Windkraft: Bauherr entscheidet. WZ vom 29.01.2014
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Die Energiewende machts möglich: Eine Novelle des Landesbaurechtes soll
den Bau von Solaranlagen auf Hausdächern und von Kleinwindanlagen bis
zu zehn Metern Höhe erleichtern. Außer in reinen Wohngebieten soll dazu
künftig keine Baugenehmigung mehr nötig sein. Die Pläne stellte
Innenminister Andreas Breitner (SPD) gestern vor. Der Eigentümerverband
Haus und Grund befürchtet zahlreiche Streitereien um Windmühlen.
Zugleich haben die norddeutschen Regierungschefs bei einem Treffen mit
Gewerkschaftsvertretern in Hamburg bekräftigt, die Energiewende
gemeinsam vorantreiben zu wollen. Die Küstenländer hätten ein vitales
Interesse an einem Erfolg, sagte Schleswig-Holsteins
Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). Zuvor hatte sein grüner
Energieminister Robert Habeck mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar
Gabriel (SPD) über die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
gesprochen. Es sei vor allem die Deckelung der Ausbauziele diskutiert
worden, hieß es. Morgen treffen sich alle Länderressortchefs in Berlin.
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Das gibt Ärger, fürchtet Alexander Blaek, Chef des Eigentümerverbandes Haus und Grund Schleswig-Holstein.
Dass künftig im Norden Kleinwindanlagen bis zu zehn Meter Höhe ohne
Baugenehmigung aufgestellt werden dürfen, bereite ihm kräftige
Bauchschmerzen. Da werden viele betroffene Nachbarn nicht erfreut
sein, so seine Befürchtung.
Um Bauen leichter und flexibler zu machen, hat Innenminister
Andreas Breitner (SPD) eine Novelle der Landesbauordnung angekündigt.
Darin ist unter anderem vorgesehen, dass Solaranlagen und kleine
Windräder mit einem Rotordurchmesser bis maximal drei Metern kein
Baugenehmigungsverfahren mehr durchlaufen müssen. Voraussetzung: In der
Nähe befindet sich kein denkmalgeschütztes Haus, und es handelt sich
nicht um ein reines Wohngebiet.
Diese Einschränkung reicht nicht, meint Blaek. Reine Wohngebiete seien in Schleswig-Holstein
eher selten. Meistens haben wir es mit Mischgebieten zu tun. Die Zahl
der Betroffenen wird also relativ groß sein. Abgesehen von ästhetischen
Problemen einer weiteren Verspargelung der Landschaft seien vor allem
Nachbarschaftsstreitigkeiten wegen Lärms und Schattenwurfes solcher
Kleinanlagen zu befürchten. Zehn Meter Höhe und drei Meter
Flügeldurchmesser das ist nicht zu unterschätzen, meint Blaek. Und
wenn dann der Rotor im richtigen Winkel zur Sonne steht und die sich
darin spiegelt, hat der Nachbar Disco-Beleuchtung.
Das Innenministerium war gestern bemüht, die Wogen zu glätten. Nur
die Baugenehmigung fällt für Kleinanlagen weg. An den
nachbarschaftsrechtlichen Bestimmungen zum Lärmschutz und zu
Abstandsflächen ändere sich aber nichts. Was früher nicht
genehmigungsfähig war, weil Nachbarn gestört wurden, ist auch künftig
nicht rechtens, so Sprecher Thomas Giebeler. Allerdings müssen die
Bauherren künftig eigenverantwortlich prüfen, ob die Nachbarn
beeinträchtigt werden. Bislang machte das die Behörde, die die
Baugenehmigung erteilte.
Erfahrungen aus Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt,
Bayern und dem Saarland, wo die Regelung schon längst in Kraft ist,
liegen der Kieler Behörde nicht vor. Auch dort raten Experten allerdings
dazu, dem Nachbarn zu belegen, dass der Mast auch starken Stürmen
widerstehen wird. Denn schon bei vergleichsweise geringen Rotorflächen
reißen Tonnenkräfte an Material und Fundament. Zusätzlich sollte schon
im Vorfeld geklärt werden, wie laut es wird. Kleinanlagen haben eine
sehr viel höhere Drehgeschwindigkeit und machen mehr Lärm, weiß Blaek.
Kritisch sieht er auch die angestrebte Regelung, dass Solaranlagen
genehmigungsfrei auf unter sieben Meter hohen Gebäuden errichtet werden
dürfen. Das kann Streit verursachen, wenn diese den Nachbarn blenden.
Hoffnungen, dass die Landesregierung alles so lässt wie es ist und
den Passus über Kleinwindanlagen und Solaranlagen im Zuge des kommenden
sechswöchigen Anhörungsverfahrens wieder streicht, hat er nicht. Wenn
so ein Referentenentwurf erst einmal in der Welt ist, ist es schwer, ihn
wieder abzuändern.
Abstand: Künftig sollen Kommunen entscheiden
Im
Zuge der Entbürokratisierung der Landesbauordnung sollen Kommunen
künftig selbst darüber entscheiden, ob die Abstandsfläche zwischen zwei
Häusern von derzeit drei auf 2,50 Meter verringert werden darf. Das sei
im Zuge der Verdichtung der Innenstädte und der Vermeidung der
Landschaftszersiedlung durchaus sinnvoll, so Alexander Blaec von Haus
und Grund. Wer bestehende Häuser dämmt, darf ohnehin künftig bis auf 2,5
Meter an den Nachbar ranrücken. Allerdings warnt Blaec vor
Übertreibungen. Die Politik müsste auch die Interessen der Eigentümer im
Gebäudebestand berücksichtigen, um zum Beispiel die Lebensqualität in
städtischen Quartieren nicht durch drohende Verschattung bei
Neubauvorhaben zu schmälern. (kim)