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Grüne stärken der BIAB den Rücken. WZ vom 23.07.2013

Grüne stärken der BIAB den Rücken. WZ vom 23.07.2013


Grüne stärken der BIAB den Rücken

Politiker unterstützen Forderung nach optimaler
Filtertechnik bei Holcim / Abgeordnete sieht Handlungsbedarf bei der Festlegung
von Grenzwerten



Moordiek



Im Streit
mit dem Lägerdorfer Zementhersteller Holcim um eine Optimierung der Grenzwerte
beim Schadstoffausstoß und den Einbau besserer Filtertechnik hat die BIAB jetzt
Unterstützung von den Grünen auf Kreis-, Landes- und Bundesebene bekommen.
Gemeinsam mit den beiden Kreistagsabgeordneten Dr. Jürgen Ruge und Inken
Carstensen-Herold statteten der Landtagsabgeordnete Bernd Voß und dessen
Bundestagskollegin Dr. Valerie Wilms der Bürgerinitiative zur Verhinderung
gesundheitsgefährdender Abfallbeseitigung im Hause der Vorsitzenden Sabine
Dammann in Moordiek einen Besuch ab. Den Tenor nach dem umfassenden
Informationsaustausch fasste Bernd Voß zusammen: „Wir teilen die Grundforderung
nach einer Senkung der Grenzwerte und nach dem Einbau bestmöglicher
Filtertechnik.“



Deutlich
wurde bei dem Treffen allerdings auch, dass die direkten Einflussmöglichkeiten
der Politik eher begrenzt sind. Valeria Wilms: „Das Genehmigungsverfahren läuft
auf einer Schiene, da kann die Politik nicht hineinregieren.“ Im Unterschied
zum – zum Beispiel – Bau der Autobahn 20 gibt es hier kein öffentliches
Planfeststellungsverfahren. Vereinfacht dargestellt läuft es so: Der
Gesetzgeber macht Vorgaben, das Unternehmen stellt auf dieser Grundlage einen
Antrag und die Genehmigungsbehörde muss dem stattgeben, wenn alle Anforderungen
erfüllt werden. Hier allerdings setzt der Vorstoß der BIAB an. Da die
Initiative als anerkannter Umweltverband Klagerecht hat, kann sie Widerspruch
gegen eine behördliche Genehmigung einlegen und im Zweifel auch die Gerichte
bemühen. Das ist auch geschehen. Mit einer Entscheidung rechnet Dr. Wilhelm
Mecklenburg als Rechtsanwalt der BIAB allerdings frühestens in der zweiten
Hälfte des nächsten Jahres.



Valeria
Wilms und ihre Mitstreiter sehen ihre Aufgabe nun darin, die gesetzlichen
Vorgaben zu ändern. „Wir beobachten eine Tendenz hin zu verkappten
Müllverbrennungsanlagen“, sagt die Abgeordnete, die hier dringenden politischen
Handlungsbedarf sieht – auch, weil immer mehr kommunale Müllverwertungsanlagen
in Existenznöte gerieten, weil die Wertstoffe andere Wege gehen. Ohnehin hält
die Politikerin in ihrer Eigenschaft als Nachhaltigkeitsbeauftragte der
Bundestagsfraktion der Grünen die energetische Vernichtung wertvoller Rohstoffe
für mehr als problematisch. „Wir müssen hin zu einer hundertprozentigen
Recyclingwirtschaft“, gab sie als erklärtes Ziel aus. Und die Technologie für
eine solch konsequente Trennung sei in Deutschland auch vorhanden.



Einen
weiteren Ansatz für den Gesetzgeber sieht sie in der Festlegung von
Grenzwerten. „Da hinken wir der tatsächlichen Entwicklung immer hinterher.“
Tatsächlich genießen einmal erteilte Genehmigungen zumeist auf lange Zeit
Bestandsschutz. „Hier müssen wir sehr viel schneller zu Grenzwertanpassungen
kommen.“ Dabei müssten alle technischen Möglichkeiten zum Einsatz kommen.
Valerie Wilms schränkt allerdings auch ein, dass dies für die Unternehmen noch
bezahlbar sein müsse. Mit Blick auf Nachhaltigkeit auf allen Ebenen stellt Wilms
schließlich auch den Einsatz von Zement generell auf den Prüfstand. So sei
Schleswig-Holstein das Land, in dem die meisten Autobahnkilometer aus Beton
gebaut worden seien. Und in anderen Bereichen müsse sehr viel stärker Holz als
nachwachsender Baustoff zum Einsatz kommen.



Offener
Streitpunkt zwischen Holcim und BIAB ist die Herkunft des Quecksilbers, dessen
Ausstoßmengen von der Initiative heftigst kritisiert werden. Laut
Zementhersteller lasse sich der Quecksilberanteil bei der Produktion kaum
reduzieren, weil er hauptsächlich mit der Kreide aus dem Lägerdorfer Boden in
den Ofen gelange. Die BIAB hält hingegen den Einsatz der so genannten
Ersatzbrennstoffe für mehr als bedenklich und vermutet darin hohe
Quecksilberanteile. „Es ist bundesweit das Problem, dass eine Behörde solche
Anlagen genehmigen muss – ohne Prüfung wo das Zeug eigentlich herkommt“,
erläutert Jochen Hake als Umweltreferent der Grünen-Bundestagsfraktion. „Fakt
ist doch, dass das Unternehmen die verdammte Pflicht und Schuldigkeit hat, das
Optimum an Filteranlagen einzubauen“, macht Rainer Guschel vom Bund für Umwelt-
und Naturschutz noch einmal die Zielsetzung der BIAB deutlich. Vorsitzende
Sabine Dammann und ihre Mitstreiter betonen dabei noch einmal, dass sie nichts
gegen das Unternehmen Holcim hätten und schon gar keine Arbeitsplätze in Gefahr
bringen wollten. Angesichts einer überschaubaren Investitionssumme sei die
Forderung nach optimaler Filtertechnik aber mit Blick auf Menschen und Umwelt
keinesfalls überzogen. Die Behauptung von Holcim, strengere Grenzwerte würde
das Unternehmen in den Ruin treiben, nennt sie allerdings blanken Unsinn.



Anwalt Dr.
Mecklenburg pflichtet der Vorsitzenden bei: „Keiner denkt daran, Holcim dicht
zu machen.“ Er macht aber auch deutlich, wie weit tatsächliche Genehmigungen
für das seit Jahrzehnten in Betrieb befindliche Werk und die heute technischen
Möglichkeiten auseinander klaffen: „ Die jetzt zu Grunde gelegten Zahlen wären
ein Killer für jede Neugenehmigung.“

Volker Mehmel