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Atomare Fracht auf dem Nord-Ostsee-Kanal. WZ vom 20.02.2013

Atomare Fracht auf dem Nord-Ostsee-Kanal. WZ vom 20.02.2013



Atomare Fracht auf dem Nord-Ostsee-Kanal

Alle drei Wochen ist ein Transport mit Kernbrennstoffen unterwegs – und bald noch öfter, fürchten die Grünen

Kiel/Berlin

Die Grünen im Bundestag befürchten eine Zunahme von Atomtransporten durch die Ostsee und den Nord-Ostsee-Kanal.
Grund für die Sorge ist unter anderem das in Bau befindliche
Atomkraftwerk „Baltijskaja“ in der russischen Exklave Kaliningrad, dem
früheren Königsberg. Der erste Meiler dort soll 2017 ans Netz gehen, der
zweite 2018.


Schon jetzt fährt durchschnittlich alle drei Wochen ein Schiff mit
nuklearer Ladung auf der meistbefahrenen Wasserstraße der Welt: Nach
Angaben der Bundesregierung erfolgten „in den Jahren 2009 bis 2011
insgesamt 51 Kernbrennstofftransporte durch den Nord-Ostsee-Kanal“.
Eine Zahl für 2012 gibt es noch nicht. Doch kleiner als in den
Vorjahren wird sie nicht sein, meint Dirk Seifert, Energie-Experte
der Umweltschutzorganisation Robin Wood: „Mein Eindruck ist, dass die
Atomtransporte durch den Kanal seit zwei, drei Jahren deutlich
zunehmen.“ Erst vergangene Woche seien im Hamburger Hafen frische
Brennstäbe für das Kernkraftwerk im finnischen Olkiluoto verschifft
worden.


Besonders oft pendeln die Schiffe laut Robin Wood zwischen Hamburg
und St. Petersburg in Russland. Bestimmungs- und Ursprungsorte der
Ladung in Deutschland sind die Urananreicherungsanlage im westfälischen
Gronau oder die Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen, die
auch nach Vollendung der Energiewende 2022 weiterarbeiten dürfen. Bei
dem beförderten Material handle es sich meist um Uranhexafluorid oder um
Uranoxide. Die Stoffe werden zur Herstellung von Brennelementen
gebraucht. Zwar sind sie nur schwach radioaktiv, aber dennoch gefährlich
– vor allem Uranhexafluorid: „Bei einem Austritt muss in kürzester Zeit
ein Gebiet im Umkreis von zwei bis fünf Kilometern evakuiert werden“,
warnt Experte Seifert.


Mit dem Bau des neuen AKW in Kaliningrad könnte die Zahl der Nukleartransporte über den Nord-Ostsee-Kanal
künftig noch steigen, fürchten die Grünen. Zwar hat die Bundesregierung
auf eine entsprechende Anfrage erklärt, dass das Kernkraftwerk seine
gebrauchten Brennstoffe nach Auskunft Russlands über St. Petersburg
abtransportieren werde. Doch lässt die Antwort nach Ansicht der Grünen
offen, wie es dann weitergeht. Ihr Hamburger Abgeordneter Manuel
Sarrazin will daher heute in der Bundestagsfragestunde von der Regierung
wissen, ob sie ausschließen kann, dass der Nord-Ostsee-Kanal
genutzt wird. Zudem fordert er: „Die Bundesregierung muss sich
gegenüber Russland für einen Verzicht auf Atommülltransporte über die
Ostsee einsetzen.“


Auch Sarrazins Parteifreund Robert Habeck, Energieminister in Kiel, sieht die Atomtransporte durch den Nord-Ostsee-Kanal
kritisch. Sperren will er ihn aber nicht: „Eine Verweigerung hätte ja
nicht zur Folge, dass die Transporte wegfielen.“ Vielmehr würden nur
andere Strecken gesucht. Wichtiger sei es, den Betrieb von Atomanlagen
rasch zu beenden: „Dann sind keine Transporte mehr nötig.“ Zudem
bezweifelt Habeck, dass eine Sperrung des Kanals rechtlich überhaupt
möglich wäre.


Der Bremer Senat sieht das offenbar anders: Er hat die Häfen des Stadtstaats vor einem Jahr für Atomtransporte gesperrt.


Henning Baethge