Bremsen für die Windkraft. WZ vom 11.11.2013
Mit deutlichen Korrekturen bei der Energiewende wollen Union und SPD
den Anstieg der Strompreise bremsen. Beim Zustandekommen einer großen
Koalition sollen die Förderung besonders für Windräder gekappt, teure
Industrie-Rabatte überprüft und die Ausbauziele
für Windparks im Meer massiv eingedampft werden. Darauf hat sich am
Wochenende in Berlin die Arbeitsgruppe Energie im Rahmen der
Koalitionsverhandlungen geeinigt. Wir werden die Umsetzung der
Energiewende planbarer, berechenbarer und dauerhaft bezahlbar
gestalten, versprach der amtierende Bundesumweltminister Peter Altmaier
(CDU). Heute soll die große Runde der Koalitionsverhandlungen das
Reformpaket billigen. Altmaier sprach von der größten Reform des
Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) seit seiner Einführung.
Bei Windparks in Nord- und Ostsee wird das Ausbauziel bis zum Jahr
2020 von 10 000 auf 6500 Megawatt (MW) gesenkt. Bis 2030 sind nur noch
15 000 statt 25 000 MW geplant. Bei Wind an Land werden wir die
Fördersätze senken, insbesondere an windstarken Standorten, sagte die
AG-Leiterin auf SPD-Seite, Nordrhein-Westfalens
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Bundesweit sollen nur noch an
guten Standorten Windräder errichtet werden. Sinken Vergütungen, könnte
das etwa in Bayern und Baden-Württemberg den Ausbau drosseln. Zudem soll es nur noch einen geringen Biomasse-Ausbau
geben, um eine weitere Ausdehnung des Maisanbaus zu verhindern. Ob sich
durch die Maßnahmen eine Dämpfung des Strompreises erreichen lässt, ist
fraglich, denn bisher zugesagte Fördergelder müssen nach bisher
geltender Rechtslage 20 Jahre lang für jede Kilowattstunde gezahlt
werden. Die Bürger zahlen die Förderkosten per Ökostrom-Umlage über den Strompreis. 2013 betragen die Umlagekosten 20,3 Milliarden Euro, 2014 werden es rund 23,5 Milliarden sein.
Ebenso fraglich ist, ob der Netzausbau im Meer angepasst werden muss.
Der Geschäftsführer des Netzbetreibers Tennet warnte: Wir haben
Aufträge für elf Anschlussleitungen in der Nordsee mit einer
Gesamtkapazität von 6,2 Gigawatt verbindlich vergeben, sagte Lex
Hartman. Aber wir bauen auf Vorrat, weil gleichzeitig nur verbindliche
Investitionsentscheidungen für Offshore-Windparks
mit einer Gesamtkapazität von 2,9 Gigawatt vorliegen. Konkret im Bau
seien Anlagen mit einer Leistung von 2,3 Gigawatt.
Verlagerung ins Ausland
Der Netzbetreiber musste bislang immer dann eine Anbindung für einen Offshore-Windpark
in Auftrag geben, wenn die Genehmigung für den Park vorlag auch wenn
die endgültige Investitionsentscheidung noch gar nicht gefallen war.
Gegenwärtig investieren die Energieunternehmen nicht in neue Offshore-Windparks, weil die Bedingungen unklar sind. Schleswig-Holsteins
Umweltminister Robert Habeck unterstützt das Absenken der Subventionen
grundsätzlich. Wenn Altmaier die Kosten über eine Preissteuerung in den
Griff kriegen will, hat er dazu gelernt, denn das ist richtig, so
Habeck im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Vergütungen für Wind an
Land können und sollten deshalb für neue Windmühlen sinken. Neuanlagen
könnten Habeck zufolge im Durchschnitt zu 7,5 Cent die Kilowattstunde
produzieren, an guten Standorten wie im Norden mit geringeren Sätzen.
Solaranlagen könnten perspektivisch mit unter 10 Cent auskommen.
Laut Spiegel ist Habeck dafür bereit, sich mit der grünen-nahen
Ökolobby anzulegen, die den Ausbau der erneuerbaren Energien
unterstützt. Das wird Konflikte geben, sagte er. Aber das Verhältnis
der Grünen zu den Interessenverbänden der Erneuerbaren darf nicht so
werden wie das der SPD zur Kohlelobby. Habeck kritisierte zugleich
Vorschläge, den Zuwachs der erzeugten Öko-Strommengen zu deckeln.
Neben dem Absenken der Förderung will die mögliche Koalition auch die Ökostrom-Rabatte
für die Industrie prüfen. Auch diese zahlen die Bürger über den
Strompreis. Die Industrie hat bereits Reaktionen angekündigt, sollten
die Rabatte gestrichen werden. Der Chemiekonzern BASF hat mit einer
teilweisen Verlagerung seiner Produktion ins Ausland gedroht, falls er
künftig nicht mehr von der Ökostrom-Umlage
befreit wird. Bereits vor einigen Monaten habe sich BASF entschlossen,
eine Ammoniakfabrik in den USA und nicht in Deutschland zu bauen, weil
dort Energie billiger sei.