Mal ohne Kommentar MAZ-Artikel vom 1.6.2010
GEWALT: Haben Mitschüler den jungen Iraker niedergeschlagen?
Flüchtlingsjunge (15) war nach dem Angriff in Nord drei Tage im Krankenhaus / BSC Süd setzt 300 Euro Belohnung aus
Khadim Khadim (15) wirkt gelassen. Äußerlich ist dem aus dem Irak stammenden Jungen kaum anzumerken, dass er am vergangenen Mittwochnachmittag auf offener Straße aus unbekanntem Grund niedergeschlagen wurde.
Der Junge, der mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in Nord lebt, zeigt seine Kratzverletzungen am Oberkörper. Auf dem Weg zum Fußballtraining waren am Mittwoch zwischen 16.30 und 17.30 Uhr in der Lilli-Friesicke-Straße mehrere Jugendliche hinter ihm hergelaufen, so schildert er seine Erinnerung. Einer von ihnen sei von hinten gekommen und habe ihm auf den Kopf geschlagen, so dass er kurzzeitig das Bewusstsein verloren habe, berichtet Khadim mit Hilfe einer Dolmetscherin. Als er wieder bei sich war, seien die Angreifer verschwunden gewesen. Khadim wurde mit Kopfverletzungen, Prellungen und Kratzern ins Krankenhaus gebracht, wo er bis Freitag blieb.
Wer die Angreifer waren, kann oder will Khadim nicht sagen. Doch ein anderer junger Iraker aus Nord berichtet, dass zwei Jungen aus der 9. oder 10. Klasse seiner Schule ihn bedroht hätten: Er werde der Nächste sein.
Khadim sagt, er habe keine Angst, auf die Straße zu gehen. Doch seine Mutter Amani Khadim sorgt sich um ihren Jungen. Sie versichert, sie lasse ihre Kinder nicht mehr allein nach draußen gehen. Im November 2009 kam die Frau mit ihren drei Kindern in Brandenburg an. Die Khadims sind anerkannte Flüchtlinge, also keine Asylbewerber. Sie dürfen sich frei in Deutschland bewegen.
Vor ihrer Ankunft lebte die Familie in Syrien und Jordanien, so jedenfalls berichtet es die Mutter. Die Flüchtlinge sagen, dass ihnen Deutschland gefalle. Doch die Mutter ist überzeugt davon, dass der Angriff auf ihren Sohn etwas mit der Herkunft zu tun hat.
Die Polizei schließt einen ausländerfeindlichen Hintergrund nicht aus, hat aber auch keinen konkreten Hinweis darauf. Nach Angaben von Polizeisprecher Torsten Ringel gibt es noch keinen neuen Erkenntnisstand zu dem Überfall auf den Jungen.
Wir lassen das nicht einfach durchgehen und wollen nicht zur Tagesordnung übergehen, betont Guido Löhst, Nachwuchsleiter des Fußballvereins BSC Süd 05. Der Verein habe daher 300 Euro Belohnung ausgesetzt für Hinweise, die zu den Schlägern führen.
Seit ihrer Ankunft im November spielen Khadim und drei weitere junge Iraker im Alter von neun, 14 und 17 Jahren in den Nachwuchsmannschaften von Süd. Sie haben sich die Achtung der Mitspieler erkämpft, berichtet der Nachwuchsleiter. Er und Jugendtrainer Lambert Tertelt sehen das spielerische Talent der Jungen. Khadim spielt wie sein Freund Obeda (14) in der Sturmreihe seines Teams.
Zum Training will er weiterhin gehen, denn der Junge, der sein Heimatland kaum kennt, träumt von einer Fußballerkarriere. Real Madrid ist sein Lieblingsverein, aber Bayern München findet er auch so gut, dass er das Trikot trägt.
In die Schule geht der Junge hingegen gar nicht gern. Ob er Angst vor Mitschülern hat, ist nicht herauszufinden. Rainer Kelch, der das Ausländerwohnheim in Nord leitet, weiß von Problemen an der Schule. Den Umgangston in Khadims Klasse nennt er rau. Die Jungen müssten schlimme Beleidigungen aushalten. Bei solchen Beschimpfungen würde ich in die Luft gehen, sagt Rainer Kelch. Er sei bei der Klassenlehrerin gewesen, doch die habe nur gesagt, das sei eben der Umgangston.
Ein schweres Handicap ist für die irakischen Kinder natürlich, dass sie die deutsche Sprache noch nicht so gut sprechen. Beim Fußball kämen sie trotzdem klar, hätten sich Respekt verschafft, sagt Kelch. Doch in der Schule sei von Respekt nichts zu spüren.
Hinweise zu der Straftat nimmt die Polizei entgegen, 0 33 81 / 56 00. Der Verein BSC Süd, der für Hinweise 300 Euro Belohnung verspricht, ist unter 0 33 81 / 30 13 52 erreichbar. (Von Jürgen Lauterbach