So viel Sicherheit wie möglich
Erörterung zur Produktionsumstellung im Brunsbütteler Bayer-Werk: Einwender sorgen sich vor allem um den Umgang mit Phosgen
Brunsbüttel
Es geht um den Standort von Bayer in Brunsbüttel. Und es geht um die
Sicherheit von Anwohnern. Gestern begann im Elbeforum die öffentliche
Erörterung von Einwänden gegen das 120-Millionen-Vorhaben,
mit dem der Chemiekonzern den Standort in der Schleusenstadt fit machen
will für die Zukunft. Den Termin, der heute um 10 Uhr seine Fortsetzung
findet, hatte das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche
Räume (LLUR) anberaumt: die Erörterung ist Teil des
Genehmigungsverfahrens. 76 Einwender hatten im Vorfeld 63
Einwendungsschreiben an das LLUR verfasst. Vertreter des Werks,
Einwender und Experten diskutieren die Kritikpunkte, versuchen, Bedenken
auszuräumen.
Es geht uns um langfristige Entscheidungen, die nicht nur für Bayer
Bedeutung haben, sondern auch für die Nachbarn, betonte Werkleiter Dr.
Klaus Gebauer. Gleichwohl müsse man nicht in jedem Punkt einer Meinung
sein. Für das Werk hat die geplante Investition auf jeden Fall
grundlegende Bedeutung, machte Gebauer deutlich: Es dreht sich um die
entscheidende Weichenstellung für die Zukunft unseres Standorts. Denn
die Leverkusener Konzernmutter setze künftig auf die Produktion in
Großanlagen. So weit sei das Werk im ChemCoastPark aber noch nicht.
Daher die beabsichtigte Produktionsumstellung von MDI (200 000
Jahrestonnen) und TDI als Schaumstoffprodukte auf die alleinige
Herstellung von MDI (420 000 Tonen im Jahr) für harte Schäume, wie sie
in Dämmstoffen verwendet werden. Ein Knackpunkt aus Sicht der Einwender
ist dabei der Umgang mit Phosgen (siehe Infokasten).
Für das Unternehmen kein Problem, betonte Gebauer. Die Bayer-Sicherheitsstandards gelten inzwischen für die Phosgen-Produktion
weltweit, betonte er. Ohnehin sei das Sicherheitskonzept des
Industrieparks sehr hoch entwickelt. Gutachten hätten dies bestätigt.
Wir möchten unseren Beitrag leisten, damit Bayer am Standort investiert
und uns eine langfristige Zukunft gibt, betonte der Werkleiter.
Dr. Karsten Hinrichsen und Eilhard Stelzner äußerten sich jedoch
skeptisch, was den Umgang mit einer Substanz angeht, die als Grünkreuz
im Ersten Weltkrieg traurige Berühmtheit erlangte und Zehntausende das
Leben kostete.
Hinrichsen betonte gegenüber unserer Zeitung, dass es nicht darum
gehe, den Ausbau von Bayer MaterialScience in Brunsbüttel zu verhindern.
Wir sehen uns als Teil der Genehmigungsbehörde, erklärte er seine
Einstellung. Aber, so der Brokdorfer, es solle versucht werden, das
höchstmögliche Maß an Investitionen in die Sicherheit herauszuholen und
sich nicht mit für das Werk günstigeren Mindeststandards zufrieden
zu geben. Einen Jahresprofit kann man hier investieren, befand er. An
die Adresse Klaus Gebauers betonte er, dass er ihm die geäußerte Sorge
um die Sicherheit der Nachbarschaft abnehme. Aber Konzern und Aktionäre
wollten Geld sehen, und jedes Mehr an Sicherheit kostet Geld. Hinter
sich wissen Hinrichsen und Stelzner die Umweltorganisation BUND. Das sei
zumindest dann wichtig, wenn es doch zu einer Klage kommen solle.
Ganz wichtig ist den beiden Einwendern im Zusammenhang mit Phosgen
die Einhausung des Reaktors mit Beton und nicht wie geplant mit
Trapezblechen. Diese hielten einer Explosion nicht Stand, sagte
Hinrichsen. Da genüge auch nicht, wie im jetzigen Reaktor, eine Wand aus
Ammoniak. Offen sind für ihn Folgen von Terrorismus oder eines
Flugzeugabsturzes. Selbst ein denkbarer Bruch des Elbdeichs werfe Fragen
auf: Wie hoch steht dann das Wasser auf dem Werksgelände?
Ohnehin vermisste Hinrichsen einen Sicherheitsbericht bei den
Antragsunterlagen von Bayer. Daher müsse dieser Punkt ausgeklammert und
gesondert erörtert werden. Das hätte jedoch ein schnelles Ende der
gestrigen Erörterung bedeutet, dreht sich doch ein Großteil der Einwände
um Gefahren im Zusammenhang mit Phosgen.
Dazu allerdings hatten die Vertreter des LUR eine andere Auffassung.
Die Unterlagen genügten den Anforderungen, sonst wäre die Erörterung gar
nicht zustande gekommen. Zudem sei der Umweltgutachter Dr. Ralph von
Dincklage mit einer weiteren Expertise beauftragt worden. Die sei jedoch
noch nicht fertig, erklärte der Fachmann.
Ralf Pöschus