr später von dem Appartement auf eine kleine bescheidene Finca.

Freilich, auch das bescheidene Leben erfordert die Generierung von Geld, denn auch ich hatte keine Millionen, welche bis zum körperlichen Tode ausgereicht hätten. Aber wer selbständig und frei denken kann, etwas Organisationstalent mitbringt und keine sonderlichen Ansprüche stellt, der dürfte eigentlich auf keine nicht zu bewältigenden Probleme stossen.

Wenn ich heute noch einmal 20 wäre, würde ich auf das ganze Studium von vornherein verzichten, etwas jobben und 3-5 Tausend Euro ansparen, währenddessen fleissig die spanische Sprache erlernen (ist unverzichtbar und das eigentlich Wichtigste!) und mich dann nach Teneriffa aufmachen oder eine andere Kanareninsel und hätte null Bedenken, dass ich dabei Schiffbruch erleiden könnte.

Was für mich die Kanaren so interessant als Ziel machte, das war vor allem das ganzjährig sehr angenehme Klima und dass die Menschen dort auch sehr kultiviert sind. Das sind je keine Busch-Wilden.

Ich habe mit Spannung und Faszination in einem anderen Thread die Schilderungen von riverzoofarm gelesen, der im afrikanischen Guinea-Bisseau eine 200 Hektar grosse Farm betreibt und für dort weitere Mitstreiter sucht. Ist aber nichts für "Aussteiger", sondern wohl eher für "Auswanderer" von Interesse, sofern sie denn mit dem gesamten Umfeld auch ausserhalb der Farm zurecht kommen. Mein Fall wäre es aber nicht - was aber nicht heissen soll, dass ich sein Angebot, welches er Interessenten unterbreitet, nicht gut finde. Wer für ein solches Leben geboren ist, sich dort wohl fühlen kann, für den ist das Angebot von riverzoofarm doch durchaus von Interesse, denn solche Start-Hilfe, wie er sie anbietet, ist oft mit Geld gar nicht wirklich zu bezahlen und als "Türöffner" in einem fremden Land mit einer völlig anderen Kultur geradezu unschätzbar.

Auch ich kenne die Träume vom Leben auf einem einsamen kleinen Südsee-Insel-Paradies, halte sie aber im Grunde für einen klassischen Europäer für nahezu unrealisierbar. Ein solches Leben dürfte nämlich alles andere als Entspannung sein. Ich würde dort wohl eher sterben und verhungern statt leben...

Die Freiheit, welche dort auf einer solchen kleinen einsamen Insel gesucht wird, sie lässt sich dort ganz gewiss auch nicht finden, wie ich meine. Diese Freiheit ist nämlich eine Freiheit im eigenen Kopf, im eigenen Geist. Und wer diese Freiheit in sich selbst realisiert hat, der findet sicherlich geeignetere Plätze als eine solch kleine einsame Südseeinsel, wo er dann auch weitestgehend frei leben kann. Die wirklichen Bedürfnisse sind sehr einfach zu befriedigen und bedürfen nicht grossartiger Anstrengungen. Ein Dach über dem Kopf, jeden Tag was zu essen und ein paar gute Freundschaften - was braucht der Mensch mehr, um zu leben? Und hierfür bedarf es eben keines grossen finanziellen Einkommens und das lässt sich mit ein paar Ideen dort verwirklichen, wo eine gewisse Infrastruktur eben bereits gegeben ist.

Gruss

Re: Zelte in Deutschland abbrechen

Ja das ist richtig. Aber wenn man einmal einige Zeit unter anderen Bedingungen gelebt hat, dann wird man merken, ob man etwas vermißt. Man braucht natürlich diese Offenheit es einmal zu versuchen. Es ist nichts für einen, ist ja kein Beinbruch, solange man nicht sofort alle Brücken hinter sich abgebrochen hat, geht es wieder in das gewohnte Leben zurück.

Darf ich einmal fragen, womit Du dieses Einkommen generierst? Wieiviel Stunden täglich verwendest Du im Schnitt für diese Tätigkeit?

Aber lernt man durch das Studium (nicht zuletzt durch die Sozialization im universitären Kontext) die Welt aus anderen Perspektiven zu sehen? Ist Lernen nicht spannend? Ich will damit nicht sagen, dass man Bildung nur an der Universität vermittelt bekommen kann, aber auf Bildung würde ich nicht verzichten wollen.

Ja, da empfinde ich ähnlich. Aber das hörte sich für mich sehr nach Anstrengung, Verpflichtung und Unfreiheit an. Persönlich kann ich nicht nachvollziehen, warum ich so etwas tun sollte, wenn ich über derartige finanziellen Mittel verfüge. Aber: Jedem das seine!

Ich bezeichne mich immer als degenerierten Zivilisationsmenschen. Daher brauche schon eine gewisse Infrastruktur für mein Wohlergehen bzw. Überleben.

Gruß
Siggi