Hier treibt der Wind die Autos an. WZ vom 18.08.2015
Von wegen Hamburg, Berlin oder die umtriebige Rhein-Main-Region: Ganz hoch im Norden findet sich die stärkste E-Mobil-Dichte
der gesamten Republik. Die Nordfriesen profitieren vom Strom, den die
Windparks vor der Küste liefern. Dabei befindet sich auch die eigene
Genossenschaft eE 4 mobile im kräftigen Aufwind. Sie verschafft ihren
Mitgliedern gute Rabatte beim Kauf eines E-Autos und sorgt gleichzeitig für ein dichtes Netz von Ladestationen. Mittlerweile gibt es im Kreis mehr öffentliche Strom-Zapfsäulen als Tankstellen.
Aktuell zählt die Genossenschaft 241 Mitglieder Tendenz steigend.
Nach Angaben von Geschäftsführer Stephan Wiese sind 160 Elektro-Autos allein in Nordfriesland angemeldet. Der Kreis besitzt damit nicht nur die höchste E-Mobilitätsrate
im Lande (wo insgesamt gut 500 Fahrzeuge über die Straßen rollen),
sondern steht auch bundesweit an der Spitze. Den deutschlandweiten
Schnitt beim Anteil der E-Autos an der gesamten Fahrzeugflotte übertrifft Nordfriesland laut Wiese um den Faktor 4.
Die vor fünf Jahren gegründete Initiative verfolgte und verfolgt den
Ansatz, den an der Küste in Mengen anfallenden Strom aus Windenergie
besser nutzbar zu machen. Bis heute nämlich müssen, weil die Verbraucher
fehlen, Windräder oft pausieren, wenn die Netze überlastet sind. Je
nach Wetterlage betragen diese Ausfälle nach erzwungener Bremsung bis zu
40 Prozent. Wiese spricht von einer regionalen Wertschöpfung, die man
optimieren könne. Künftig vielleicht auch mit Pufferspeichern im
Wärmebereich, aber das ist noch Zukunftsmusik.
Für Elektro-Fahrräder und E-Autos ist jedenfalls mehr als genug Strom vorhanden. Ziemlich die erste E-Tankstelle
wurde im Sommer 2011 am Husumer Kreishaus eingerichtet, seitdem ist das
Netz beständig größer geworden. Eine der jüngsten Stationen befindet
sich am Parkplatz vor dem Fähranleger in Dagebüll. Touristen, die Urlaub
auf der nordfriesischen Insel- und Halligwelt machen, können sich bei
der Rückkehr aufs Festland in ihr aufgeladenes Fahrzeug setzen und nach
Hause brausen.
Insgesamt 69 Aufladestationen existieren mittlerweile im gesamten
Kreis. Zum Vergleich: Es gibt nur 45 konventionelle Tankstellen. Der
grüne Strom darf nicht teuer sein, ist das Credo von Stephan Wiese, der
unermüdlich an das ökologische Gewissen der Autofahrer appelliert. Das
ist uns eine Herzensangelegenheit. Wir sind aktiver Teil der
Energiewende, erklärt der Geschäftsführer der Genossenschaft
eE4mobile. Entgegen weitverbreiteten Vorurteilen sei mittlerweile dank
des guten Stationsnetzes und vergleichsweise kurzer Aufladezeiten auch
das Reisen mit dem E-Auto möglich. Voraussetzung
ist für Wiese nur das Umdenken in den Köpfen der Menschen: Die
Gesellschaft muss von ihrem bequemen Sofa runter.
Vor zwei Jahren hat die Organisation für Aufsehen gesorgt, als sie auf einen Schlag nicht weniger als 61 E-Autos
für Mitglieder einkaufte. Die Hersteller gewähren eE4mobile
mittlerweile kräftige Rabatte, da sind die Aufnahmegebühr von 200 Euro
und der jährliche Mitgliedsbeitrag von 50 Euro schnell wieder drin. Zehn
Jahre Steuerfreiheit, ein Verbrauch, der im Preis maximal nur die
Hälfte der Benzinkosten ausmacht, und geringe Inspektionskosten in der
Werkstatt, weil beim E-Auto nahezu die gesamte Motorwartung entfällt von diesen Vorteilen erzählt Wiese gern.
Für den unermüdlichen Werber in Sachen E-Mobilität ist es ein Trugschluss zu glauben, dass man nur in der Großstadt das E-Fahrzeug
sinnvoll einsetzen kann. Mit seiner Genossenschaft ist er dabei, die
Provinz zum Vorreiter zu machen und die Metropolen abzuhängen. Die
Mitglieder sind sich einig in ihrem Grundsatz: Wir fahren lieber mit
dem Strom vom Deich als mit dem Öl vom Scheich.
Udo Carstens