Windkraft schockt Urlauber nicht. WZ vom 04.09.2015
Touristen in Dithmarschen lassen Windenergieanlagen links liegen. Es
wird nicht thematisiert auch nicht in den sozialen Medien, so Olaf
Raffel, Geschäftsführer Tourismus Marketing in Büsum. Urlauber
konzentrieren sich nach seiner Erfahrung lieber auf den Blick aufs Meer
und weniger aufs Hinterland. Eine Erfahrung, die auch seine Kollegin
Dörte Kebbel vom Tourismusservice Friedrichskoog gemacht hat. Mehrmals
im Jahr findet eine Führung zu einer der riesigen Windmühlen statt. Die
Termine sind immer ausgebucht, so Dörte Kebbel. Ob das Thema
Windenergie touristisch noch weiter ausgebaut werden sollte, kann sie
aber nicht mit Bestimmtheit sagen.
Die Erfahrungen der beiden Dithmarscher Tourismusexperten spiegelt
auch eine Studie, die demnächst im Fachjournal Energy Policy
veröffentlicht wird, der Leibniz Universität Hannover wider. Die
Wissenschaftler Tom Brökel und Christoph Alfken haben festgestellt, dass
sich die Verspargelung der Landschaft an den Küstenregionen nicht auf
den Tourismus auswirkt. Vor der Tür wollen die Urlauber die
Windenergieanlagen allerdings nicht haben. Stehen die zu dicht an dem
Ort, weichen die Gäste auf andere Regionen aus. Touristen wollen weiter
an die Küste fahren, suchen sich aber Gemeinden aus, in denen weniger
Windkraftanlagen vorhanden sind, so Brökel. Ganz anders im Binnenland,
wo eine Verspargelung nicht toleriert wird und es laut Studie zu einem
Rückgang der Übernachtungen kommt. So hätten die Zahlen auch gezeigt,
dass die Touristenentwicklung in den Gemeinden stärker gestiegen wäre,
wenn es nicht zu einem Ausbau der Windkraft gekommen wäre, betonen die
Wissenschaftler des Instituts für Wirtschafts- und Kulturgeographie.
Bisher basieren alle Studien auf Stichprobenerhebungen, die lediglich
für bestimmte Regionen und Zielgruppen repräsentativ und aussagekräftig
sind. Daher ist Brökel einen anderen Weg gegangen. Statt der üblichen
Befragungen hat er mit Zahlen jongliert. Statistische Daten wurden
herangezogen, um Entwicklungen mit Fakten zu untermauern. Dafür haben
die Autoren ein Datenset genutzt, das flächendeckende Informationen zum
Ausbau von Windkraftanlagen mit offiziellen statistischen Kennziffern
der Tourismusnachfrage in deutschen Gemeinden verbindet. Dabei wird
erstmals nicht nur die Anzahl der Windkraftanlagen in der
Tourismusregion selber, sondern auch die Präsenz von Windkraftanlagen im
Umland berücksichtigt. Die statistische Analyse zeigt, dass sich
Windkraftanlagen negativ auf den Tourismus im nahen Umland bis 20
Kilometern auswirken können.
Insgesamt 3228 Gemeinden in Deutschland in denen Gästebetten
angeboten werden haben die Wissenschaftler dafür unter die Lupe
genommen. In 1120 Gemeinden stehen Windkraftanlagen. Der Zubau der
Anlagen und der Auslastungsgrad bei den Gästebetten wurde verglichen.
Einflüsse wie das Wetter wurden herausgerechnet und alles über mehrere
Jahre verglichen. Am Ende hat sich damit im Wesentlichen eine Umfrage
unter Federführung der IHK Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr bestätigt. Dies zeigte, dass sich nur sechs Prozent der Urlauber in Schleswig-Holstein von den Windriesen gestört fühlen.