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[ERLOSCHEN] Jareda - Kurzgeschichte: Ein fast normales Schaf

[ERLOSCHEN] Jareda - Kurzgeschichte: Ein fast normales Schaf

Mich vorstellen?

OK, na dann:

1966 im Sternzeichen des Zwillings geboren, habe ich fast 40 Jahre meine kreative Persönlichkeit ignoriert.

Lediglich zum Schreiben beruflicher Texte ließ meine Buchhalterseite die zweite Hälfte meines Ichs zu Wort kommen. Ich freue mich immer wieder, wenn Kunden mir berichten, dass sie durch meine Texte technische Zusammenhänge verstanden haben.

Mein Leben lang schreibe ich Tagebuch, seit ein paar Jahren nun endlich Geschichten. Ich glaubte mein Kopf würde platzen. Ab aufs Papier (oder in eine Datei) und im Kopf löschen, so dachte ich mir. Irrtum. Es werden immer mehr Ideen und Figuren. Außerdem bin ich mit dem Geschriebenen nie zufrieden.

Schreiben ist Handwerk. Nur die begabtesten Handwerksmeister werden Künstler. Ich bin ein Lehrling. Mein Künstler- Ich sagt: Gut so, lerne. Mein Buchhalter- Ich sagt: Wie viele Jahre brauchst du denn noch? Wahrscheinlich ewig. 

Ich versuche in meinen Texten deutlich zu sein. Es geht mir nicht um Bequemlichkeit. Es geht mir um Verstehen. Wenn es mit Humor geht: Super! Wenn nicht, dann eben ohne.

Ein Text von mir? (*winde mich, grübel*) Folgt in Kürze.


Editiert:

Habe den Titel / Überschrift von "Wer bin ich?" in "Jareda" geändert. Nordmann

Re: Jareda

Tja, dafür sind die "Neuen" ja auch da: Zum Testen der Funktionen.

Re: Jareda


Ein fast normales Schaf



Darf ich mich vorstellen? Danke. Einen Namen habe ich leider nicht, aber wir Schafe tragen Nummern. Ja, ich bin ein Schaf und lebe auf Brackers Hof. Manchmal fühle ich mich jedoch wie ein Huhn. Ich lege zwar nicht jeden Tag ein Ei, bekomme aber jedes Jahr ein bis zwei, manchmal auch drei, Lämmer. Dieses Jahr habe ich nur ein Lamm, meinen kleinen Prinzen, was ich sehr ärgerlich finde. Es senkt meinen Durchschnitt und wer sagt, dass wir Schafe keinen Ehrgeiz haben? Vielleicht liegt es daran, dass ich in die Jahre gekommen bin. Der Chef sprach vor ein paar Tagen mit einem Feriengast, dass „die Gelben im Sommer weggehen“ (Tipp für Unwissende: Unsere Ohrmarken zeigen, wie alt wir sind. Jeder Jahrgang bekommt eine andere Farbe). Jetzt gehöre ich also zu „den Alten“, die gehen immer weg. Aber wohin? Denkt der Chef eigentlich darüber nach, dass ich Veränderungen in meinem Alter nicht mehr so einfach verkrafte? Ich will hier nicht weg!

Es ist Nacht. Eigentlich die ruhigste Zeit des Tages. Die letzte Kontrolle des Chefs ist gerade mal ein paar Minuten her, als eine Herdengenossin, sehr spontan, ihr Lamm bekommt. War die eigentlich schon dran? Sie hatte in den vergangenen Wochen starke psychische Probleme. Na ja, eigentlich war sie schon immer zickig. Welcher Teufel sie jetzt reitet, ist mir nicht klar, aber sie nimmt ihr Lamm nicht an. Sie steht, nach einer beneidenswert leichten Geburt, auf und beachtet das kleine wehrlose Wesen nicht weiter.

Das Kleine tut mir schrecklich leid, aber nein, ich bin nicht für alles Elend zuständig. Der Chef wird es zu den anderen stecken, die alle paar Stunden die Flasche bekommen.

Gut, ich gebe zu, ich bin ein wenig sauer. 14, VIERZEHN, Lämmer habe ich dem Chef geschenkt und der Dank? Ich soll meine Herde verlassen. Mein zu Hause. Nee, für das Kleine bin ich nun wirklich nicht verantwortlich.

Na ja, zugegeben, ich habe mehr Milch, als mein kleiner Prinz trinken kann. Vielleicht sollte ich dem Kleinen einen Schluck gönnen? Auch wenn mich der Chef für alt hält, werde ich es doch noch schaffen, über diese Boxenwand zu springen, die mich und mein erst zwei Tage altes Lamm, von der Herde trennt, und dem Kleinen ein bisschen Milch zu geben? Nur fürs erste. Wer weiß, wann der Chef wieder kommt.

Die „grüne 54“ geht mir schon lange auf die Nerven. Typisch altes Flaschenlamm. Hält sich für was Besseres. Ich nehme Anlauf (na ja, drei Schritte, mehr geht nicht) und springe. Die blöde Kuh steht natürlich im Weg. Sie motzt sofort los, obwohl sie ihren Kadaver ja nun wirklich hätte mal ein Stück zur Seite nehmen können. Brabbelt was von „überschätz dich nicht“ und „Heldennummer abziehen“. Ich höre gar nicht hin, obwohl es mich natürlich schon ärgert. Die „blaue 23“, eine etwas schüchterne Erstgebärende, raunt mir im Vorbeigehen zu: „Ich würde die Kleine gern annehmen, aber ich hab noch keine Milch.“ Ich werfe ihr einen beruhigenden Blick zu.

Milch, OK. Aber ich werde es nicht sauber lecken. Auf gar keinen Fall. Sonst hält es mich für seine Mutter. Soll sich schließlich der Chef drum kümmern. Diese Mutter- Zicke steht völlig belämmert in der Gegend rum und tut so, als ob sie das Ganze nichts anginge. Ich stupse das Lamm an und halte ihm meinen Euter hin. Gierig beginnt es zu suchen. Es zittert. Na toll, nun habe ich schon Mitleid, weil es sich allein gelassen fühlt. Und ich? Fagt sich einer wie ich mich fühle? Ich fahre die Zicke an, sie soll sich um ihr Lamm kümmern, aber sie starrt nur stur gerade aus und ist geistig nicht auf dieser Welt. Ich fühle mich zu alt für diesen Mist. Vielleicht ist es doch gut, wenn ich hier rauskomme.

Mein kleiner Prinz ruft nach mir. Er vermisst mich. Für ihn bin ich verantwortlich. Die Kleine hat ihren ersten Durst gestillt, ich stupse sie weg.

Ich nehme wieder Anlauf und springe zurück in meine Box. Mein Prinz freut sich, ich stoße mir den Kopf an der Wand, weil die Box einfach zu eng zum Landen ist. So richtig wohl fühle ich mich trotz meiner guten Tat nicht. Mir brummt der Schädel und die Kleine wimmert und ruft nach ihrer Mutter. Die blöde Zicke dreht ihr den Hintern zu und frisst gemütlich. Kann mir mal jemand sagen, was ich nun erreicht habe?

Die „grüne 54“ bewegt sich, trotz ihres enormen Körperumfanges, erstaunlich lässig auf die Kleine zu. Ein leichtes boshaftes Lächeln umspielt ihre viel zu großen Lippen, als sie ihren Huf hebt. Ohne lange zu überlegen, nehme ich wieder die drei Schritte Anlauf und springe über die Boxenwand. Fast wäre ich auf der „orangen 12“ gelandet. Keine Zeit für Entschuldigungen. Ich nehme den Kopf runter und ramme ihn der „grünen 54“ in den Bauch. Im Geiste bitte ich die ungeborenen Lämmer um Vergebung. Die Dicke schwankt zur Seite und ihr Huf trifft ins Leere. Die Kleine hat sich eng ins Stroh gekauert und zittert heftig. Ich kann mich nicht mehr beherrschen und lecke sie sauber.

In dieser Aufregung völlig unbemerkt, hat sich der Chef in den Stall geschlichen. Er steht an der Seite und beobachtet mich und die Kleine. Sein Blick wandert zur Zicke und ihm ist anzusehen, dass er kombiniert. Menschen können ja manchmal erstaunlich schnell Zusammenhänge begreifen. Mit einem Lächeln kommt er auf mich zu, nimmt die Kleine und bringt uns in meine Box zurück. Mein Prinz guckt anfangs etwas verwirrt, aber als er an meinen Euter drängt und die erste Milch seine Kehle hinunterfließt, hat er schon vergessen, dass er einmal ein Einzelkind war. Der Chef streicht mir über den Rücken und sagt: „Na, da haben wir ja eine Amme auf dem Hof.“ Ich habe keine Ahnung was das ist, aber es scheint ihn zu freuen.

Ich bin stolz auf mich. Zwar habe ich nur ein Lamm geboren, aber ich werde zwei ernähren. Ungewohnt, aber ein schönes Gefühl. So kann man auch seinen Durchschnitt wieder in Ordnung bringen. Als der Chef am nächsten Morgen jedem Urlauber von den nächtlichen Ereignissen berichtet, ist es mir fast peinlich. Aber nur fast. Besonders freut mich der eine Satz: „Die „gelbe 18“, die wird bleiben. Die ist was ganz Besonderes."
Die "gelbe 18", das bin ich!

Re: Jareda - Kurzgeschichte: Ein fast normales Schaf

Das Mitglied "Jareda" hat am 24.10.2010 seine Mitgliedschaft auf eigenen Wunsch leider gekündigt. Wir wünschen für die Zukunft alles Gute.