Gabriel verbaut Atomkonzernen Flucht vor Milliardenkosten. WZ vom 06.08.2015
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Gabriel verbaut Atomkonzernen Flucht vor
Milliardenkosten
Berlin/Brokdorf
/bg
Wirtschaftsminister
Sigmar Gabriel will sicherstellen, dass die Atomkonzerne in Deutschland auch
dann die milliardenschweren Kosten des Atomausstiegs tragen müssen, wenn sie
ihr Kernkraft-Geschäft längst in eine andere Firma ausgelagert haben. Ein
solches Gesetz will der SPD-Chef noch im Sommer auf den Weg bringen. Er
reagiert damit auf Pläne des Brokdorf-Betreibers E.ON, der seine Atom-, Kohle-,
und Gaskraftwerke zum Jahreswechsel in ein neues Unternehmen ausgliedert. Ob
das Gesetz auch die staatliche schwedische Mutter des Brunsbüttel- und Krümmel-Betreibers
Vattenfall verpflichten kann, ist offen: Die Schweden haben schon 2012 fast
alle wichtigen Bindungen zur deutschen Tochter gekappt.
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Gabriel will Atom-Milliarden sichern
Berlin/Brokdorf
Bundeswirtschaftsminister
Sigmar Gabriel will dafür sorgen, dass sich die Atomkonzerne in Deutschland
nicht mit rechtlichen Tricks aus der Verantwortung für die Bezahlung des
Atomausstiegs stehlen können. Vielmehr will der SPD-Chef gewährleisten, dass E.ON,
RWE und Co auch dann für die Übernahme der milliardenschweren Kosten aufkommen
müssen, wenn sie ihr Atomgeschäft in eine andere Firma ausgelagert haben. Das
Ministerium erarbeitet derzeit einen Gesetzentwurf, der eine Konzernnachhaftung
für die Kosten des Rückbaus der Kernkraftwerke und die Entsorgung der
radioaktiven Abfälle sicherstellen soll, schreibt Gabriels grüner
Staatssekretär Rainer Baake an seine Parteifreundin und Bundestagsabgeordnete
Sylvia Kotting-Uhl. Bisher endet die Nachhaftung der Konzernmütter schon nach
fünf Jahren.
Gabriels
Pläne sind nicht zuletzt eine Reaktion auf die von E.ON angekündigte
Aufspaltung des Konzerns. Dabei sollen zum Jahreswechsel die Kernkraftwerke des
Unternehmens, darunter Brokdorf in Schleswig-Holstein, zusammen mit den Gas-
und Kohlemeilern in eine neue, eigenständige Firma namens Uniper
ausgegliedert werden. Um nun zu verhindern, dass künftig nur noch dieses
womöglich von Gewinneinbrüchen bedrohte Unternehmen für den Atomausstieg
haftet, handelt Gabriel jetzt. Noch im Sommer will er sein Gesetz nach
Informationen unserer Zeitung im Bundeskabinett beschließen lassen. Es werde
dem Prinzip folgen Eltern haften für ihre Kinder, sagte Gabriel kürzlich vor
der Endlagersuchkommission des Bundestags.
Von der
grünen Atomexpertin Kotting-Uhl kam gestern verhaltene Zustimmung zu den
Plänen. Wenn das Gesetz jetzt endlich kommt und sauber ausgearbeitet ist, ist
es ein Schritt in die richtige Richtung, sagte sie unserer Zeitung. Allerdings
müsse es sicherstellen, dass auch die staatliche schwedische Mutter des
Brunsbüttel- und Krümmel-Betreibers Vattenfall GmbH für den Atomausstieg haftet
obwohl der Mutterkonzern bereits 2012 fast alle wichtigen Bindungen zur
deutschen Tochter gekappt hat. Das Gesetz muss die schwedische Vattenfall-Mutter
einbeziehen, verlangte Kotting-Uhl. Das sei nicht nur gerechtfertigt,
sondern zum Schutz der deutschen Steuerzahler notwendig.
Zudem
forderte die Grüne, dass Gabriel endlich die in den Konzernbilanzen steckenden
Rückstellungen für den Atomausstieg von 38 Milliarden Euro vor eventuellen
Konkursen der Stromversorger sichern solle. Das Problem kann nur ein
öffentlich-rechtlicher Fonds mit Nachschusspflicht für die Konzerne lösen,
sagte Kotting-Uhl. Auch dazu plant Gabriel ein Gesetz will aber erst einen
Stresstest der Konzernfinanzen sowie Vorschläge einer Expertenkommission im
November abwarten. In der soll sogar die Opposition mitarbeiten.
Henning
Baethge