Being Different Fanfictions - Late Night Specials

A Chance For Dreaming... (M/L) ..:: new part :: 12/03 ::..

A Chance For Dreaming... (M/L) ..:: new part :: 12/03 ::..

Inhalt: Als sie ihren zukünftigen Ehemann einen Tag vor der Hochzeit in flagranti mit einer Anderen erwischt, flieht Liz nach Port Washington, Wisconsin, zu ihrem Vater.
Dort erfährt sie, dass ihre beste Freundin aus College-Tagen vor kurzem gestorben ist und ihren Mann und ihre kleine Tochter einsam zurückgelassen hat...

Kategorie: M/L - AU (keine Aliens)

Rating: voraussichtlich NC-17...

Anmerkung: Die Idee zu dieser Story kam mir, als ich die kurze inhaltliche Zusammenfassung einer literarischen Neuerwerbung meiner Mutter gelesen habe. Eventuelle Ähnlichkeiten zu besagtem Buch sind also nicht ausgeschlossen...

Disclaimer: Ich habe (leider!) keinerlei Rechte an irgendwas und verdiene weder mit Roswell und Co. noch mit irgendwelchen schriftstellerischen Werken auch nur einen lausigen Cent!
Wenn dem so wäre, säße ich nicht hier vorm PC, sondern würde auf den Mallediven in der Sonne braten...





„Ist Ihnen nicht gut, Miss?“

Die freundliche Stimme riss Liz aus ihrer Gedankenwelt.

„Nein, alles in Ordnung“, antwortete sie der älteren Dame, die neben ihr im Flugzeug saß, und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

Sie konnte es noch immer nicht glauben.
Sie hatten am nächsten Tag heiraten wollen! Er wollte ihr die ewige Treue schwören!
‚Ewige Treue, dass ich nicht lache!’
Und ausgerechnet seine Sekretärin!
Oh ja, er hatte sich bis ins kleinste Detail an die Klischees gehalten: Reicher Anwalt vögelt seine Sekretärin am Abend vor seiner Hochzeit mit einer anderen Frau. Das wäre doch mal eine klasse Schlagzeile! Sie konnte die schwarzen Blockbuchstaben der Klatschblätter New Yorks förmlich vor sich sehen.
Immer noch überlegte sie, was wohl geschehen wäre, wenn sie sich an diesem Abend anders entschieden hätte...

Er hatte seinen Mantel in der Reinigung vergessen. Die letzte Nacht vor der Hochzeit würde er bei seinen Eltern verbringen, und sie hatte gewusst, dass er am nächsten Morgen sicher anderes zu tun hätte, als seinen Mantel aus der Reinigung zu holen. Da der Wetterbericht aber schlechtes Wetter angesagt hatte, und er ihn deshalb am folgenden Tag brauchen würde, hatte sie den Mantel für ihn geholt.
Sie hätte ihn ihm auch erst vor der Kirche geben können, aber sie war abergläubisch und wollte nicht, dass der Bräutigam die Braut so kurz vor der Hochzeit noch sah. Deshalb hatte sie sich schließlich entschlossen, zu ihm ins Büro zu fahren und ihm den Mantel zu bringen.
Oh, hätte sie sich doch nur anders entschieden...

Als sie den Gang entlang zu seinem Büro gegangen war, hatte sie gedämpfte Stimmen gehört und Geräusche... eindeutige Geräusche...
Sie hatte noch amüsiert gelächelt, hatte geglaubt, einer der Anwälte würde wohl noch ein spätes Schäferstündchen mit seiner Geliebten halten. Uh, wie Recht sie damit gehabt hatte!
Es war einer der Anwälte gewesen, der sich mit seiner Sekretärin vergnügte! Ihr Anwalt! Ihr zukünftiger Ehemann!

Im ersten Moment hatte sie nur ungläubig auf die Szene gestarrt, die sich ihr geboten hatte:
Mary Pauls, die ‚überdrehte Tippse’, wie er sie immer genannt hatte – Ha! Von wegen! – lag rücklings auf seinem kostbaren Mahagoni-Schreibtisch, ihr Lippenstift bis zur Unkenntlichkeit verschmiert, die weiße Chiffon-Bluse aufgerissen, den ohnehin schon viel zu kurzen Rock bis über ihre Hüften nach oben geschoben, und über ihr Kyle, seine Hände praktisch überall, Lippenstift am Hemd und die Hose offen! Ganz zu schweigen von dem, was aus besagter Hose hervorsah...

Der erste Schock war ziemlich schnell rasender Wut gewichen.
Sie hatte ihn angeschrien, er könne sich seinen Trauring sonst wohin stecken, ihm eine saftige Ohrfeige verpasst und sich überhaupt wie die Furie aufgeführt, die sie in schlechten Filmen immer so verachtete! Kyle hatte sie zu etwas gemacht, das sie nie hatte werden wollen: Zu einer eifersüchtigen Irren! Und das würde sie ihm nie verzeihen!

Erst später, als sie nach einem langen Fußmarsch durch strömenden Regen, den sie nicht einmal bemerkt hatte, vor ihrer Haustür angekommen war, kam der Schmerz, die Verzweiflung... die Scham...
Oh ja, sie schämte sich. Schämte sich dafür, allen sagen zu müssen, was passiert war, warum die Hochzeit abgesagt wurde, dass die Hochzeit abgesagt wurde...
Sie hatte es nicht länger ausgehalten.

Ihr war nur ein Ausweg eingefallen: Nach Hause! Nach Port Washington, zu ihrem Vater... Sie hatte den alten Herrn schon so lange nicht mehr gesehen, und in dem kleinen verschlafenen Ort direkt am Lake Michigan würde niemand wissen, was geschehen war. Sie würde Tante Bettys berühmten Apfelkuchen essen und sich Onkel Louis’ Geschichten über die Bärenjagd anhören. Und Kyle darüber vergessen! Ja, das war’s, was sie jetzt brauchte...

Und da war sie nun: Im Flugzeug auf dem Weg nach Milwaukee, wo ihr Dad sie abholen und nach Hause bringen würde...

* * *

Ein bereits etwas betagterer Herr in beigen Leinenhosen und rot kariertem Flanellhemd stemmte sich tapfer gegen die heranwallenden Massen, die aus der Flughafenhalle drängten, den Kopf nach oben gereckt. Es war offensichtlich, dass er nach jemandem Ausschau hielt, auf jemanden wartete.
Dann, plötzlich, riss er die Hand nach oben und winkte aufgeregt.
„Lizzy, Schatz, hier bin ich! Hier drüben!“

Ein breites Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als Liz ihren alten Dad erblickte. Ihr offenes Haar wehte hinter ihr her, als sie auf ihn zustürmte und sich in seine Arme fallen ließ.

„Dad! Schön, dich zu sehen.“
Dann schob sie ihn auf Armeslänge von sich weg und musterte ihn eingehend.
„Bringt dir Emma immer noch jeden Tag was zu Essen rüber?“, fragte sie schließlich.

„Natürlich, warum?“, meinte ihr Vater unschuldig.

„Na ja, du hast ein bisschen zugelegt um die Hüften, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe...“, antwortete sie mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht.

„Und das muss ich mir von meiner eigenen Tochter sagen lassen!“, entgegnete er gespielt empört.

Sie sahen sich an – und prusteten dann gleichzeitig los!
Es tat gut, etwas so normales zu tun. Mit ihrem Vater hatte sie schon immer viel Spaß gehabt. Er verstand sie, auch ohne große Worte, und er brachte sie immer zum Lachen. Und genau das war es, was sie jetzt brauchte... Es war die richtige Entscheidung gewesen, hierher zu kommen...

Ihr Vater schnappte sich ihr Gepäck und verstaute es hinten auf dem Pick-up. Liz setzte sich währenddessen auf den Beifahrersitz, und nachdem sich ihr Vater hinterm Steuer platziert hatte, fuhren sie los. Richtung Heimat. Weg von Kyle, weg von seiner Sekretärin, weg von den Erinnerungen, und rein in ein neues Leben. Ja, sie würde die Vergangenheit ganz einfach hinter sich lassen und noch mal ganz von vorne anfangen...

* * *

„So, meine Kleine, da wären wir!“, sagte ihr Vater, während er sich daran machte, die schweren Koffer wieder von der Ladefläche zu hieven.

„Warte, ich helf’ dir.“ Liz griff nach dem nächst besten Koffer und hob ihn keuchend von dem kleinen Pick-up.
Dann folgte sie ihrem Vater ins Haus.
Gott, wie hatte sie dieses Häuschen vermisst! Es war nicht besonders groß, aber mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. In den Fenstern hingen kleine Vorhänge mit Spitzen und Übergardinen mit altmodischem Blümchenmuster – eben ganz der ländliche Stil, der hier in Wisconsin so üblich war. Sie liebte die alten Eichenschränke, die Kommode in ihrem alten Zimmer, die jedes Mal, wenn man eine der Schubladen öffnete, ein beinahe ohrenbetäubendes Quietschen hören ließ, und den alten Kamin im Wohnzimmer, vor dem sie als Kind im Winter immer so oft gesessen hatte, während ihr der Duft frischer Bratäpfel in die Nase gestiegen war... Und sie liebte die alte Veranda, deren Holzdielen schon so verwittert waren, dass man Angst haben musste, sie würden unter einem nachgeben, wenn man darüber lief. Oh, wie freute sie sich auf die weiße Hollywoodschaukel neben der Tür, in der sie so oft gesessen und den Ausblick auf den See genossen hatte...
Ja, hier würde sie sich endlich, nach langer Zeit, wieder so richtig wohlfühlen können...

„Dein Zimmer ist noch genau so, wie du es damals verlassen hast.“

Sie fuhr erschrocken zusammen. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie ihr Vater hinter sie getreten war.

„Ich freu mich, dass du wieder da bist“, sagte er. „Dann ist es in dem alten Haus nicht mehr so leer...“

Ein Schatten huschte über sein Gesicht. Sie hatte gar nicht daran gedacht, dass es auch für ihren Vater schön sein musste, sie wieder hier zu haben. Seit dem Tod ihrer Mutter vor zwei Jahren wohnte er allein hier. Nun ja, er war nicht wirklich allein: Jeden Tag kamen Leute vorbei, saßen mit ihm auf der Veranda oder brachten ihm was zu Essen, wie Emma zum Beispiel.
Aber das war eben nicht dasselbe. Nachts war das Haus dennoch einsam und leer...

„Max wird sich übrigens auch freuen dich zu sehen...“

„Max? Wieso Max?“

* * *

Liz sah ihren Vater überrascht an.
Zu Max hatte sie schon seit Jahren keinen Kontakt mehr...
Als er damals ihre beste Freundin Isabel geheiratet hatte, war sowohl ihre Freundschaft zu ihr, als auch die zu Max in die Brüche gegangen.
Sie wusste ehrlich gesagt gar nicht mehr, wie es soweit gekommen war...

Zum Teil war es vermutlich auch ihre Schuld gewesen. Sie und Max waren auf der High School lange Zeit ein Paar gewesen. Dann war er aufs College nach Boston gegangen, während sie in New York studiert hatte, zusammen mit Isabel. Die Beziehung hatte der Entfernung nicht standgehalten, und schließlich hatten sie beide beschlossen, dass es besser sei, getrennte Wege zu gehen.
Kurz vor ihrem Examen hatte sie dann Kyle kennengelernt – die große Liebe... dachte sie damals. Seinetwegen hatte sie entschieden, in New York zu bleiben, während Isabel wieder zurück nach Port Washington gegangen war. Sie hatten noch lange regelmäßig telefoniert und sich Briefe geschrieben, doch irgendwann kam von Isabels Seite nichts mehr. Sie hatte sich damals keine großen Gedanken darüber gemacht – schließlich war sie selbst auch sehr beschäftigt gewesen: Arbeit, Beziehung...

Bis dann eines schönen Samstag Morgens eine Karte in ihrem Briefkasten gelegen hatte: „Einladung zur Hochzeit von Max Evans und Isabel Morris“.
Da hatte sie gewusst, dass Stress in der Arbeit nicht der Grund dafür gewesen war, weshalb Isabel nichts mehr von sich hatte hören lassen...

Seitdem hatte sie weder mit Isabel noch mit Max Kontakt gehabt – sie war auch nicht zur Hochzeit gekommen.
Sie hatte oft gegen einen Anflug schlechten Gewissens gekämpft, aber letzten Endes hatte immer die Überzeugung gesiegt, dass die beiden sie ganz gemein hintergangen hatten. Nicht, dass sie etwas dagegen gehabt hätte, dass die beiden zueinander gefunden hatten! Was sie störte war lediglich die Art und Weise ihres Zusammenfindens: Nämlich dass sie es nicht für nötig gehalten hatten, es ihr früher mitzuteilen.

Aber was soll’s, das alles war lange her. Sie war wieder hier, und vielleicht war nun die Zeit gekommen, reinen Tisch zu machen und sich mit den beiden wieder zu versöhnen...

„Ich hab lange nichts von Max und Isabel gehört“, sagte sie deshalb und wandte sich zu ihrem Vater um. „Wie geht es den beiden denn?“

„Kindchen, hast du es denn nicht gehört?“, fragte ihr Vater erstaunt und auch ein bisschen... schockiert, wie Liz glaubte.

„Was denn?“, fragte sie neugierig. Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus. Irgendetwas an der Art, wie ihr Vater sie ansah, gefiel ihr ganz und gar nicht...

Er trat einen Schritt auf sie zu und legte ihr die Hände auf die Schultern.
„Lizzy, Schatz, Isabel ist... sie ist tot, Herzchen...“

* * *

„W... Was?“, brachte Liz erstickt hervor. Isabel war... aber... wie? Warum? Was... Was war denn nur geschehen?
Plötzlich hatte sie das Gefühl, ihre Beine könnten sie nicht mehr tragen. Sie ließ sich in einen der Sessel im Wohnzimmer sinken.
Tausende von Gedanken strömten gleichzeitig auf sie ein und blitzten durch ihr Gehirn wie ein Funkenregen.
Wieso hatte sie davon nichts gewusst? Warum hatte ihr niemand bescheid gesagt?
Wie war das überhaupt passiert, wie war sie gestorben?
Sie konnte es nicht glauben! Isabel war immer ein so fröhliches Mädchen gewesen... Als sie noch Kinder gewesen waren, hatte sie sie immer zum Lachen gebracht, selbst wenn Liz am Boden zerstört gewesen war.
Wie hatten sie sich nur soweit voneinander entfernen können, dass sie nicht einmal erfuhr, wenn Isabel starb? Mein Gott, sie war nicht einmal auf ihrer Beerdigung gewesen! Wie hatte sie nur zulassen können, dass diese enge Freundschaft, die sie früher miteinander verbunden hatte, zerbrach?
Und Max! Wie musste es ihm jetzt wohl gehen?
Sie wusste nicht, wie groß die Liebe zwischen ihm und Isabel gewesen war, aber ganz sicher litt er unter ihrem Tod. Vielleicht sollte sie zu ihm rüber gehen und nach ihm sehen...
Aber würde er sie überhaupt sehen wollen, nach allem, was noch zwischen ihnen stand?
Sie hatten nie darüber geredet, was damals zwischen ihnen passiert war, warum der Kontakt so abrupt abgebrochen war...

„Schatz?“, riss sie die besorgte Stimme ihres Vaters aus ihren Gedanken. „Ist alles in Ordnung?“

Sie hob den Blick und sah ihn fragend an.
„Was ist passiert? Warum...?“

„Das weiß niemand so genau“, unterbrach sie ihr Vater. „Man hat sie im See gefunden. Du kanntest sie doch, sie ging oft abends noch schwimmen... Sie muss wohl irgendwie... zu weit vom Ufer abgetrieben worden sein... Am nächsten Morgen wurde ihr Körper ans Ufer geschwemmt. Böse Zungen behaupten, sie hätte sich umgebracht, aber...“

„Nein!“, rief Liz aufgebracht. Sie war aufgesprungen und funkelte ihren Vater nun herausfordernd an. „Nein, niemals! So etwas hätte sie nie getan, nicht Isabel!“
Sie wusste, es war falsch, ihre Wut und Verzweiflung an ihrem Vater auszulassen, aber er war nun mal die einzige Person in der Nähe... Sie wollte ihn nicht anschreien, aber sie konnte nicht anders.

„Ist ja gut, Schatz, beruhige dich“, sagte er liebevoll. „Setz dich, Liebes, ich hol’ dir ein Glas Wasser.“ Damit verschwand er in die Küche.

Als er zurückkam, hatte sie sich wieder etwas gefasst.
Sie nahm das Glas, das er ihr entgegenhielt und trank einen Schluck. Dann blickte sie ihn vorsichtig an.
„Glaubst du das? Glaubst du, was die Leute sagen, Dad?“

Er setzte sich mit einem abgrundtiefen Seufzer in den Sessel neben ihr.
„Ich weiß es nicht, Liz. Es gibt viele Gerüchte, weißt du... Sie soll depressiv gewesen sein... nicht mehr sie selbst... Niemand weiß genau, wie es dazu kam, aber sie hatte ihre frühere Fröhlichkeit verloren... Das fing alles nach Cassys Geburt an...“

„Cassy?“ Liz wurde sofort hellhörig. „Wer ist Cassy?“

* * *

Ihr Vater erzählte ihr, dass Isabel ein Jahr nach der Hochzeit schwanger wurde. Sie bekam eine Tochter – Cassy. Bildhübsch, wie er Liz versicherte.
Schon kurz nach der Geburt stellten die Ärzte einen schweren Herzfehler bei dem kleinen Mädchen fest – inoperabel, jedenfalls solange sie noch so klein war. Max und Isabel wurde gesagt, dass Cassys Überlebenschancen etwa bei 50 Prozent lägen. Man sagte ihnen, an eine Operation wäre frühestens ab dem sechsten Lebensjahr zu denken und bis dahin müsse die Kleine von jeglicher Aufregung oder Anstrengung ferngehalten werden.
Nun, so lange sie noch ein Baby war, war das nicht weiter schwierig gewesen, aber als Cassy dann älter wurde und den anderen Kindern in ihrem Alter beim Spielen im Park nur zusehen durfte, hatten wohl die Probleme angefangen...
Isabel hatte sehr unter der Krankheit ihrer kleinen Tochter gelitten, unter der Ungewissheit – schließlich konnte die kleinste Aufregung ihren Tod bedeuten – und unter der Last, ihrem Kind immer wieder sagen zu müssen, dass es schwer krank war und deshalb nicht mit den anderen Kindern zusammen Spaß haben durfte.
Damals hatte Isabel sich verändert. Sie war depressiv geworden, hatte sich mehr und mehr von allem zurückgezogen...
Max, der Arzt in einem Krankenhaus in Milwaukee war, hatte zwar versucht, soviel Zeit wie möglich zuhause zu verbringen, um Isabel beizustehen, aber bei dem Arbeitspensum und den vielen Nachtschichten, die von den Ärzten dort gefordert wurden, war das wohl nicht so einfach gewesen. Trotz seiner Bemühungen blieb Isabel mit ihren Problemen und Ängsten meist allein.

Liz konnte sich nur allzu gut vorstellen, was in ihr vorgegangen war. Sie wusste nicht, ob sie das durchgehalten hätte...
Da gab es nur eine Sache, die sie nicht verstand:

„Warum hat denn niemand bemerkt, wie schlecht es Isabel ging?“, fragte sie schließlich nach einer Weile ihren Vater.

„Ich weiß es nicht, Kindchen“, antwortete er ihr kopfschüttelnd. „Sie wirkte eigentlich wie immer. Gut, vielleicht etwas stiller als gewöhnlich, aber das wäre ja auch kein Wunder gewesen, nach allem, was sie durchmachen musste. Aber man hatte, wenn man ihr begegnete, nie den Eindruck, als hätte sie derartige Probleme, als sei irgendetwas nicht in Ordnung.“

„Aber Max hätte doch etwas auffallen müssen!“ Sie verstand es einfach nicht! Max war früher immer so aufmerksam gewesen, so... mitfühlend. Er hatte immer sofort bemerkt, wenn irgendwas nicht stimmte. Und dann merkte er nicht einmal, wenn seine eigene Frau kurz vor einem Selbstmord stand?

„Das hat er auch gesagt“, riss sie ihr Vater aus ihren Gedanken. „Glaub mir, Liebes, er macht sich selbst schon genug Vorwürfe, dass er es nicht hat kommen sehen.“

Ja, das konnte sie sich nur allzu gut vorstellen. Wahrscheinlich saß er gerade in einem dunklen Zimmer und marterte sich selbst dafür, dass er Isabel nicht hatte helfen können. Jetzt verstand sie auch, was ihr Vater gemeint hatte, als er ihr sagte, er würde sich sicher freuen, sie zu sehen. Vermutlich brauchte er einfach jemanden zum Reden...

„Wie geht’s ihm denn?“, erkundigte sie sich vorsichtig.

„Na ja“, antwortete ihr Vater zögernd, „er hat aufgehört zu arbeiten, um sich um Cassy kümmern zu können. Sie ist erst vier Jahre alt – alt genug, um zu begreifen, was mit ihrer Mutter geschehen ist, aber noch zu jung, um zu erfahren, weshalb das geschehen ist. Allerdings sieht man die beiden nur selten. Emma sagt, er verlässt das Haus nur, um Cassy in den Kindergarten oder zum Arzt zu bringen und einzukaufen. Sie sagt, die Fensterläden sind meistens geschlossen und er hört ständig irgendwelche klassische Musik...“

‚Mozart’, dachte Liz. Max hatte schon früher immer Mozarts Requiem gehört, wenn er traurig gewesen war. Er zog sich dann immer völlig zurück und ließ niemanden an sich heran. Aber das durfte sie nicht zulassen!
Sie fasste einen Entschluss.

„Ich werd’ zu ihm rüber gehen“, sagte sie und stand auf. Sie schnappte sich ihre Jacke und machte sich auf den Weg zum Haus der Evans...

Horatio: O day and night, but this is wondrous strange!
Hamlet: And therefore as a stranger give it welcome. There are more things in heaven and earth, Horatio, than are dreamt of in your philosophy.

Re: A Chance For Dreaming... (M/L)

Unsicher stand Liz vor der grün gestrichenen Haustür, den Finger schon zum Klingelknopf mit der Aufschrift „Max, Isabel und Cassy Evans” erhoben.
Irgendwie war sie sich plötzlich nicht mehr sicher, ob es richtig war, hierher zu kommen.
Vielleicht wollte Max sie gar nicht sehen. Sie hatte den Kontakt damals einfach abgebrochen, ohne ein Wort der Erklärung, ohne irgendwas zu sagen. Womöglich war er wütend auf sie, oder verletzt. Vielleicht würde sie alles nur noch schlimmer machen, wenn sie jetzt klingelte, einfach so auftauchte, nachdem sie jahrelang nichts von sich hatte hören lassen...
Unschlüssig stand sie da und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.

„Liz?“, holte sie eine freundliche Stimme hinter ihr wieder zurück in die Gegenwart.

Sie wandte sich um und sah sich einer schon etwas älteren, rundlichen Frau mit blau geblümter Kochschürze und Haarknoten gegenüber.

„Meine Güte, Kindchen! Was machst du denn hier?“ Und bevor Liz reagieren konnte, hatte sie die Frau schon stürmisch an ihre Brust gedrückt. „Gott, ist das schön, dass du wieder da bist! Ich freu mich ja so!“

„Hallo, Tante Betty“, antwortete Liz gedämpft, da ihr Gesicht in den Rüschen verborgen war, die unter der geblümten Schürze hervorsahen.

Das musste wohl auch Betty aufgefallen sein, denn nun schob sie Liz von sich und sah sie prüfend an.
„Du willst zu Max?“, fragte sie schließlich neugierig.

Liz nickte zaghaft. „Ja, aber ich bin mir nicht sicher...“

„Was machst du dann noch hier draußen?“, fiel ihre Tante ihr energisch ins Wort. „Nun klingle schon endlich!“

„Aber vielleicht will er mich gar nicht sehen...“

„Ach papperlapapp!“, entgegnete Betty und hob abwehrend die Hände. „Er wird sich sicher freuen, dich wiederzusehen. Und abgesehen davon...“ Sie machte eine kurze Pause, in der ihr Gesicht plötzlich merkwürdig besorgte Züge annahm. „Vielleicht kannst du ihn ja ein bisschen... aufheitern...“

Zögernd machte Liz einen Schritt auf die Tür zu und hob wieder die Hand zur Klingel. Noch einmal blickte sie sich über die Schulter nach Tante Betty um.

„Na los, los!“, kam erneut die Aufforderung, während die alte Frau wild mit den Händen fuchtelte, als wolle sie einen streunenden Hund verscheuchen.

Liz nahm all ihren Mut zusammen und drückte auf den Knopf. Im selben Moment hörte sie, wie drinnen im Haus die Glocke anschlug...

* * *

„Liz?“

Max sah sie völlig überrascht an.

„Ich wusste nicht, dass du wieder in der Stadt bist...“

Seine Stimme klang rau und belegt, so als hätte er sie lange nicht gebraucht. Die rot unterlaufenen Augen zeigten ihr, dass er wohl geweint hatte, er war unrasiert und sein verwaschenes T-Shirt war völlig zerknittert, so als wäre es nach der Wäsche nicht gebügelt worden.
Liz musste sich zusammennehmen, um nicht schockiert auszusehen.
Wo war der Mann, den sie auf der High School so bewundert hatte? Der Max Evans, der nie im Leben mit einem so verknitterten Shirt auf die Straße gegangen wäre.
Sie konnte sich noch lebhaft daran erinnern, dass er im Bad oft länger gebraucht hatte, als sie. Er hatte über jede Bügelfalte in seinem Hemd geschimpft und war immer perfekt rasiert gewesen. Er hatte immer gewirkt, als wäre er einem Modemagazin entsprungen – einfach perfekt.
Und jetzt?
Liz fand nur einen Ausdruck, um den Eindruck zu beschreiben, den er auf sie machte: Verlottert.
Und das passte so überhaupt nicht zu Max Evans.

„Willst du reinkommen?“, riss ihn seine Stimme aus ihren Gedanken.

„Ähm... ja... gern“, stammelte sie und folgte ihm ins Haus.

Emma hatte Recht gehabt: Überall waren die Läden geschlossen, nur spärliches Licht drang durch die Ritzen zwischen den Lamellen. Das ganze Haus wirkte dadurch irgendwie düster, als würde es die Trauer seiner Bewohner mittragen.
Liz konnte Spielsachen überall im Haus herumliegen sehen – noch so etwas, das absolut nicht zu Max passte, dem Mr. Ordnung schlechthin.

„Möchtest du vielleicht eine Tasse Tee?“, fragte Max ohne sie anzusehen.

„Ähm... nein, danke.“ Gott, konnte sie denn nicht einmal einen Satz ohne dieses „Ähm“ anfangen?

Sie folgte Max ins Wohnzimmer, wo noch mehr Spielsachen, alte Zeitungen und benutztes Geschirr herumlagen.
„Entschuldige die Unordnung“, murmelte er, während er eine Puppe und zwei Stofftiere von der Couch warf, und bedeutete ihr dann, sich zu setzen.
Er selbst ließ sich in einen der beiden Sessel sinken.
Allein diese Bewegung wirkte, als hätte er Mühe, sich überhaupt auf den Beinen zu halten.

Eine Weile herrschte Stille. Bedrückende Stille...
Schließlich hielt Liz es nicht mehr aus.

„Dad hat mir erzählt, was passiert ist“, begann sie zaghaft.

„Mmh“, machte Max nur abwesend. Als sie ihn ansah, bemerkte sie, dass er nur stur vor sich hin starrte – offensichtlich war er mit seinen Gedanken ganz woanders...

„Max?“, versuchte sie, zu ihm durchzudringen.

Er zuckte beim Klang seines Namens leicht zusammen, wandte sich aber zu ihr um.
„Entschuldige, was hast du gesagt?“

„Dad hat mir alles erzählt“, wiederholte sie. „Wie geht’s dir denn?“

Ein trockenes Lachen löste sich aus seiner Kehle.
„Du siehst ja selbst“, sagte er nur, und machte mit der Hand eine Geste, die das ganze im Haus herrschende Chaos mit einschloss.
Doch dann schüttelte er leicht den Kopf, als wolle er diese Geste wieder zurücknehmen. „Wir kommen schon irgendwie klar...“

Die Trauer in seiner Stimme trieb ihr fast die Tränen in die Augen. So hatte sie ihn noch nie gesehen. So... verzweifelt, kraftlos... Er wirkte, als koste es ihn alle Mühe, morgens überhaupt aufzustehen. Und das Schlimmste war, sie war sich sicher, dass der Eindruck nicht täuschte...
„Max, wenn ich irgendwie helfen kann...“, begann sie leise.

„Wir kommen schon klar“, wiederholte er nur monoton, als wäre es sein Mantra, und sein Blick schweifte erneut in die Ferne.

Wieder breitete sich eine drückende Stille über den Raum.
Wie hatte sie nur auf die Idee kommen können, hierher zu kommen? Sie hatte Max seit Jahren nicht gesehen, hatte eine Ewigkeit nichts von sich hören lassen. Wie hatte sie glauben können, er würde ihre Hilfe wollen? Wahrscheinlich war sie im Moment der letzte Mensch auf Gottes weiter Erde, den er um sich haben wollte. Sie sollte gehen, ja das sollte sie...
Langsam stand sie auf.
„Ich sollte besser wieder gehen. Tut mir leid, wenn ich gestört habe“, brachte sie leise hervor.

Sie war schon auf halbem Weg zur Tür, als sie seine Stimme zurückholte:
„Sie hat das Wasser geliebt, weißt du noch?“

Zögernd machte sie kehrt und setzte sich wieder auf die Couch.

„Kannst du dich noch erinnern, wie wir als Kinder immer auf den See rausgeschwommen sind?“, fuhr er fort und sah sie jetzt direkt an. Ein trauriges Lächeln spielte um seine Mundwinkel.

Sie nickte nur. Der Kloß in ihrem Hals saß zu fest, als dass sie auch nur einen Laut über die Lippen gebracht hätte. Es tat so weh, ihn so zu sehen...

„Sie war immer die Beste von uns. Sie schwamm immer am weitesten und war als Erste wieder zurück am Ufer...“

Das stimmte. Isabel war immer eine sehr gute Schwimmerin gewesen. Plötzlich fiel ihr wieder ein, was ihr Vater gesagt hatte...

„Stimmt es, was die Leute sagen?“, fragte sie schließlich vorsichtig. „Ich meine, dass sie... dass sie...“

Ohne ein Wort stand Max auf und ging zu dem kleinen Sekretär an der Wand. Er zog einen beigen Umschlag aus einem der Fächer und reichte ihn ihr.

Mit zitternden Händen öffnete sie das Kuvert und zog einen Brief daraus hervor. Die Tinte war an manchen Stellen verlaufen und er sah aus, als hätte ihn jemand wieder und wieder zwischen die Hände genommen. Sie konnte sich auch denken, wer das gewesen war...

Mit einem Gefühl der Angst, davor, was sie dadurch alles erfahren würde, begann sie zu lesen...

* * *

Mein liebster Max,

ich weiß, du wirst nicht verstehen, warum ich das tue. Aber ich bitte dich, verurteile mich nicht.
Ich schreibe dir diesen Brief, weil ich möchte, dass du weißt, dass es nicht deine Schuld ist. Du hast alles getan, was in deiner Macht stand, warst immer für mich und für Cassy da und ich konnte immer auf dich zählen.
Aber, Max, ich habe einfach keine Kraft mehr. Jeden Morgen, wenn ich aufwache, weiß ich, was mich erwartet: Angst, Trauer, Verzweiflung und... Hoffnungslosigkeit...
Ja, ich weiß. In diesem Augenblick sehe ich dich neben mir stehen und höre dich sagen: Es gibt noch Hoffnung, wir müssen nur zusammenhalten und daran glauben...
Aber das kann ich nicht mehr. Seit vier Jahren bange ich jeden Tag aufs Neue um das Leben unserer kleinen Tochter. Aber ich weiß einfach nicht mehr, was ich noch tun soll! Was soll ich sagen, wenn sie mich wieder und wieder fragt, warum sie nicht zusammen mit den anderen Kindern spielen darf? Was soll ich tun, wenn sie wieder im Krankenhausbett liegt und weint, weil sie nicht das normale Leben eines normalen Kindes führen kann? Was soll ich tun, Max?
Ich weiß, dass du die Antwort auch nicht kennst. Und ich weiß, es ist nicht deine Schuld. Und, glaub mir, ich weiß, dass es für dich genauso schwer ist, wie für mich... Wahrscheinlich wirst du jetzt sagen: Wir schaffen das schon, irgendwie werden wir es schaffen. Genau, wie du es schon so oft zu mir gesagt hast.
Aber ich bin nicht du, Max. Ich habe nicht die Kraft, das alles länger durchzustehen.
Ich sehe nur noch einen Ausweg.
Verzeih mir bitte... und sag Cassy, dass ich sie immer lieben werde.

Ich liebe dich.

Isabel.




Mit zitternden Händen legte Liz den Brief beiseite.
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Welche Worte gab es, die in einer solchen Situation Trost spenden konnten?
Sie wollte zu Max gehen, ihn in die Arme schließen und ihm sagen, dass Isabel Recht hatte mit dem, was sie geschrieben hatte, dass es nicht seine Schuld war.
Aber konnte sie das denn? Hatte sie überhaupt das Recht dazu, so etwas zu sagen?
Sie hatte doch keine Ahnung, was er und Isabel die letzten Jahre durchgestanden hatten, welche Ängste und Sorgen sie geteilt hatten. Wie hätte sie sich da ein Urteil darüber anmaßen können, ob es seine Schuld gewesen war?

Es war nicht so, dass sie Zweifel daran gehabt hätte, dass Max keine Schuld traf. Sie war sich absolut sicher, dass er Isabels Selbstmord verhindert hätte, wenn er nur gekonnt hätte.
Aber das änderte nichts. Sie wusste es, ihr Vater wusste es – aber egal, wie oft sie Max das auch sagen würde, er würde ihr nicht glauben. Er würde es niemandem glauben, und ihr am allerwenigsten. Schließlich hatten sie sich jahrelang nicht gesehen. Woher sollte sie also wissen, ob es seine Schuld gewesen war oder nicht?

Lange Zeit saß sie nur da und wartete darauf, dass etwas geschehen würde – irgendetwas.
Aber nichts passierte. Max saß nur völlig regungslos da, in seine eigene Welt versunken.

Dann, plötzlich, stand er auf und ging rüber zur Stereoanlage in der Ecke. Er drückte auf einen Knopf und sofort drang laute Musik aus den Lautsprechern: Mozarts Requiem. Sie hatte sich nicht geirrt – wenigstens das hatte sich nicht verändert...
Müde ließ er sich wieder zurück in den Sessel sinken und schloss die Augen.

Für Liz war das ein untrügliches Zeichen dafür, dass er allein sein wollte. Schon früher hatte er immer Musik angemacht, sich zurückgelehnt und mit geschlossenen Augen den Klängen gelauscht – und das war für sie immer das Signal gewesen, zu verschwinden. Diese Geste hieß soviel wie: Danke für den Versuch, aber ich will jetzt nicht reden. Er wollte seine Probleme mit sich selbst ausmachen – oder einfach nur in seiner Trauer versinken.

Sie versuchte nicht, ihn umzustimmen. Das hätte im Augenblick auch nicht viel Sinn gehabt. Sie würde später noch mal wiederkommen und dann versuchen, ihn dazu zu bringen, darüber zu reden.
Sie griff nach ihrer Jacke, die sie beim Reinkommen auf die Couchlehne geworfen hatte und verließ das Haus...

* * *

Als er die Haustür ins Schloss fallen hörte, legte Max erschöpft den Kopf in den Nacken.

Was wollte sie hier? Sie hatten sich so lange nicht gesehen, noch nicht mal miteinander gesprochen, telefoniert oder auch nur Briefe geschrieben. Er kannte sie praktisch gar nicht mehr – und sie kannte ihn nicht. Jedenfalls war es das, was er versuchte sich einzureden.
In Wahrheit wusste er, dass sie ihn sehr wohl kannte. Vielleicht besser, als er sich selbst kannte.
Die Stereoanlage hatte er mehr aus Gewohnheit angeschaltet – nicht etwa, um sie loszuwerden. Er war sich gar nicht wirklich bewusst darüber gewesen, was diese Geste für sie bedeuten musste.
Früher hatte er immer Musik angemacht, wenn er allein hatte sein wollen. Liz hatte das gewusst und respektiert. Sie hatte immer gesagt, um zu wissen, wie es ihm ging, müsse sie nur darauf hören, welche Musik gerade lief: Er hörte die Beatles, wenn er gute Laune hatte - auch wenn sie ihn immer damit aufgezogen hatte, dass das wohl nicht so ganz seiner Generation entsprach – Jazz, wenn er etwas Aufmunterung nötig hatte und Mozarts Requiem, wenn er in seiner Traurigkeit versinken wollte. Sie hatte das gewusst – sie wusste es immer noch. Und dabei hatte sogar er selbst es vergessen...

Er sah sich im Wohnzimmer um. Das Chaos hier war ihm irgendwie über den Kopf gewachsen. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann genau das passiert war, aber jetzt ließ es sich nicht mehr rückgängig machen. Nach der Beerdigung hatte sich Cassys Zustand zusehends verschlechtert – was wahrscheinlich auch mit seine Schuld war. Wie erklärte man einem vierjährigen Mädchen, dass seine Mutter sich umgebracht hatte? Er wusste es nicht. Er hatte versucht, es ihr zu erklären, aber er hatte es nicht geschafft. Er hasste sich dafür, dass er ihr nicht einfach hatte sagen können, was passiert war, hasste sich dafür, dass er sich selbst nicht eingestehen konnte, warum Isabel so gehandelt hatte. Er war sich sicher, dass es seine Schuld war. Er hätte merken müssen, wie sehr sie Cassys Krankheit belastete, hätte sehen müssen, was in ihr vorging, hätte ihr helfen, sie aufhalten müssen. Doch was hatte er getan? Nichts.
Er spürte, wie ihm wieder die Tränen in die Augen stiegen. Weshalb? Er wusste es nicht. Wut, Trauer... Was spielte das jetzt noch für eine Rolle?

Um dem aufsteigenden Schmerz entgegenzuwirken, stand er auf und begann, im Wohnzimmer etwas aufzuräumen. Er nahm das verdreckte Geschirr und brachte es in die Küche. Dann machte er sich daran, die umherliegenden Spielsachen einzusammeln.
Er schaffte es, zwei der Stofftiere zu den anderen in die große hölzerne Truhe zu legen, die neben der Heizung stand und in der Cassy ihre Spielsachen verwahrte, als wären sie ihr größter Schatz. Als er all ihre Sachen sah, überwältigten ihn die Gefühle. Seine Schultern wurden von heftigen Schluchzern geschüttelt, die er plötzlich nicht mehr unterdrücken konnte und kraftlos ließ er sich, den zerknautschten Teddy – Cassys Liebling Mr. Bear – fest an seine Brust gedrückt, zu Boden sinken. Seine Beine waren auf einmal zu schwach, um ihn noch zu tragen.

Er vermisste sie. Gott, er vermisste sie so sehr. Cassys Lachen war immer etwas gewesen, was die Wirkung von tausend Stunden Jazzmusik gehabt hatte. Wenn er es gehört hatte, hatte er sich immer sofort besser gefühlt.
Und jetzt, wo er es am dringendsten brauchte, war es nicht da. Die Stille im Haus schien ihm plötzlich unerträglich: Keine fröhliche Kinderstimme, die lauthals „Daddy“ schrie, keine schlagenden Türen, keine klappernden Spielsachen...

Er hatte Isabel wirklich geliebt – vielleicht mehr, als er hatte wahrhaben wollen. Und sie fehlte ihm, jeden Tag. Aber dieser Verlust wäre noch zu ertragen gewesen, wenn Cassy hier wäre, wenn es ihr gut ginge. Wenn sie jetzt hier neben ihm säße, auf seinen Schoß klettern und ihn mit diesen großen braunen Augen ansehen würde.
Aber sie war nicht da.
Am Morgen nach der Beerdigung hatte sie zum ersten Mal realisiert, dass ihre Mommy nicht zurückkommen würde, dass sie für immer gegangen war. Sie war regelrecht hysterisch geworden, hatte geschrien und wild um sich geschlagen. Dann war sie in seinen Armen zusammengebrochen. Er hätte nicht erst Medizin studieren müssen, um zu wissen, was das bedeutete. In den vier Jahren ihres noch so kurzen Lebens war das nur zweimal passiert, und jedes Mal war sie bereits nach drei Tagen wieder zuhause gewesen. Doch diesmal war es anders. Die Ärzte im Krankenhaus wollten sie nicht nach Hause lassen – sie sagten, es sei zu riskant. Solange Cassy nicht akzeptieren könne, was mit ihrer Mutter passiert war, könne so etwas jeder Zeit wieder geschehen, und dann käme vielleicht jede Hilfe zu spät.
Als Arzt wusste Max, dass sie recht hatten. Als Vater weigerte er sich einfach, sich damit abzufinden. Wie lange würde es wohl dauern, bis eine Vierjährige akzeptierte, dass ihre Mutter sich im See ertränkt hatte? Er kannte die Antwort: Nie! Sie würde es nie akzeptieren. Er wusste aus eigener Erfahrung, dass das selbst für einen erwachsenen Mann einfach unmöglich war.

Wütend schleuderte er Mr. Bear in die Kiste zu den anderen Spielsachen.
Er stand auf und wollte gerade die CD von neuem abspielen lassen, die inzwischen zuende war, entschied sich dann aber anders. Er bückte sich, griff nach Mr. Bear und machte sich dann in dem heillosen Durcheinander auf die Suche nach seinen Wagenschlüsseln.
Er würde ins Krankenhaus fahren. Er würde Mr. Bear mitbringen und versuchen, seiner Tochter zu erklären, was geschehen war.
Er wusste ehrlich gesagt nicht, wie er das anstellen sollte, aber einer Sache war er sich absolut sicher:
Er würde nicht zulassen, dass seine Tochter – das Einzige, was ihm auf dieser Welt geblieben war – den Rest ihrer Kindheit in einem Krankenbett verbringen würde...

* * *

Liz stieß die Haustür auf und hastete nach oben in ihr altes Zimmer, ohne ihren Vater zu beachten, der ihren Namen rief und wissen wollte, wie es bei Max gelaufen war.
Sie wollte jetzt nicht mit ihm darüber reden. Sie brauchte jetzt jemanden, der sie verstand, und zwar auf eine andere Weise, als ihr Dad es tat. Sie brauchte jemanden, der unvoreingenommen war, jemanden, bei dem sie auch sicher sein konnte, dass er es nicht sofort allen in der Nachbarschaft erzählen würde. Und so sehr sie ihren Vater auch liebte, er neigte nun mal dazu, alles zum Thema eines gemütlichen Kaffeeklatsches zu machen.

Sie ließ sich auf das weiche, mit schneeweißer Spitze bezogene Federbett fallen und angelte mit der Hand nach dem Telefon am Nachttisch. Sie nahm den Hörer ab und wählte eine Nummer, die sie noch im Schlaf auswendig konnte – die Nummer ihrer besten Freundin Maria DeLuca.

Sie hatte Maria in New York kennengelernt, in ihrem letzten Jahr auf dem College. Nun ja, gekannt hatte sie sie eigentlich schon vorher, aber sie hatte sie nicht – na ja – gekannt. Sie hatte ihren Namen gewusst und sie gegrüßt, wenn sie ihr auf dem Flur über den Weg gelaufen war, aber ihre Gespräche waren die ersten Jahre am College nie über „Hallo“ und „Auf Wiedersehen“ hinausgegangen. Erst im letzten Jahr, als sie mit Kyle zusammenkam, hatte sie Maria wirklich kennengelernt. Sie war mit Kyle befreundet gewesen, und dadurch hatten sie dann öfter miteinander zu tun gehabt. Maria war diejenige, die als erste erfahren hatte, dass Liz ihren Zukünftigen beim Seitensprung erwischt hatte. Liz hatte ihr stundenlang die Ohren vollgeheult, und schließlich hatte Maria sie dazu ermutigt, Kyle einfach in den Wind zu schießen und sich nach Port Washington abzusetzen.
Das war an sich ein guter Rat gewesen, wäre da nicht die Sache mit Max und Isabels Tod.
Jetzt brauchte sie wieder einen Rat – und zwar von ihrer besten Freundin.

„DeLuca“, meldete sich die vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung.

„Hi, Maria, ich bin’s.“

„Liz, Schätzchen! Na, wie ist es so, wieder mal zu Hause zu sein?“, platzte Maria fröhlich heraus.

„Na ja...“ Liz wusste nicht, wo sie anfangen sollte, zu erzählen. Es war einfach alles so kompliziert, so verworren.

„Oh je, das klingt nach Schwierigkeiten.“ Maria brauchte nicht erst zu fragen, sie konnte Liz’ Tonfall entnehmen, dass irgendwas nicht stimmte. Sie klang viel zu deprimiert, als das alles in Ordnung hätte sein können. „Also, was ist passiert?“, forschte sie deshalb nach.

Liz holte tief Luft und erzählte Maria dann alles, was seit ihrer Ankunft in Port Washington geschehen war: Von Isabels Selbstmord, Max’ Trauer, von Cassy... eben einfach alles.
Als sie geendet hatte, herrschte zunächst Schweigen am anderen Ende der Leitung.

Maria versuchte, das eben Gehörte erst mal in irgendeine Ordnung zu bringen. Liz’ Schilderungen waren ziemlich konfus gewesen, und irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass die Freundin ein wichtiges Detail ausgelassen hatte. Aber darum würde sie sich später kümmern – jetzt musste sie erst mal Nothilfe leisten. Für die stationäre Versorgung wäre später noch Zeit genug.

„Du machst dir also Sorgen um Max, wenn ich das richtig verstanden habe“, brachte Maria Liz’ Erzählungen auf den Punkt.

„Ich hab ihn so noch nie gesehen, Maria“, erklärte Liz. „Er ist so... so... ich weiß auch nicht... gar nicht mehr er selbst, verstehst du? Ich meine, früher hat er immer gelacht, er war der fröhlichste Mensch, den ich je gekannt habe, und er war so verdammt ordentlich. Und jetzt? Mein Gott, Maria, du hättest das Haus sehen sollen – ein einziges Chaos! Und ich weiß einfach nicht, wie ich ihm helfen könnte. Ich meine, er lässt mich ja noch nicht mal an sich ran – er redet nicht mal wirklich mit mir...“

„Du machst dir also Sorgen um ihn?“, wiederholte Maria ihre Frage, in der Hoffnung, diesmal wenigstens eine kurze und prägnante Antwort darauf zu erhalten.

„Nun ja... ja, ich denke schon... Es ist nur... wir haben uns so wahnsinnig lange nicht mehr gesehen, und wir sind nicht gerade freundschaftlich auseinander gegangen, weißt du...“

„Ja, ich kann mich an die Hochzeitseinladung erinnern, und daran, wie sauer du damals warst“, antwortete Maria. „Aber das ist doch schon ewig her. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er dir das immer noch vorwirft – wenn er dir denn überhaupt je vorgeworfen hat, dass du nicht zur Hochzeit gekommen bist.“

„Maria, ich hab nicht mal angerufen“, entgegnete Liz verzweifelt. „Ich hab mich nicht mal dafür entschuldigt, dass ich nicht gekommen bin, verstehst du. Jeder normale Mensch mit einem bisschen Anstand hätte zumindest angerufen und einen fiktiven Arzttermin vorgeschoben oder so was in der Art.“

„Ok, ok“, unterbrach Maria ihre Freundin, „ich seh schon, es handelt sich hier um ein ernsteres Problem – klarer Fall von Schuldgefühlen. Weißt du was, ich nehm den nächsten Flug nach Milwaukee und dann reden wir in aller Ruhe über alles, einverstanden?“

Maria konnte Liz’ erleichterten Seufzer durch das Telefon hören.
„Maria, du bist die Beste! Danke!“

„Schon gut, Schätzchen. Lass mich nur nicht zu lange unter all den Flanellhemd-Fanatikern auf den Abholservice warten, ja?“

„Versprochen“, lachte Liz, verabschiedete sich noch von der Freundin und legte den Hörer auf die Gabel.
Maria war praktisch auf dem Weg hierher. Sie würden zusammen auf der Veranda sitzen und Liz könnte ihr alles erzählen. Sie spürte, wie der zentnerschwere Stein auf ihrem Herzen ein paar Pfunde verlor...

* * *

Max saß an Cassys Bett und hielt ihre kleine Hand in seiner. Sie war schon vor einer Weile eingeschlafen und würde wahrscheinlich gar nicht merken, wenn er jetzt ginge, aber er konnte es nicht. Er konnte sie einfach nicht allein lassen. Dieses kleine traurige Mädchen war alles, was ihm noch geblieben war.
Sie sah Isabel so ähnlich... Dasselbe goldblonde Haar, das ihr in großen Wellen um das kleine Gesicht fiel, dieselben strahlenden Augen, dasselbe bezaubernde Lächeln...

Er spürte, wie ihm wieder Tränen in die Augen stiegen, heiß und brennend. Er würde sie verlieren. Er würde sie verlieren, genau wie er Isabel verloren hatte.
Als er im Krankenhaus angekommen war, hatte ihn Cassys behandelnder Arzt auf dem Flur abgefangen und ihn in sein Büro geführt. Dort hatte er ihm dann die üblichen Fachbegriffe um die Ohren geschleudert, wie er es selbst oft genug getan hatte. Das Kauderwelsch der Ärzte, das dazu diente, die Wahrheit zu verschleiern. Aber er kannte sich aus mit diesen Floskeln, er kannte sie alle. Er hatte nicht erst um eine Erklärung zu bitten brauchen, um zu wissen, dass der Arzt versuchte, ihm beizubringen, dass Cassy wahrscheinlich nicht durchkommen würde.
Er hatte immer gewusst, dass das passieren könnte, dass die Möglichkeit bestand, dass ihre Herzkrankheit sie töten würde, noch bevor sie alt genug war, um operiert werden zu können. Er hatte um diese Möglichkeit gewusst, aber er hatte es nie wirklich wahrhaben wollen. War es das, was Isabel umgebracht hatte?
Sie war so oft mit Cassy ins Krankenhaus gefahren, hatte mit den Ärzten gesprochen, weil er selbst zu sehr mit anderen Patienten beschäftigt gewesen war, als dass er ihr diese schwere Aufgabe hätte abnehmen können.
Hatten die Ärzte ihr dasselbe gesagt, wie ihm eben? Hatte sie bereits gewusst, wie schlecht es um ihr kleines Mädchen stand?

Angst überkam ihn. Und ein tief empfundenes Schuldgefühl.
Es war absurd, das wusste er. Cassys Zustand hatte sich erst nach Isabels Tod so gravierend verschlechtert. Bis dahin war es ihr immer den Umständen entsprechend gut gegangen. Er war Arzt, verdammt noch mal, er hätte gesehen, wenn es seiner kleinen Prinzessin so schlecht gegangen wäre.
Er wusste das, tief in seinem Innern wusste er es. Sein Verstand wusste es.
Aber sein Herz vertrat einen völlig anderen Standpunkt. Es sagte ihm eindeutig, dass es seine Schuld war. Isabels Tod, Cassys Krankheit... das alles war seine Schuld. Egal, wie oft sein Verstand versuchte, ihn vom Gegenteil zu überzeugen, sein Herz blieb immer der selben Meinung. Und würde es auch immer bleiben.

Seine Frau hatte sich umgebracht. Und jetzt würde er auch noch das einzige verlieren, dass ihn noch am Leben hielt.
Er umklammerte die zarte Hand des Mädchens, als wollte er sie nie wieder loslassen, senkte den Kopf auf die Bettdecke und weinte...

Horatio: O day and night, but this is wondrous strange!
Hamlet: And therefore as a stranger give it welcome. There are more things in heaven and earth, Horatio, than are dreamt of in your philosophy.

Re: A Chance For Dreaming... (M/L)

„So, und jetzt erzähl mal. Was ist denn eigentlich los?“

Maria war vor einer halben Stunde angekommen, saß jetzt im Schneidersitz und mit einer dampfenden Tasse Tee in der Hand auf dem geblümten Sofa in Liz’ Wohnzimmer und sah ihre Freundin prüfend an.

„Ich hab dir doch am Telefon schon...“, begann Liz mit einer Spur Verzweiflung in der Stimme, wurde aber sofort von Maria unterbrochen.

„Schätzchen, ich weiß, was du mir am Telefon erzählt hast. Aber du wirst mir doch nicht erzählen wollen, dass das alles war! Also raus mit der Sprache, worum geht es wirklich?“

Liz ließ geschlagen den Kopf hängen. Maria kannte sie, wie keine andere Person auf der Welt. Und Liz kannte Maria: Sie würde nicht locker lassen, bis sie die ganze Wahrheit kannte, dessen war sie sich völlig sicher. Und vielleicht wurde es ja auch langsam Zeit, die ganze Geschichte zu erzählen...

„Also schön“, antwortete sie schließlich, „aber du musst mir versprechen, mich nicht zu unterbrechen, okay?“

Maria nickte nur und musterte Liz über den Rand ihrer Tasse aufmerksam. Soviel Theatralik sah ihrer Freundin eigentlich gar nicht ähnlich...

Liz nahm noch einen Schluck heißen Tee, um ihre Nerven zu beruhigen, holte dann tief Luft und begann zu erzählen...

* * *

„Ich hab dir doch erzählt, dass Max und ich während der High School zusammen waren.“

Maria nickte nur, gespannt darauf, was gleich kommen würde.

„Nun ja, wir waren nicht einfach nur ‚zusammen’. Wir waren praktisch unzertrennlich – und zwar in jeder Hinsicht... Es war nicht so, dass wir nicht aufgepasst hätten, oder so... es ist einfach passiert. Sechs Monate vor den Examensprüfungen erfuhr ich, dass ich schwanger war. Ich dachte nur ‚das war’s, jetzt ist alles vorbei’. Was sollte ich denn mit einem Kind? Ich wusste, ich würde die Prüfungen nicht mitschreiben können, ich wusste, ich würde deshalb meinen Abschluss nicht bekommen, und ich wusste, dass Max nicht würde Medizin studieren können, weil er stattdessen arbeiten und Geld verdienen müsste. Wir beide wussten das. Aber wir wussten auch, dass wir dieses Baby bekommen würden und dass wir schon irgendeinen Weg finden würden, die Dinge zu meistern. Wir schmiedeten sogar schon Hochzeitspläne...
Doch am Ende kommt es doch immer anders als man denkt. Wir waren so glücklich gewesen in den darauffolgenden Wochen! Doch es sollte nicht lange so bleiben...“

Maria konnte sehen, wie Liz bei der Erinnerung an all das mit den Tränen rang. Vorsichtig rutschte sie näher zu ihr und legte ihr beruhigend den Arm um die Schultern, während Liz mit ihrer Erzählung fortfuhr.

„Es war ein verregneter Freitag Nachmittag, ich war im dritten Monat. Ich hatte einen Kontrolltermin beim Arzt. Max hatte mir angeboten, mich hinzufahren, aber dafür hätte er einen seiner Kurse ausfallen lassen müssen, und das wollte ich nicht. Wenigstens einer von uns sollte einen guten Abschluss in der Tasche haben. Also bin ich selbst gefahren.
Es passierte irgendwo auf der Landstraße zwischen Port Washington und Milwaukee. Ich bekam plötzlich Krämpfe, so heftig, dass alles vor meinen Augen verschwamm und ich von der Straße abkam...“

Ihre Stimme brach, leise Schluchzer schüttelten ihre Schultern. Maria wiegte sie sanft hin und her und wartete geduldig, bis Liz weitersprechen konnte.

„Ich weiß nicht mehr genau, was dann passiert ist. Ich weiß nur, dass ich panische Angst hatte – um das Baby. Irgendwann verlor ich wohl das Bewusstsein und wachte erst im Krankenhaus wieder auf. Max erzählte mir später, dass ein vorbeifahrender Wagen angehalten und der Fahrer von seinem Handy aus den Notarztwagen gerufen hatte. Er sagte, er hätte höllische Angst um mich gehabt und dass ich wohl ziemlich viel Blut verloren hatte – und dass ich das Baby verloren hatte...“

Eine drückende Stille breitete sich über den Raum. Maria wusste nicht, was sie sagen sollte. All die Jahre hatte sie geglaubt, sie wüsste alles über Liz – und jetzt erfuhr sie so ganz nebenbei, dass ihre beste Freundin mit siebzehn eine Fehlgeburt gehabt hatte... Sie war fassungslos.

Nach einer Weile war es Liz, die das lastende Schweigen brach.

„Ich war verzweifelt. Wütend. Auf mich, auf die Welt, auf Gott, einfach auf alles und jeden. Aber da war nur einer, an dem ich meine Wut auslassen konnte: Max.
Ich machte ihn für die Fehlgeburt verantwortlich, warf ihm vor, er hätte mich allein gelassen, machte ihm Vorhaltungen, weil er nicht da gewesen war, weil er mich nicht gefahren hatte – dabei hatte ich ihn extra darum gebeten, in seine Kurse zu gehen. Er hätte wütend sein können, hätte mich anschreien können, was zur Hölle ich mir eigentlich dabei dachte, ihm die Schuld zu geben... Aber er hat es nicht getan. Er hat nichts dergleichen gesagt oder getan, er hat es verstanden. Er hat meine Beschimpfungen über sich ergehen lassen und alles versucht, mir zu helfen.“

Sie wischte sich energisch eine Träne von der Wange, zog ein weißes Taschentuch hervor und schnäuzte sich kurz, bevor sie weitersprach.

„Aber niemand kann so etwas lange durchhalten. Eines Tages sagte er dann, es wäre wohl besser, wenn wir uns für eine Weile nicht sehen würden. Er meinte, er hätte versucht, Verständnis für mich aufzubringen, aber er hätte einfach keine Kraft mehr. Er sagte, er wäre es leid, ständig seine eigenen Gefühle hintanzustellen und sich sagen lassen zu müssen, er hätte nichts für das Baby empfunden. Er erzählte mir, dass ihn der Verlust genauso traf wie mich, aber dass er versuche, damit klarzukommen, so gut es eben ging.
Ich hatte das alles nicht gewusst. In meiner Trauer und Wut war ich einfach davon ausgegangen, dass es ihm egal war, dass unser Baby tot war. Ich weiß nicht, wie ich auf diesen absurden Gedanken gekommen war, aber ich weiß jetzt, wie ungerecht das war. Und ich verstand es. Ich verstand, dass er gehen musste – weg von mir.
Er entschied sich, in Boston zu studieren, obwohl er ursprünglich ebenfalls nach New York hatte gehen wollen, das wusste ich. Er tat es, um möglichst viel Distanz zwischen uns zu bringen, und anfangs war ich froh darüber. Aber dieses Gefühl der inneren Leere wurde ich nicht los, und dann traf ich Kyle. Er war nett, zuvorkommend, wusste nichts von meiner Fehlgeburt und war eine willkommene Abwechslung. Ich dachte, ich würde ihn lieben. Ich versuchte, mir das einzureden, und eine Weile funktionierte das auch ganz gut. Doch dann bekam ich diese Hochzeitseinladung, und alles kam wieder hoch. Mir wurde klar, dass ich Max immer noch liebte, dass ich ihn immer lieben würde, und dass der Name auf der Einladung meiner hätte sein können, wenn ich nur nicht so verdammt blind und egoistisch gewesen wäre. Aber da war es schon zu spät. Deshalb bin ich nicht zu dieser Hochzeit gegangen, deshalb habe ich ihn nicht angerufen. Weil ich es nicht ertragen hätte, ihm in die Augen zu sehen oder auch nur seine Stimme zu hören.
Und jetzt...“

Ihre Stimme verlor sich und heftige Schluchzer überwältigten sie erneut.
Behutsam nahm Maria ihr die Tasse aus der Hand, stellte sie auf den Tisch neben sich und strich Liz beruhigend über den Kopf.

„Na komm schon, Süße“, sagte sie schließlich leise, „ich bring dich ins Bett – es ist spät geworden.“

Sie zog Liz sanft auf die Beine und führte sie die Treppe hoch in ihr Zimmer, wo sie sie sorgsam ins Bett packte und ihr immer wieder über den Rücken strich, bis die Tränen schließlich versiegten und sie in einen unruhigen Schlaf hinüberglitt.
Als sie eingeschlafen war, stand Maria vorsichtig auf und brachte sich dann – hundemüde – selbst ins Bett. Doch trotz ihrer Müdigkeit lag sie noch lange wach und dachte darüber nach, was Liz ihr eben erzählt hatte...

* * *

Der penetrante Pfeifton riss ihn aus dem Schlaf. Noch ehe er richtig realisieren konnte, woher dieser Ton kam, wurde schon die Tür zu Cassys Zimmer aufgerissen und ein Arzt, gefolgt von zwei Schwestern, in feenhaftes Weiß gekleidet, stürzte herein.
Er fühlte sich vom Bett weggestoßen, spürte, wie ihm die Hand seiner kleinen Tochter entrissen wurde.
Völlig paralysiert beobachtete er, wie eine der Schwestern hastig die Bettdecke zurückriss, seiner Kleinen das rosa geblümte Nachthemdchen vom Leib riss, das sie so sehr liebte, und das ihr nun zerrissen um die zierlichen Schultern lag. Verschwommen nahm er wahr, wie der Arzt – Doktor Miller, hieß er nicht so? – der anderen Schwester die Elektroden des Defibrillators entgegenhielt, damit diese sie mit Kontaktgel einstreichen konnte.
Wie durch Watte hörte er die Worte, die er selbst oft genug gesagt hatte und mit denen der Arzt jetzt den Schwestern das Kommando gab, vom Eisengestänge des Bettes zurückzutreten, bevor er die Elektroden auf Cassys Brust setzte, und ihr kleiner, zerbrechlicher Körper von einem heftigen Stromstoß geschüttelt wurde.

Das Pfeifen blieb.

Noch einmal setzte Dr. Miller die Elektroden an, wieder erzitterte Cassy auf ihrem Bett.

Das Pfeifen blieb.

Ein weiterer Stromstoß. Immer noch Pfeifen.

Und dann hörte er es. Hörte die Worte, die ihn schon so viele Nächte schweißgebadet hatten aufschrecken lassen, die Worte, die er selbst unzählige Male ausgesprochen hatte. Doch das hier war etwas anderes. Hier ging es um seine Tochter, seinen kleinen Engel, das Einzige, was ihm auf dieser Welt noch geblieben war. Diesmal würde er sich nicht einfach umdrehen und die trauernden Eltern allein zurücklassen können. Dieses Mal war er selbst der trauernde Vater.

Wieder und wieder hallten die Worte in seinen Ohren nach, als wollten sie ihn verspotten:

„Zeitpunkt des Todes: 1 Uhr 37.“

* * *

Mit Tränen in den Augen beobachtete Liz, wie Max an den Rand des Grabes trat und eine leuchtend weiße Rose hinunter auf Cassys Sarg fallen ließ.
Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte sie ihn schon einmal so am Grab seines Kindes stehen sehen, nur war sie damals blind für seine Trauer gewesen. Sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, ihm die Schuld an Bennys Tod zu geben, um zu sehen, wie sehr ihn der Verlust des kleinen Jungen traf, der nie eine Chance zu Leben bekommen hatte.
Doch heute sah sie es. Sah seine Trauer, seinen Schmerz, und es zerriss ihr das Herz, ihn so zu sehen.
Ein leiser Schluchzer entwandt sich ihrer Kehle, und sofort spürte sie Marias Hand, die sanft ihre Schulter drückte.

Sie war so froh, dass Maria gekommen war; dass sie das hier nicht alleine bewältigen musste. Als sie vor zwei Tagen von Cassys Tod erfahren hatte, hatte sie es zunächst gar nicht glauben wollen. Sie hatte nicht gewusst, dass die Kleine schon seit Isabels Beerdigung im Krankenhaus lag, hatte nicht gewusst, dass Max ganze Tage und Nächte dort verbrachte in der Hoffung, ihr Zustand würde sich verbessern.
Auch ihr Vater hatte keine Ahnung gehabt, kaum jemand in der Nachbarschaft hatte davon gewusst, noch nicht einmal Tante Betsy, und die wusste ja nun für gewöhnlich wirklich alles.

Liz konnte sich gar nicht vorstellen, wie Max sich jetzt wohl fühlen musste. Sie wusste nur zu gut, dass er sich die Schuld an Isabels Tod gab, und das allein war sicher schon schwer genug für ihn. Aber jetzt auch noch Cassy zu verlieren... Sie an seiner Stelle wäre längst zusammengebrochen.
Und wenn sie genau hinsah, wunderte sie sich, dass er noch auf seinen Beinen stand. Er sah aus, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen, die Ringe unter seinen Augen waren, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, noch dunkler geworden, und er zupfte ständig am Bund seiner Hose, als wäre sie ihm zu groß. Tatsächlich wirkte er magerer als das letzte Mal, und er spielte unentwegt mit dem weißen Taschentuch in seiner Hand – eine Marotte, die sie noch von früher kannte. Er drehte immer irgendetwas zwischen den Fingern, wenn er verzweifelt war. Schon damals, nach Bennys Tod, hatte er das immer getan, nur hatte sie dem zu der Zeit keine Beachtung geschenkt. Jetzt alarmierte sie diese stetige Bewegung seiner Hände. Sie musste etwas tun, musste ihn irgendwie wieder in die Gegenwart zurückholen, bevor er sich völlig in sich zurückzog und sich so von der Außenwelt abkapselte, dass niemand ihn mehr erreichen konnte.

Maria spürte, wie sich Liz’ Schultern unter ihren Händen strafften.
Verwundert blickte sie ihrer Freundin in die Augen und erkannte darin eine Entschlossenheit, die sie schon lange nicht mehr bei ihr gesehen hatte.

Liz schluckte schwer, holte dann tief Luft und sah Maria mit festem Blick an.

„Geh schon allein nach Hause, ich hab noch was zu erledigen.“

„Du willst mit Max reden?“

Liz nickte nur, und ein Lächeln breitete sich über Marias Gesicht. Na, das wurde ja auch langsam Zeit, sie hatte schon befürchtet, Liz würde es nie sagen...

* * *

Maria nickte Liz noch einmal kurz zu und ging dann in Richtung Friedhofstor davon.

Liz indes sah sich nach Max um. Sie hatte erwartet, ihn immer noch am Grab stehen zu sehen, die zahlreichen Beileidsbekundungen entgegennehmend. In einer verhältnismäßig kleinen Stadt wie dieser hier konnte diese groteske Prozession mitunter sehr lange dauern – und mehr als quälend sein. Sie konnte sich noch zu gut daran erinnern, wie das hier lief: Jeder kannte jeden, und jeder tat so, als wäre er jedermanns Freund – vor allem, wenn es um Trauer und Schmerz ging, die bevorzugten Sensationsgeschichten, mit denen sich die vielen Klatschtanten und –onkel über Wasser hielten.

Doch Max war nicht mehr da. Sie konnte eine Menge Leute um das noch offene Grab stehen sehen, die Köpfe schüttelnd und immer wieder beteuernd, welch furchtbare Tragödie das doch war – erst die Frau, dann die Tochter... Aber Max war nirgends zu sehen.
Beinahe panisch sah sie sich um. Wo konnte er nur sein? Sie wandte den Blick in alle Richtungen, konnte jedoch nichts entdecken. Sie begann schon, sich wirklich Sorgen zu machen, als sie einen dunklen Schatten ausmachte, der sich langsam der kleinen Anhöhe näherte, die sie noch aus ihrer Kindheit kannte.

Schnell lief sie in Schlangenlinien zwischen den vielen Grabsteinen und gepflegten Beeten hindurch auf den kleinen Hügel zu, der sich in der Mitte des Friedhofs erhob.
Sie hatte sich nicht getäuscht: Der Schatten war wirklich Max’ schwarzer Mantel gewesen. Er hatte die Anhöhe inzwischen erreicht und stand einfach nur da, den Blick auf die große spiegelnde Fläche des Sees gerichtet, den man von hier aus in seiner ganzen Schönheit überblicken konnte, das Haar vom Wind zerzaust, der mittlerweile aufgefrischt hatte, und die Hände tief in den Taschen vergraben.
Er wirkte so klein und verloren...

Langsam und mit leisen Schritten überbrückte sie die wenigen Meter, die noch zwischen ihnen lagen und stellte sich neben ihn. Er schien sie nicht einmal zu bemerken – falls doch, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.

Eine Weile stand sie nur unentschlossen da, überlegte, was sie sagen könnte, wie sie ihm helfen könnte, das alles durchzustehen.
Doch am Ende war es mehr ihr Herz, das sprach, als ihr Verstand...

„Weißt du noch, wie wir als Kinder immer hier oben standen und zu den Felsen hinübergeblickt haben?“ Sie hob die Hand und deutete über den See hinweg auf die Klippen, die sich am gegenüberliegenden Seeufer strahlend weiß gegen die dahinter liegenden grünen Wiesen abzeichneten.

Keine Antwort. Sie warf ihm einen verstohlenen Seitenblick zu, doch seine Augen starrten stur geradeaus – unnahbar und leer.

„Wir haben uns immer vorgestellt, wie es wohl wäre, von dort oben in den See hinunterzuspringen, erinnerst du dich?“, redete sie einfach weiter, nur um die unheimliche Stille zu durchbrechen, die diesen Ort noch kälter erscheinen ließ. Sie spürte einen feinen Wasserfilm auf ihr Gesicht rieseln – es fing an zu regnen. Nur ganz leicht, ein leichter Sprühnebel, wie er hier häufig vorkam. Doch heute schien es anders zu sein... Es war, als würde der Himmel – die ganze Welt – die Trauer mittragen, die sich wie ein grauer Schatten über sie gelegt hatte.

Mit zunehmend dünnerer Stimme setzte sie ihren unfreiwilligen Monolog fort: „Du hast immer gesagt, das Wasser wäre nicht tief genug. Und Isabel fragte dann immer, woher du das denn wissen wolltest, wenn du’s nie versucht hast, weißt du noch?“

Ein kurzer Blick genügte ihr, um zu wissen, dass sie auch diesmal keine Antwort bekommen würde. Aber so leicht würde sie nicht aufgeben...

„Überhaupt scheint das immer ihr Motto gewesen zu sein: Sie hat immer alles versucht.“

Es stimmte, das hatte sie wirklich. Isabel war immer diejenige gewesen, die alles hatte ausprobieren müssen. Worte wie ‚Gefahr’ oder ‚Vernunft’ hatte sie dabei nicht gekannt. Sie hatte es einfach getan – ohne sich Gedanken über die Folgen zu machen. Liz hatte sie darum oft beneidet. Isabel hatte immer alles so leicht genommen, sich nie unnötig den Kopf zerbrochen über etwas, das ohnehin nicht zu ändern war oder einfach unwichtig schien.

„Max, es tut mir so leid“, stieß sie plötzlich hervor. Sie wusste nicht, wieso sie das gesagt hatte, es war einfach aus ihr herausgebrochen. Und es war die Wahrheit. Nach allem, was sie und Max zusammen durchgemacht hatten, nach allem, was sie ihn hatte durchmachen lassen, hatte er wirklich etwas Glück verdient. Es war einfach nicht fair!
„Du musst sie sehr geliebt haben“, meinte sie schließlich, „sie beide...“

„Nicht so sehr, wie sie es verdient hätten“, hörte sie ihn fast lautlos antworten...

* * *

Erst glaubte sie, sie hätte es sich nur eingebildet. Zögernd wandte sie sich ihm zu und erkannte, was sie tief in ihrem Innern gewusst hatte: Er hatte es gesagt, sie hatte sich nicht getäuscht. Nur was meinte er damit?
Sie wollte ihn schon danach fragen, besann sich dann aber gerade noch rechtzeitig eines besseren. Nein, es war besser, einfach zu warten. Wenn er reden wollte, würde er es von ganz allein tun. Und sie hatte so ein Gefühl, dass er jetzt endlich an dem Punkt angelangt war, wo er solange reden würde, bis er ihr alles erzählt hatte.

„Ich erinnere mich noch genau“, begann er leise, „an den Tag, als Cassy geboren wurde.“
Seine Augen waren immer noch auf die Wasseroberfläche gerichtet, aber sein Blick schweifte sehr viel weiter in die Ferne – zurück zu diesem besonderen Tag...
„Als ich dieses kleine Wesen in meinen Armen hielt und in dieses winzige, rosige Gesicht blickte, in diese strahlenden Augen, da konnte ich nur eines denken. Und es war nicht das, was ich erwartet hätte. Es war nicht das, was ich hätte denken sollen. Kein ‚Das ist meine Tochter’, kein ‚Wie wunderschön sie ist’... Das einzige, woran ich denken konnte, war, ob Ben ihr wohl ähnlich gesehen hätte...“

Seine Stimme verlor sich. Liz glaubte, ihren Ohren nicht trauen zu können. Ben? Ihr Benny? Ihr kleiner Junge, ihr gemeinsames Kind, das nie das Licht der Welt hatte erblicken dürfen? Sie konnte es nicht glauben!

„Und ich kam mir so schlecht vor!“, riss sie Max’ verzweifelte Stimme aus ihren Gedanken. „An alles hätte ich denken dürfen, aber nicht daran! Ich ertappte mich dabei, wie ich Cassy insgeheim nur als eine Art Ersatz ansah. Als Ersatz! Meine eigene Tochter! Ich habe sie geliebt, ja. Gott weiß, dass ich es getan habe – aber nicht so, wie sie es verdient hätte...“

Liz wusste nicht, was sie sagen sollte. Ein lastendes Schweigen dehnte sich zwischen ihnen, bis sie glaubte, es nicht länger ertragen zu können. Doch dann riss Max’ Stimme erneut ein Loch in die Stille.

„Mit Isabel war es nicht anders. Ich habe sie geliebt, das habe ich wirklich – auf eine gewisse Art und Weise. Aber es war nicht... es war nicht diese Art Liebe... Ich habe nicht... ich konnte sie nicht so lieben, wie... wie ich dich geliebt habe...“

Sie wagte nicht, sich zu bewegen. Erst jetzt, da er es tatsächlich aussprach, wurde ihr bewusst, dass sie sich genau das all die Jahre insgeheim gewünscht hatte. Dass er sie immer noch lieben würde, dass sie eine zweite Chance bekommen würden. Wie oft hatte sie davon geträumt, in ihren einsamen Nächten, wenn sie wieder einmal an ihrer Beziehung zu Kyle gezweifelt hatte. Sie hatte es immer als sentimentale Spinnerei abgetan, aber jetzt wusste sie, dass das alles nie etwas von Spinnerei gehabt hatte. Sie hatte es sich gewünscht, mehr als alles andere. Und jetzt, wo er es endlich sagte, schien die Erfüllung ihres Traumes weiter entfernt als je zuvor...

* * *

„Max...“ Ihre Stimme schien einen kurzen Moment in der Luft zu hängen, bis sie vom Wind davongetragen wurde, weit weg, bis hinaus über den See. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Diese ganze Situation überforderte sie mit einem Mal. Was konnte sie jetzt noch tun? Was konnte sie sagen, das ihm diese riesigen, belastenden Schuldgefühle hätte nehmen können?

„Was machst du noch hier, Liz?“, riss sie Max’ Stimme aus ihren Gedanken.

Sie sah ihn fragend an. Was meinte er damit? Wollte er sie nicht hier haben? Wollte er, dass sie ging, ihn allein ließ?
Doch noch bevor sie ihn fragen konnte, beantwortete er ihre Fragen selbst.

„Du solltest gehen, solange du noch kannst...“ Er wandte sich zu ihr um und blickte ihr direkt in die Augen – und der Ausdruck, der in den seinen lag, zerriss ihr fast das Herz. Nie zuvor hatte sie soviel Verzweiflung und Trauer in diesen dunklen, sonst so sanften Augen gesehen...
Mit einer heftigen Bewegung streckte er den Arm aus und beschrieb damit einen Kreis, der den gesamten Friedhof mit einschloss.
„Ich meine, sieh dich doch um! Alle, die mit mir in Berührung kommen, alle, die mir etwas bedeuten, liegen irgendwo hier begraben! Cassy, Isabel, Ben... Es ist nicht gut, in meiner Nähe zu sein, also geh, solange du noch kannst!“

Er meinte es ernst, sie konnte es in seinen Augen sehen. Er glaubte wirklich, was er da sagte! Mein Gott! Plötzlich verstand sie, was eigentlich in seinem Kopf vorging, warum er so abweisend zu ihr gewesen war, weshalb er sich derart abgekapselt hatte. Sie musste etwas tun, um ihn wieder zur Vernunft zu bringen, um ihm klarzumachen, dass er Unrecht hatte, dass er sich das alles nur einredete. Aber wie...?

* * *

Sie stand nur da. Schockiert, hilflos, verzweifelt. Was konnte sie tun?
Sie kannte Max lange genug, um zu wissen, dass sie jetzt keinen Fehler machen durfte. Wenn sie jetzt das Falsche sagte oder tat, würde sie ihn verlieren. Er würde sich völlig in sich zurückziehen, würde jeden wegstoßen, der versuchte, ihm zu helfen, solange, bis seine tiefe Verzweiflung ihn schließlich zerstören würde. Sie musste jetzt ganz genau abwägen, was sie tun konnte und was nicht.

Und dann fiel es ihr ein! Wie hatte sie das nur so lange übersehen können?
Entschlossen zog sie seine Hand aus seiner Manteltasche, umklammerte sein Handgelenk so fest sie nur konnte und zog ihn mit sich – erbarmungslos. Er würde ihr jetzt folgen müssen, ob er wollte oder nicht. Sie musste ihn wieder zurückholen, von wohin auch immer er verschwunden war, und sie würde ihm nicht die Chance geben, sich zu weigern.

„Liz, was... wohin willst du?“

Sie antwortete nicht. Sie bemühte sich nach Kräften, den trauernden Tonfall in seiner Stimme zu überhören, versuchte, dem Klang von Aufgeben, der darin lag, keine Beachtung zu schenken. Sie hatte die Chance, sein Leben zu retten – ihn zu retten, den Mann, der er einmal gewesen war. Sie durfte sie nicht verstreichen lassen.
Sie hatte erkannt, dass genau das das Problem war: Es ging hier nicht um Isabel oder Cassy. Auch nicht um Ben. Es ging um Max, einzig und allein um Max.
Irgendwann in der Zeit, nachdem sie schwanger geworden war, hatte er sich selbst verloren. Sie hätte nicht sagen können, wann genau es passiert war, aber ihr war jetzt klar, dass er schon damals begonnen hatte, sich zu verändern, schon, als sie noch zusammengewesen waren. Sie war nur zu sehr mit sich selbst und ihrer Trauer um Ben beschäftigt gewesen, um es zu bemerken. Doch diesen Fehler würde sie nicht noch einmal machen. Max hätte sie damals genauso gebraucht, wie sie ihn gebraucht hatte, doch sie war nicht für ihn da gewesen. Doch heute war sie da. Sie war hier, sie konnte ihm helfen, wenn er sie nur helfen ließ!

Sie lief zum Friedhofstor, ohne ihre Schritte zu verlangsamen, ohne seine Hand loszulassen. Sie konnte ihn hinter sich schwer atmen hören, spürte, wie seine Hand in der ihren zitterte.
So schnell sie nur konnte rannte sie zum Haus ihres Vaters. Notgedrungen ließ sie Max’ Hand los und schwang sich hinters Steuer des schäbigen alten Pick-up.

„Steig ein“, rief sie ihm zu.

„Was? Aber...“

„Max, bitte“, flehte sie ihn beinahe an, „steig ein.“

Einen schrecklichen Moment lang glaubte sie, er würde es nicht tun. Doch dann griff er zögernd nach dem Türgriff und kletterte in den Wagen.

„Was hast du vor?“, fragte er leise und mit gebrochener Stimme.

„Ich will dir etwas zeigen“, sagte sie nur. „Es ist Zeit, dass du dich an etwas erinnerst...“

Sie drehte den Zündschlüssel um, den ihr Vater immer stecken ließ, legte den Rückwärtsgang ein und setzte viel zu schnell aus der Ausfahrt. Für gewöhnlich schalt sie ihren Vater immer, weil er die Schlüssel stecken ließ. Sie hielt das für leichtsinnig und gefährlich. Was, wenn ein Kind auf dumme Gedanken käme und sich einen Spaß daraus machte, eine kleine Spritztour mit dem alten Wagen zu unternehmen?
Doch heute war sie zum ersten Mal froh über die kleine Macke ihres Dads. Sie trat das Gaspedal ganz durch und raste in Richtung Klippen davon, Max mit ausdrucksloser Miene neben ihr...

* * *

„Was wollen wir hier?“, fragte er so leise, dass sie ihn durch den inzwischen stärker gewordenen Wind kaum verstehen konnte.

„Erinnerst du dich noch“, fragte sie zurück und sah ihm dabei in die so traurigen Augen, „als wir das letzte Mal hier oben waren?“

Er sagte nichts, sah sie nur verwirrt an.

„Das war an dem Abend, an dem ich dir gesagt hatte, dass ich schwanger sei“, fuhr sie fort. „Wir waren Essen, erinnerst du dich? Ich hatte es dir beim Dessert gesagt, und auf dem Nachhauseweg hast du hier angehalten. Wir standen hier oben, ganz nah an der Klippe und sahen auf den See hinaus. Ich erinnere mich noch genau, wie klar diese Nacht war. Man konnte die Sterne sich im Wasser spiegeln sehen, erinnerst du dich?“

Er nickte nur. In Gedanken ging er zurück zu jenem Tag, als die Welt noch in Ordnung und voller Hoffnung zu sein schien. Inzwischen war so viel passiert...

„Damals hast du etwas zu mir gesagt, das ich nie vergessen werde. Du sagtest, das Leben sei ein Geschenk, und dass wir jeden Tag davon genießen sollten. Du meintest damals, dass, egal wie schrecklich uns manche Dinge auch vorkommen mögen, doch alles einem bestimmten Zweck diene – nichts geschehe ohne Grund, auch wenn wir ihn manchmal nicht begreifen könnten. Ich habe damals nicht wirklich begriffen, was du mir damit sagen wolltest, aber inzwischen weiß ich es.“

Sie wandte sich zu ihm um und sah ihm fest in die Augen.

„Weißt du, Max, ich glaube, dass die Dinge immer noch genauso sind. Wie du damals gesagt hast: Nichts passiert ohne Grund. Vielleicht hatte Isabels und Cassys Tod seinen Grund. Vielleicht können wir ihn nur noch nicht begreifen. Aber eines weiß ich sicher“, setzte sie hinzu und umfasste sein Gesicht mit ihren Händen. „Ich weiß, dass sie beide sicher nicht gewollt hätten, dass du dich selbst für ihren Tod verantwortlich machst. Das Leben geht weiter, Max. Dein Leben geht weiter. Du darfst jetzt nicht alles aufgeben – das bist du ihnen schuldig, verstehst du?“

Er blickte sie nur an, ohne jede Reaktion. Sie war sich nicht einmal sicher, ob ihre Worte ihn überhaupt erreicht hatten. Er schien sie gar nicht gehört zu haben. Wie in Trance starrte er mit leeren Augen förmlich durch sie hindurch, so als wäre sie gar nicht da.
Was sollte sie jetzt noch tun? Wie sollte sie nur zu ihm durchdringen? Sie hatte so sehr gehofft, dass dieser Ort, die Erinnerungen, die damit verbunden waren, ihn wachrütteln würden. Was gab es jetzt noch, das sie noch für ihn tun konnte?
Ihr Blick schweifte hinaus über den See, der silbern glänzend unter ihr lag, die riesige Wasserfläche vom Wind gekräuselt, als lägen dort die Antworten auf ihre Fragen.

Plötzlich breitete sich ein Lächeln über ihr Gesicht. Ja, das konnte sie noch tun. Sie musste es tun, sie musste es wenigstens versuchen!

Sie lächelte ihm zu, ließ ihn los und rannte direkt auf die Klippen zu. Ohne auch nur irgendwelche Anstalten zu machen, stehen zu bleiben, sprang sie über den Abgrund ins dunkle Wasser.
Er hörte, wie sie mit lautem Platschen ins Wasser tauchte. Was zur Hölle war in sie gefahren? Wollte sie sich umbringen?
In heller Panik rannte er zum Rand der Klippen und starrte ins sich kräuselnde Wasser. Angst umklammerte sein Herz, als er sie nirgendwo entdecken konnte. So schnell er konnte schmiss er Schuhe und Mantel von sich und sprang ebenfalls, ihr hinterher.

Nach einem schier endlos scheinenden freien Fall tauchte er ins Wasser ein. Im ersten Moment verschlug es ihm den Atem – das Wasser war eiskalt. Es fühlte sich auf seiner Haut an, wie tausend Nadelstiche. Er kam wieder an die Oberfläche und blickte sich suchend nach Liz um. Sie war immer noch nirgends zu sehen.

Er holte tief Luft und wollte gerade den Kopf unter Wasser tauchen, als sie direkt neben ihm auftauchte.
Sie schnappte lachend nach Luft, warf den Kopf in den Nacken und rief zum grauen, wolkenverhangenen Himmel hinauf: „Hey, Isabel! Es ist tief genug!“

Er sah sie völlig entgeistert an. War sie jetzt endgültig verrückt geworden?
„Was denkst du dir eigentlich, wenn du so etwas tust?“, schrie er sie an. „Du hättest dir den Hals brechen können!“

„Du dir auch“, gab sie trocken, aber immer noch lachend zurück. „Trotzdem bist du gesprungen – wieso?“

„Weil ich dich retten wollte!“, antwortete er ohne zu zögern.

„Ach wirklich?“, fragte sie unschuldig. „Ich bin gesprungen, um dich zu retten.“

Er sah sie einen Moment lang verwirrt an. Dann nahm sie plötzlich ein seltsames Funkeln in seinen Augen wahr, das sie schon lange nicht mehr bei ihm gesehen hatte. Noch ehe sie reagieren konnte, streckte er den Arm aus und drückte ihren Kopf unters eiskalte Wasser.
Japsend und nach Luft ringend kam sie wieder hoch und sah ihn völlig entgeistert an.

„Ist dir gelungen“, meinte er schlicht und schwamm mit schnellen Zügen ans Ufer.

Horatio: O day and night, but this is wondrous strange!
Hamlet: And therefore as a stranger give it welcome. There are more things in heaven and earth, Horatio, than are dreamt of in your philosophy.

Re: A Chance For Dreaming... (M/L)

Als Liz die Hand zur Türklingel hob, vernahm sie bereits vertraute Klänge und sie musste schmunzeln. Wenn sie sich nicht völlig irrte, drang da Julie Londons rauchige Stimme durch Max’ Haustür, die aus vollem Herzen „Bye, Bye, Blackbird“ sang.

Sie hörte, wie sich hinter der Tür Schritte näherten, und als Max schließlich die Tür öffnete, konnte sie ihre Freude angesichts dessen, dass sie sich im Titel nicht geirrt hatte, kaum verbergen. Gut, Julie London war noch lange nicht die Beatles – aber der Song war auch weit davon entfernt, wie Mozarts Requiem zu klingen. Was im Klartext bedeutete, dass sie es endlich geschafft hatte! Sie hatte Max aus der Versenkung geholt, in die er nach Isabels und Cassys Tod verschwunden war. Ja, sie hatte wirklich allen Grund, stolz auf sich zu sein!

Ihr – zugegeben, doch ziemlich gewagter – Sprung von der Klippe lag inzwischen fast eine Woche zurück.
Nachdem Max ans Ufer geschwommen war und sich – ohne Schuhe und völlig durchnässt – an den beschwerlichen Aufstieg zurück zu ihrem Wagen und seinem Mantel und seinen Schuhen gemacht hatte, ohne auch nur einen einzigen Blick zu ihr zurückzuwerfen, hatte sie schon begonnen, sich zu fragen, ob sie vielleicht einen Fehler gemacht hatte. Er schien irgendwie wütend zu sein – das zeigten seine versteiften Schultern und sein vorgerecktes Kinn nur allzu deutlich. Aber andererseits bedeutete ein vorgerecktes Kinn ja wohl auch, dass er den Kopf heben musste – und das war immerhin mehr, als er die letzten Wochen getan hatte. Schön, vielleicht war er wütend. Vielleicht war sie zu weit gegangen – offensichtlich hatte sie ihm einen höllischen Schrecken eingejagt. Aber wenn schon! Wenn das die einzige Möglichkeit war, ihm zu beweisen, dass es außerhalb seiner geschlossenen Fensterläden auch noch ein Leben gab, dann war es ihr das wert. Sollte er doch wütend sein! Das war immer noch besser, als diese schon ans Unmenschliche grenzende Lethargie, die sie die ganze Zeit, seit sie hier angekommen war, an ihm hatte beobachten müssen. Zumindest nahm er wieder Anteil an dem, was um ihn herum geschah.

Trotzdem – dass er auf der gesamten Fahrt zurück nicht ein Wort gesprochen hatte, hatte ihr irgendwie doch Angst gemacht. Was, wenn sie sich geirrt hatte? Was, wenn sie einen Fehler gemacht hatte? Womöglich hatte sie ihn jetzt nur noch tiefer in seine Isolation getrieben...
Aber hätte er dann diese Bemerkung gemacht? Hätte er ihr dann gesagt, dass es ihr gelungen war, ihn zu ‚retten’? Hätte er sie dann mit diesem schelmischen, unberechenbaren Funkeln in den Augen angesehen und sie erbarmungslos unter Wasser gedrückt – so wie früher, als sie noch unbeschwerte Kinder gewesen waren? Was hatte das alles dann zu bedeuten?

Die ganze Fahrt über hatte sie sich immer wieder ein und dieselbe Frage gestellt: Hatte sie das Richtige getan?

Als sie schließlich vor seinem Haus angekommen waren, war er ohne ein Wort ausgestiegen und hinter der Tür verschwunden, ohne sich auch nur einmal nach ihr umzusehen. Sie hatte förmlich gespürt, wie ihr das Herz in die Kniekehlen gerutscht war. Sie hatte einen Fehler gemacht...

Doch dann, am nächsten Morgen, hatte er plötzlich vor der Tür gestanden – einfach so, ohne Vorwarnung. Es war noch sehr früh gewesen, der nächtliche Nebel lag noch in der Luft und hüllte die ganze Umgebung in gespenstische Schatten.
Da ihr Vater einen seligen Schlaf hatte und Maria wahrscheinlich nicht mal von einem Dampfhammer wach geworden wäre, der direkt neben ihrem Ohr einen Betonklotz malträtierte, hatte sie sich notgedrungen aus dem Bett gequält, sich den alten Morgenmantel ihrer Mum übergeworfen und sich den ganzen Weg die Treppe hinunter gefragt, wer zum Teufel wohl die Frechheit besaß, sie zu solch ‚unchristlicher’ Stunde – wie Tante Betsy es sicher ausgedrückt hätte – aus dem Bett zu klingeln.
Schließlich hatte sie – das Haar völlig zerzaust und kaum in der Lage, auch nur eines ihrer beiden Augen soweit offen zu halten, dass sie mehr als nur verschwommene Umrisse hätte erkennen können – die Tür geöffnet und ein zum Glück mehr als brummiges und daher äußerst unverständliches ‚Was zum Teufel...’ über die Lippen gebracht.
Als sie jedoch die Stimme erkannte, die ihr in einem Tonfall, der nur allzu deutlich verriet, wie unangenehm es ihrem Besitzer war, sie so früh aus den Federn geklingelt zu haben, mit den Worten ‚Entschuldige, aber...’ geantwortet hatte, war sie sofort hellwach gewesen.

„Max, was...“, hatte sie ziemlich von der Rolle geantwortet, „was machst du denn hier?“

Er hatte nicht geantwortet, sondern sich stattdessen auf die kleine Bank auf der Veranda sinken lassen. Sie hatte sich – obwohl es um diese Zeit noch reichlich kalt war und sie in ihrem dünnen Morgenmantel und dem noch dünneren Pyjama entsetzlich fror – neben ihn gleiten lassen und gewartet. Sie wusste aus Erfahrung, dass es manchmal einfach besser war zu warten, bis er von sich aus anfing zu reden. Wenn man zu sehr in ihn drang, verschloss er sich meistens, und das Risiko wollte sie diesmal um keinen Preis eingehen.

Sie wusste nicht, wie lange sie dort gesessen hatten. Am Ende hatte er sich alles von der Seele geredet: Wie sehr er Isabel geliebt hatte. Dass er sich dabei aber auch immer wie ein Verräter vorgekommen war, weil er genau gewusst hatte, dass es da jemanden gab, den er noch mehr liebte, und wie sehr er sich selbst dafür verachtet hatte, dass er Isabel nicht dieselbe Liebe hatte geben können. Dass er sich oft wie ein Heuchler und ein Schmarotzer vorgekommen war, weil sie ihn so sehr geliebt hatte, er ihre Gefühle aber nicht auf die gleiche Weise hatte erwidern können. Dass er nie die quälende Angst loswurde, dass sie sich deshalb umgebracht hatte – weil sie irgendwo, tief in ihrem Innern, gewusst hatte, dass er in Wahrheit immer nur sie – Liz – geliebt hatte.
Er hatte ihr auch erzählt, dass es mit Cassy nicht viel anders gewesen war. Er hatte sie geliebt – sehr sogar – aber wie er ihr schon am Friedhof erzählt hatte, hatte er sie insgeheim immer mit Ben verglichen. Wenn er sie angesehen hatte, hatte er immer Ben vor Augen gehabt, und nicht selten hatte sie dem Vergleich mit dem kleinen Jungen, der noch vor seiner Geburt gestorben war und den er nie zu Gesicht bekommen hatte, nicht standgehalten.

Während er ihr all das erzählte, hatte sie ihm beruhigend den Arm gestreichelt und seine zitternde Hand gehalten. Sie hatte spüren können, wie sehr er sich für seine Worte verachtete, aber auch, wie wichtig es für ihn war, das alles einmal laut auszusprechen. Am Ende war sie versucht gewesen ihm zu sagen, dass sein Verhalten nur menschlich war, dass nichts schlimmes daran war – aber sie hatte gewusst, dass es nicht das war, was er hören wollte. Sie wusste, ihm wäre es lieber gewesen, sie hätte ihm gesagt, was für ein Arschloch er war, seine Frau und seine Tochter derart widerwärtig zu behandeln – aber auch das hatte sie nicht gekonnt. Stattdessen hatte sie einfach gar nichts gesagt und nur weiter seine Hand in der ihren gehalten, bis sie schließlich aufhörte zu zittern. Er war aufgestanden, hatte ein leises ‚Danke’ gemurmelt ohne sie dabei anzusehen und war gegangen – einfach so.
Für einen kurzen Moment hatte sie gegen den Drang kämpfen müssen, ihm hinterher zu laufen, hatte sich dann aber zusammengerissen und war zurück ins Haus und in ihr inzwischen ausgekühltes Bett geschlüpft. Doch jeder Versuch einzuschlafen war sinnlos gewesen – dafür hatten ihr Max’ Worte zuviel Stoff zum Nachdenken gegeben.
Sie hatte sich gefragt, was es wohl für sie bedeutete, dass Max offenbar all die Jahre nie aufgehört hatte, sie zu lieben. Und am Ende hatte sie sich ihren eigenen Dämonen stellen müssen und darüber nachgedacht, was ihr das bedeutete und welche Konsequenzen sie daraus ziehen sollte.

Die nächsten Tage war sie jeden Tag an seinem Haus vorbeigegangen – manchmal allein, manchmal hatte sie Maria zu einem Spaziergang überreden können, der sie dann rein zufällig an Max’ Haus vorbeigeführt hatte – hatte jedoch nie den Mut aufbringen können, zu klingeln um mit ihm zu reden. Aus irgendeinem – ihr völlig unverständlichen und überaus lächerlich erscheinenden – Grund hatte sie sich vor einer Begegnung mit ihm gefürchtet. Nach allem, was er ihr erzählt hatte wusste sie nicht, wie sie reagieren, was sie zu ihm sagen sollte.

Schon bei ihrem ersten Spaziergang hatte sie freudig festgestellt, dass die Läden nicht mehr geschlossen waren. Das ganze Haus sah zwar immer noch reichlich düster aus – der Garten verwildert, auf der Veranda lagen immer noch ein paar von Cassys Spielsachen und das quietschgelbe Planschbecken lag zusammengeknautscht und ohne Wasser in der Mitte des wuchernden Rasens – aber zumindest saß Max jetzt nicht mehr ständig im Dunkeln und brütete vor sich hin.
Als sie am nächsten Tag wieder vorbeigekommen war, waren die Spielsachen verschwunden gewesen, zusammen mit dem zerknautschten Planschbecken. Wieder einen Tag später stellte sie fest, dass irgendjemand den Rasen gemäht haben musste und das kleine Holzschild mit dem ‚Willkommen’-Schriftzug nicht mehr schief an der niedrigen Gartentür hing, sondern fein säuberlich und absolut waagrecht an den verwitterten Latten festgenagelt war.

Sie hatte diese Veränderungen mit einem Gefühl der Erleichterung wahrgenommen – schließlich bedeuteten sie ja wohl, dass Max seine Krise überwunden hatte. Allerdings hatte sich auch ihr schlechtes Gewissen immer mehr bemerkbar gemacht. Wenn Max es schaffte, mit seinen Dämonen klarzukommen, sollte sie doch verdammt noch mal auch in der Lage sein, sich mit ihren zu arrangieren!
Aus diesem Grund hatte sie gestern den ganzen Abend lang Maria die Ohren vollgeheult, wie sehr sie sich selbst für ihre Schwäche und ihr mangelndes Rückgrat hasste.
Doch Maria wäre nicht Maria, wenn sie nicht für jedes Problem die passende Lösung parat hätte. Sie hatte Liz eine gehörige Standpauke gehalten, sie solle gefälligst nicht so verdammt feige sein und endlich ihren süßen kleinen Arsch zu Max’ Haus schwingen – und zwar nicht nur bis vor die Gartentür, sondern die drei Meter weiter bis zur Türklingel, ihren Finger auf letztere drücken und erst wieder verschwinden, wenn zwischen ihnen beiden auch wirklich alles geklärt war.

Und hier stand sie nun – dem Mann gegenüber, der ihr vor wenigen Tagen sein Herz ausgeschüttet hatte – und hatte keine Ahnung, was sie ihm sagen sollte...

* * *

„Liz.“

Seine Stimme klang weder überrascht, noch hörte sie darin die Trauer, die bei ihrem letzten Gespräch noch darin gelegen hatte. Ein einziger Blick auf seine Erscheinung bestätigte, was sie bereits vermutet hatte: Max schien endlich einen Weg gefunden zu haben, mit seinen Gefühlen und Gewissensbissen fertig zu werden. Er war ganz offensichtlich frisch rasiert, das T-Shirt, das er trug, war zwar immer noch schwarz, wirkte aber nicht mehr, als hätte er es gerade aus einem Berg Bügelwäsche gezogen. Die Ringe unter seinen Augen schienen langsam zu verblassen, was ein untrügliches Zeichen dafür war, dass er endlich einmal wieder richtig geschlafen haben musste, und in seinen dunklen Augen konnte sie endlich wieder einen Funken der Wärme erkennen, die ihr früher immer das Gefühl gegeben hatte, zuhause zu sein. Sogar den Anflug eines Lächelns konnte sie auf seinen Lippen erkennen, als er schließlich einen Schritt zur Seite trat und ihr mit einer einladenden Geste den Weg ins Haus freimachte.

Auf dem Weg ins Wohnzimmer stellte sie fest, dass er nicht nur im Garten für Ordnung gesorgt, sondern auch im Inneren des Hauses ganze Arbeit geleistet hatte. Cassys Spielsachen, die bei ihrem letzten Besuch überall verstreut gewesen waren, waren verschwunden, ebenso wie das dreckige Geschirr und die alten Zeitungen.
Zum ersten Mal bemerkte Liz, wie geschmackvoll das ganze Haus eingerichtet war. Sie sah, wie schön die Gardinen waren – geblümt und mit Spitzen, aber trotzdem nicht im geringsten ländlich oder profan. Das Sofa war cremefarben und wirkte durch die vielen bunt gemusterten Kissen unglaublich gemütlich, genauso wie der passende Sessel, der zusammen mit einem kleinen Hocker neben dem großen Holztisch mit Glaseinlage stand, den wiederum ein hübsches Deckchen zierte, in dem Liz das Muster der Vorhänge wiedererkannte.
Zweifellos war die komplette Einrichtung Isabels Werk. Sie hatte schon immer ein besonderes Geschick für derlei Dinge gehabt.

„Setz dich doch“, riss sie Max’ freundliche Stimme aus ihren Gedanken. Er zeigte aufs Sofa und fragte dann lächelnd: „Möchtest du vielleicht eine Tasse Kaffee?“

Sie nickte nur zaghaft, und er verschwand in der Küche. Unweigerlich drifteten ihre Gedanken zurück zum letzten Mal, als sie hier gesessen und er sie gefragt hatte, ob sie Tee möchte. Wie viel war seitdem passiert. Damals war Max so völlig am Boden zerstört gewesen – und jetzt wirkte er wie ausgewechselt! Ja, sicher, die Trauer war immer noch da – das machten die Photos von Isabel und Cassy, die im Regal über dem Fernseher standen, nur allzu deutlich – aber dennoch war sie nicht mehr so drückend, wie damals. Heute konnte sie neben der Trauer auch noch etwas anderes in diesem Haus spüren. So etwas wie Hoffnung... und dieser Gedanke zauberte unwillkürlich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Vielleicht hatte sie sich ja völlig umsonst so viele Gedanken über ihren Besuch hier gemacht. Vielleicht musste sie gar nichts sagen oder erklären – vielleicht konnten sie einfach ganz unbeschwert über alles reden, so wie sie es früher immer getan hatten. Aber irgendetwas sagte ihr, dass es ganz so einfach doch nicht werden würde...

* * *

Max kam mit einem Tablett zurück ins Wohnzimmer, das schwer beladen war mit Tassen, einer Kanne, aus der herrlicher Kaffeeduft hervordampfte, Zucker, einem Kännchen Milch und einem kleinen Teller, auf dem ein riesiger Berg Kekse prangte. Er stellte alles vorsichtig auf den Tisch, verteilte die Tassen und platzierte die Kanne auf einem kleinen Bastuntersetzer.

„Tut mir leid, dass ich dir nichts besseres anbieten kann, aber die Kekse sind so ziemlich alles, was ich im Haus habe“, meinte er entschuldigend, als er den Teller zwischen die Tassen ebenfalls auf den Tisch stellte und dann das Tablett neben den Sessel, in den er sich nun sinken ließ, lehnte.
Sie glaubte, in seiner Stimme immer noch einen Hauch von Trauer hören zu können. Vermutlich hatte Isabel sonst immer dafür gesorgt, dass genug Kuchen, Muffins, Plätzchen und so weiter im Haus waren, für den Fall, dass unangemeldeter Besuch hereingeschneit kam. Zumindest war es das, was sie in seinem Gesicht lesen zu können glaubte.

„Ist schon in Ordnung“, meinte sie lächelnd, in der Hoffnung, ihn etwas aufbauen zu können. „Mein Dad hat nur die Weihnachtsplätzchen vom letzten Jahr im Haus, ich bin also nicht allzu verwöhnt, was die Kaffeekultur angeht.“

Erfreut beobachtete sie, wie sich ein schmales Lächeln über sein Gesicht legte, und ihr wurde schlagartig bewusst, wie zerbrechlich die Fassade, die er offensichtlich nach ihrer kleinen Badeaktion um sich herum aufgebaut hatte, immer noch war. Einen Moment lang fragte sie sich, ob sie ihn nicht besser einfach in Ruhe hätte lassen sollen, ihm die Zeit geben, selbst mit allem fertig zu werden. Schließlich hatte sie ihn doch praktisch gezwungen, seine Trauer und Schuldgefühle tief in seinem Innern zu vergraben und nach außen gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Doch dann kam sie zu dem Schluss, dass eine Fassade – wie dünn sie auch immer sein mochte – doch immer noch besser war, als die Isolation, in der er sich verkrochen hatte. Jetzt nahm er wenigstens wieder Anteil an dem, was um ihn herum vorging!

„Ich nehme an, du bist nicht gekommen, um mit mir über die Weihnachtsplätzchen deines Vaters zu reden, richtig?“

Seine Stimme riss sie jäh aus ihren Gedanken. Sie hob den Blick, den sie zuvor scheinbar interessiert auf die schwarze Flüssigkeit in ihrer Tasse geheftet hatte, und war wenig erstaunt, hinter dem freundlichen Lächeln die dunklen Schatten zu sehen, die sie seit ihrer Fehlgeburt und der darauf folgenden Vorwürfe, die sie ihm gemacht hatte, immer wieder in seinem Gesicht hatte aufblitzen sehen. Nur, diesmal nahm sie sie zum ersten Mal richtig wahr. All die Jahre hatte sie nie wirklich darüber nachgedacht, wie schrecklich ihre wüsten Worte und ihre Beschimpfungen wohl für ihn gewesen sein mussten. Und jetzt – inmitten der Trauer um seine Frau und seine Tochter – hatte sie tatsächlich vor, die alten Wunden wieder aufzureißen, die, wie ihr in diesem Moment klarer vor Augen trat als je zuvor, vermutlich nie wirklich geheilt waren.
Sie wusste, er würde nicht darüber reden wollen. Sie wusste, sie würde ihm nur wieder weh tun. Aber es gab keine andere Lösung. Sie mussten endlich über diese Dinge sprechen, es war an der Zeit! Wenn es nicht sogar längst zu spät dafür war...

„Nein, eigentlich nicht“, meinte sie leise, und für einen kurzen Moment schwebte ihre Stimme so schemenhaft im Raum wie Nebelschwaden. Sie heftete ihren Blick fest auf seine dunklen, trotz aller Mühe, die er sich gab, immer noch traurigen Augen. „Max, wir müssen reden...“

Er senkte den Blick, rührte bedächtig in seiner Kaffeetasse, als gäbe es im Augenblick nichts Interessanteres als die sich drehende schwarze Substanz darin; sagte kein Wort.
Stille senkte sich über den Raum, eine Stille, die so unerträglich war, dass sie fürchtete, unter ihrer Last erdrückt zu werden. ‚Sag was’, flehte sie in Gedanken, ‚irgendwas!’ Aber er tat es nicht. Er rührte nur immer weiter in seiner Tasse, rührte, rührte... Das kratzende Geräusch des Löffels am Tassenboden pochte in ihren Ohren, grub sich bis in die hintersten Winkel ihrer Seele. Am liebsten wäre sie weggerannt, auf und davon, einfach immer weiter, irgendwohin. Irgendwohin, wo sie die Vergangenheit und die Angst und Trauer, die Schuld, die sie damals auf sich geladen hatte und die nun anprangernd in Gestalt von Max vor ihr saß, einfach hinter sich lassen könnte. Aber sie wusste nur zu gut, dass es diesen Ort nicht gab. War sie nicht auf der Suche nach diesem Ort nach New York gegangen? Und hatte sie die Vergangenheit, nach all den verzweifelten Versuchen, sie zu vergessen, nun nicht doch wieder eingeholt? Nein, sie konnte nicht länger davonlaufen. Nicht mehr. Es war endlich Zeit, alles zu klären, was noch unausgesprochen zwischen ihnen stand, und sie wusste, dass ihm das ebenso bewusst war, wie ihr selbst.

„Max, es tut mir leid“, presste sie schließlich aus ihrer plötzlich viel zu engen Kehle. „Es tut mir leid, dass ich damals so... so egoistisch war. Ich hab dir die Schuld an allem gegeben, an der Fehlgeburt, an... an Bens Tod... Und das tut mir wirklich unendlich leid.“

Er antwortete nicht. Er rührte nur immer weiter in seiner Tasse, als hätte er ihre Worte nicht gehört. Doch das feuchte Glitzern, das sie unter seinen niedergeschlagenen Lidern erkennen konnte, zeigte ihr allzu deutlich, dass dem nicht so war.

Unbeirrt und mit beinahe verzweifeltem Unterton fuhr sie fort.
„Ich weiß, dass es dafür keine Entschuldigung gibt. Schon gar nicht jetzt, nach so langer Zeit... Ich weiß, ich hätte dir das alles schon viel früher sagen sollen, aber es war so viel einfacher... so viel einfacher, einfach nichts zu sagen, alles einfach wegzuschieben und weiterzumachen, als wäre nichts gewesen. Und es war so einfach, dir die Schuld an allem zu geben. Ich... ich wusste einfach nicht, wem ich sonst die Schuld geben könnte, und... und... du warst der einzige, der da war... der einzige, der immer da war...“
ihre Stimme verlor sich in den verzweifelten Schluchzern, die sie bei ihren Worten übermannt hatten und nun ihre Schultern heftig schüttelten. Hilflos rang sie nach Luft, wischte immer wieder energisch und wütend auf ihre eigene Schwäche die Tränen fort, die unaufhaltsam immer wieder ihren Weg ihre Wangen hinunter suchten. Sie konnte nichts dagegen tun, zu viele angestaute Gefühle brachen sich plötzlich mit einer Urgewalt bahn, der sie sich völlig hilflos gegenüber sah. Es gab noch so viel zu sagen, so vieles, das sie erklären musste, aber der Kloß, der sich hartnäckig in ihrer Kehle festgesetzt hatte, machte jedes weitere Wort unmöglich, und so schlug sie verzweifelt die Hände vors Gesicht und überließ sich ihren Tränen.

Sie spürte, wie die Polster des Sofas nachgaben, als sich jemand neben sie setzte. Dann fühlte sie Max’ zartfühlende Hände sanft und beruhigend ihren Rücken streicheln, fühlte die Wärme, die von ihnen ausging, und die sie all die Jahre so schmerzlich vermisst hatte. Nichts hatte je dieses Gefühl ersetzen können, das Gefühl, das sie jedes Mal überkam, wenn sie in seinen Armen lag, seine Nähe spürte. Dieses unbeschreibliche Gefühl von Vertrautheit, Geborgenheit, das Gefühl, zuhause zu sein, an dem einzigen Ort auf der Welt, an dem sie sich wirklich wohlfühlte, an dem sie sie selbst sein konnte.
Überwältigt von diesem tiefen Empfinden ließ sie ihren Kopf in seinen Schoß sinken und weinte die brennenden Tränen, die sie sich in all den Jahren nie erlaubt hatte...

Horatio: O day and night, but this is wondrous strange!
Hamlet: And therefore as a stranger give it welcome. There are more things in heaven and earth, Horatio, than are dreamt of in your philosophy.

Re: A Chance For Dreaming... (M/L)

Hallo, meine Süßen!

Hoffe, ihr seid zufrieden mit mir - hab's nämlich endlich auf die Reihe gekriegt, die Story hier nochmal komplett zu posten...
Leider hat's für nen neuen Part nicht gereicht, aber vielleicht morgen...

Alles Liebe
nashira

Horatio: O day and night, but this is wondrous strange!
Hamlet: And therefore as a stranger give it welcome. There are more things in heaven and earth, Horatio, than are dreamt of in your philosophy.