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Netzausbau: Akzeptanz in der Bevölkerung soll wachsen. WZ vom 02.08.2012

Netzausbau: Akzeptanz in der Bevölkerung soll wachsen. WZ vom 02.08.2012



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Netzausbau: Lukrative Geldanlage für Bürger



Neun Prozent Rendite / Akzeptanz in der Bevölkerung
soll wachsen



Husum /ffu
/bg



Anwohner
sollen an neuen Höchstspannungsleitungen verdienen – und so den umstrittenen
Netzausbau zum Abtransport erneuerbarer Energien leichter ertragen. Das ist das
Ziel eines Modellprojekts, das die schleswig-holsteinische Windbranche an der
Westküste erproben will. Nach dem Vorbild von Bürgerwindparks sollen
Interessierte Anteile an einer Gesellschaft zeichnen, die dann die
380-KV-Trasse von Niebüll bis Brunsbüttel errichtet.



Eine
Investition von 200 Millionen Euro muss für die 135 Kilometer lange Leitung
gestemmt werden. Martin Schmidt, Geschäftsführer des in Husum ansässigen
landesweiten Branchen-Vereins „Windcomm“, möchte bis zu 80 Prozent der Summe
über Kredite von Privatbanken und der Kreditanstalt für Wiederaufbau
finanzieren, mindestens 20 Prozent von privaten Anlegern. Das wären 40 Millionen
Euro. Bevorzugt sollen Einwohner der betroffenen Gemeinden Anteile erwerben.
Reicht die Nachfrage dort nicht aus, will die „Windcomm“ die Geldanlage
landesweit anbieten. Ein Anteilsschein werde, so Schmidt, 1000 bis 5000 Euro
kosten. Es wären also mindestens 8000 Anleger erforderlich, sollte sich das
noch ausstehende Finanzierungskonzept auf 5000 Euro pro Kopf festlegen. Schmidt
rechnet in Anlehnung an Bürgerwindparks mit einer Rendite von rund neun
Prozent. „Das bringt Geld für den regionalen Wirtschaftskreislauf“, sagt er. An
erster Stelle stünden jedoch zwei andere Gedanken: „Bürgerwindparks zeigen,
dass sich der visuelle Schmerz mindert, wenn der Geldbeutel klingelt. Und wenn
es weniger Widerstand gibt, lassen sich auch die Planungszeiträume massiv
verkürzen.“ Die Gründung der GmbH ist spätestens zum Jahresende geplant. Der
Netzbetreiber Tennet soll für die Nutzung der Leitung eine Pacht an die
Bürgergesellschaft zahlen. „Die Idee halten wir für sehr gut“, zeigt sich
Tennet-Sprecherin Ulrike Hörchens aufgeschlossen – ergänzt aber: „Für die
genaue Ausgestaltung sind noch zahlreiche rechtliche und regulatorische Fragen
zu klären.“ Energiewendeminister Robert Habeck will dabei helfen. „Ich finde
den Gedanken super, dass Bürger vom Netzausbau profitieren können“, lobt der
Grüne. „Bürgernetze können ein wichtiger Baustein sein, um den Netzausbau
umfassend und schnell zu verwirklichen.“



Derweil hat
der Bundesverband Windenergie gestern gefordert, die Mindestabstände von hohen
Windrädern zu bewohntem Gebiet in Schleswig-Holstein zu verringern. Sie seien
mit dafür verantwortlich, dass im Norden die niedrigsten Rotoren in Deutschland
stünden – und damit viel weniger Strom produziert werde als möglich.



Seite 24:



Windräder im Land sollen größer werden



Nirgends sind die Anlagen so klein wie in
Schleswig-Holstein – die Branche fordert daher von Minister Habeck,
die Abstandsregeln zum Bau hoher Masten zu lockern



Berlin/Kiel



In
Schleswig-Holstein stehen die niedrigsten Windkraftanlagen in Deutschland. Das
geht aus neuen Zahlen hervor, die der Bundesverband Windenergie (BWE) gestern
in Berlin veröffentlicht hat. Demnach sind die Masten im nördlichsten
Bundesland vom Fuß bis zur Rotornabe durchschnittlich 79 Meter hoch. In Bayern
sind es dagegen 132 Meter, im Bundesschnitt 110 (siehe Grafik). BWE-Präsident
Hermann Albers aus Husum kritisierte den Rückstand im Norden, weil dadurch
weniger Strom produziert werde als möglich. „Das ist ein Effizienzdrama, das
sich in Schleswig-Holstein abspielt“, sagte er. Jeder fehlende Meter in die
Höhe bedeute den Verzicht auf ein Prozent mehr Stromertrag. Eine 79 Meter hohe
Anlage produziere so insgesamt gut vier Millionen weniger Kilowattstunden als
eine 125 Meter hohe. Zudem seien größere Anlagen „ästhetischer als kleine“,
meinte Albers.



Der
BWE-Präsident forderte die Landesregierung daher auf, die vorgeschriebenen
Mindestabstände der Anlagen zu bebautem Gebiet zu verringern. Bisher müssen sie
von Siedlungen 800 Meter entfernt sein, von einzeln stehenden Wohngebäuden 400
Meter, aber mindestens das Dreifache ihrer Gesamthöhe einschließlich Rotor –
was bei großen Anlagen eine Distanz von 600 Metern bedeuten kann. „Die
Entfernungen dürfen nicht mehr mit zunehmender Höhe der Anlagen wachsen“, sagte
Albers. Zudem forderte er vom Land Anreize für Gemeinden, größere Masten
zuzulassen. „Die Gemeinden sollten von der Gewerbesteuer für große
Windkraftanlagen eine höheren Anteil behalten dürfen“, sagte er.



Schleswig-Holsteins
Umweltminister Robert Habeck zeigte sich im Ziel einig mit Albers: „Wir teilen
die Analyse, dass höhere und größere Anlagen effizienter sind“, sagte der
Grünen-Politiker unserer Zeitung. Daher wolle er den Weg für das Ersetzen
alter, kleiner Anlagen durch neue, große ebnen – etwa durch das Ausweisen neuer
Windkraftflächen. Aber auch der Runderlass der Landesregierung zur Windenergie
werde gerade überarbeitet. Allerdings wolle er dabei nicht die Abstände zu
Wohngebieten verringern, sagte Habeck: „Sonst können wir die Balance zwischen
der Akzeptanz in der Bevölkerung und dem offensiven Ausbau der Windenergie
nicht wahren.“ Auch Anreize über die Gewerbesteuer sieht der Minister
skeptisch: „Wir wollen keine industriepolitischen Subventionen für eine
bestimmt Art Windkraft.“



Die
windkraftkritische Initiative „Gegenwind Schleswig-Holstein“ lehnte kleinere
Mindestdistanzen ebenfalls ab. „Die Verringerung von Abständen ignoriert die
gesundheitlichen Schäden, die Windkraftwerke durch Lärm und niederfrequenten
Schall verursachen“, sagte Gegenwind-Sprecher Frank Jurkat. Schon die aktuellen
Entfernungen seien zu gering: „400 Meter zu Splittersiedlungen und auch die 800
Meter zu Siedlungen kommen einer Körperverletzung gegenüber den Anwohnern
gleich.“ Jurkat ist prinzipiell gegen höhere Anlagen: Mit denen komme auf die
Bürger „ein neuer Turmbau zu Babel zu, der einzig eigennützigen Interessen
dient, aber nicht der Umwelt“. Das „Land der Horizonte“ Schleswig-Holstein
werde „hinter hohen und höchsten Windkraftwerken verschwinden“. Henning Baethge



Wind: DER NORDEN IST VORN

Trotz der vergleichsweise kleinen
Anlagen hat Schleswig-Holstein die Windkraft im ersten Halbjahr 2012 am
stärksten von allen Bundesländern ausgebaut. Dank der zusätzlich installierten
Leistung von 145 Megawatt steigt die Gesamtleistung im Land auf 3450 Megawatt.
Mit diesem Wert liegt Schleswig-Holstein hinter Niedersachsen, Brandenburg und
Sachsen-Anhalt auf Platz vier. Bundesweit sind jetzt erstmals mehr als
30 000 Megawatt installiert. /
bg



 



Windkraftanlagen im Vergleich



Höhen der Windräder (Angaben in
Metern):



Bayern: 132



Mecklenburg-Vorpommern:
 113



Niedersachsen: 108



Schleswig-Holstein: 79



Bundesdurchschnitt: 110



Deutsche
Nordsee: 90



Anzahl der Windräder:



In
Deutschland gibt es derzeit insgesamt 22650 Windräder, davon in …



Niedersachsen: 5483



Brandenburg: 3079



Schleswig-Holstein: 2930



Nordrhein-Westfalen: 2871



Sachsen-Anhalt: 2381



Bremen: 75



Hamburg: 58



Berlin: 1



Übrige
Bundesländer: 5772



 



Kommenter von
Seite 2:



Bürgerleitung mit Fragezeichen



Bevölkerung soll sich an der Finanzierung der
Stromtrassen in Schleswig-Holstein beteiligen



Henning
Baethge



Es klingt
fast zu schön, um wahr zu sein: Bürger beteiligen sich mit jeweils ein paar
tausend Euro am Bau von Stromleitungen in Schleswig-Holstein, erhalten im
Gegenzug neun Prozent Rendite jährlich und haben plötzlich keine Einwände mehr
gegen die neue 380-Kilovolt-Leitung durch ihren Ort. So kalkulieren nicht nur
die Erfinder des neuen Netzausbau-Modells für die Westküste, sondern auch die
Politiker im Land – vom grünen Energieminister Robert Habeck bis zum christdemokratischen
Umweltpolitiker und Bundestagsabgeordneten Ingbert Liebing.



Doch so
vernünftig die Idee erscheint – ganz so glatt wird sie nicht funktionieren. Zum
einen steht das Finanzierungskonzept für die geplante, 200 Millionen Euro teure
Bürgerleitung vom nordfriesischen Niebüll bis nach Brunsbüttel noch in den
Sternen. Denn nur ein Fünftel der Summe glauben die Macher bei den Anwohnern
einsammeln zu können. Vier Fünftel muss von Banken kommen. Und ob die
bereitwillig das Wagnis eingehen, in dieses bisher einmalige Modell zu
investieren, ist fraglich – in der gegenwärtigen Schuldenkrise mehr denn je.



Zum anderen
wird der Widerstand gegen den Leitungsausbau auch mit einem Bürgernetz nicht so
einfach verschwinden, wie es sich vor allem die Politiker erhoffen. Zwar
dürften viele Menschen eine neue Leitung in der Nachbarschaft eher hinnehmen,
wenn sie bei deren Anblick auch gleich ihre eigene Altersvorsorge vor Augen
haben. Aber dass eine finanzielle Beteiligung der Bürger nicht jeden Protest
erstickt, zeigt sich bei den Windparks und deren Ausbau. Denn auch dort, wo die
Anwohner sich an den Anlagen beteiligen können, gibt es aus verständlichen
Gründen viele, denen die eigene Gesundheit oder einfach nur der freie Blick auf
die Landschaft wichtiger ist, als die Rendite aus immer höher und größer
werdenden Windrädern.