Offshore-Ausbau verlangt nach Verlässlichkeit der Politik. WZ vom 18.08.2015
Selbst wenn auf Helgoland die Sonne scheint und nur ein laues
Lüftchen weht, 35 Kilometer vor der Küste peitschen 20 Meter hohe Wellen
gegen die Fundamente der Offshore-Windräder.
Erst hier auf hoher See wird deutlich, welch enormen Kräften ein
Windpark mitten im Meer standhalten muss. Entsprechend aufwändig ist die
Planung: Vorlaufzeiten von drei bis fünf Jahren sind notwendig. Die
Untergrenze der Investitionssumme für einen rentablen Windpark liegt bei
einer Milliarde Euro.
So viel hat auch der angeschlagene Energie-Konzern
Eon in seinen Windpark Amrumbank West mit 80 Turbinen gesteckt, der
gerade vor der Nordseeinsel Helgoland entsteht. Und Sie können davon
ausgehen: Das rechnet sich für uns, sagt Sven Utermöhlen, Leiter der
Offshore-Sparte bei Eon. Sechs Windparks des
Konzerns sind bereits vor den Küsten Deutschlands, Großbritanniens,
Dänemarks und Schwedens in Betrieb, zwei weitere sollen in diesem Jahr
ans Netz gehen, drei weitere sind in Planung. Es handelt sich um eine
sehr junge Technologie. Es gibt also noch viel Potential, ist
Utermöhlen überzeugt.
Seine Hoffnung setzt er vor allem auf sinkende Kosten. Studien
zufolge können vor allem die Preise für die derzeit noch teuren Bauteile
in den nächsten Jahren um bis zu 40 Prozent sinken. Der
Industriekonzern Siemens, Hersteller von Windkraft-Turbinen und damit wichtiger Zulieferer für die Offshore-Branche, kündigte die Entwicklung kleinerer und effizienterer Plattformen an. Das französische Technik-Unternehmen
Vallourec arbeitet an Fundamenten, die auf deutlich dünneren Pfählen
stehen als die bereits bestehenden Windräder. Utermöhlen sieht darüber
hinaus enormes Potenzial bei der Anpassung an die Bodenbedingungen.
Und in ferner Zukunft seien vielleicht auch schwimmende Fundamente
denkbar.
Die fehlende politische Planungssicherheit scheint Utermöhlens
Zukunftsvisionen nicht zu trüben. Die Bundesregierung hat zwar den
Ausbau der Offshore-Energie zu einem ihrer
erklärten Ziele im Rahmen der Energiewende gemacht, arbeitet aber im
Moment daran, die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG) zurückzufahren. Spätestens ab 2018 will Bundesenergieminister
Sigmar Gabriel ein Ausschreibungsmodell einführen, bei dem nicht mehr
jedes Projekt gefördert wird, sondern nur noch die Bewerber mit dem
geringsten Förderbedarf zum Zuge kommen. Schon im vergangenen Jahr war
der Ausbau der Offshore-Energie gedeckelt worden: Eine Novelle des EEG-Gesetzes sieht vor, dass bis 2020 nicht mehr Offshore-Windparks
mit zehn, sondern nur noch mit 6,5 Gigawatt Leistung gebaut werden
sollen. Im Durchschnitt können damit pro Jahr zwei neue Offshore-Windparks ans Netz gehen.
Sehr zum Ärgernis von Branchenverbänden: Nachdem die Offshore
Windenergie nach vielen Jahren der Vorinvestition nun einen immer
wichtigeren Beitrag zur Energiewende leistet, kann die Umstellung auf
Ausschreibungen erneut die Investitionssicherheit gefährden, warnt der
Präsident des Bundesverbands Windenergie, Hermann Albers und fordert
Verlässlichkeit auf Seiten der Politik. Eine Entscheidung, wie das
Ausschreibungs-Modell im Detail aussehen soll, wird nach Insider-Informationen in den nächsten Wochen erwartet.
Dennoch schätzt Eons Offshore-Chef die Zukunft
seiner Sparte als sehr positiv ein. Wir müssen jetzt in stetiges
Fahrwasser kommen, da ist der politische Ansatz durchaus sinnvoll auch
wenn es gerne etwas mehr als die geplanten 800 Megawatt Zubau pro Jahr
sein dürften, sagt Sven Utermöhlen. Aber selbst wenn man nur von zwei
neuen Windparks im Jahr und einer Bau- und Planungsphase von drei Jahren
für jedes Projekt ausgehe, so wären stets mindestens sechs Windparks
gleichzeitig im Bau. Das ist schon eine gute Perspektive für die
Branche.