Interviews
Ich habe heute per Zufall ein paar ältere Interviews mit Bully gefunden. Wahrscheinlich sind sie den meisten hier schon bekannt, aber ich kannte zumindest eines noch nicht.
Hier ist das Interview aus der Zeitschrift CQ 10/2001:
GQVerknotungen im Hirn
War Winnetou schwul? Hilft Lachen gegen Grippe? Und wieso entstehen die besten Gags unter der Dusche? Das große Humorduell zwischen Michael Bully" Herbig, 33 (Der Schuh des Manitu") und Herbert The Brain" Feuerstein, 64 (Schmidteinander")
Moderation des Gesprächs: Michael Cornelius und Gaby Ullmann, Fotos: Uli Weber
Herr Feuerstein, Sie haben angedroht, kein Wort über Bullys Film zu verlieren, sondern pausenlos über Ihr neues Buch zu sprechen. Wie fanden Sie Bullys Film?
Feuerstein: Sie zwingen mich ja, was zu sagen. Ich wollte den Film durchaus kritisch sehen. Doch bereits nach wenigen Szenen wusste ich: Das ist mein Film. Nun aber zu meinem Buch: Es ist kürzlich erschienen.
Sie sind also jetzt Bully-Fan?
Feuerstein: Sie lenken ab. Natürlich bin ich Bully-Fan. An Bully hab ich mein einziges Fanfax überhaupt geschickt.
Herbig: Das stimmt. Wir standen alle fassungslos am Faxgerät und waren davon überzeugt, dass uns da jemand verarscht.
Der Schuh des Manitu hat alle Rekorde geschlagen. Sind Sie davon überrascht?
Herbig: Klar. Als es um die Finanzierung des Films ging, hat schließlich außer uns fast keiner an dessen Erfolg geglaubt. Einige Förderungen haben uns abgesagt, eine mit der Begründung, die Gags seien zu alt und Western wolle sowieso keiner mehr sehen. Dieser Brief hängt jetzt in meinem Büro. Neben der Pressemeldung: Erfolgreichster Kinostart aller Zeiten.
Feuerstein: Klugerweise habe ich eine Menge Senator-Film-Aktien gekauft.
Herbig: Das war nicht klug.
Feuerstein: Natürlich war das klug.
Herbig: Nein. Wir sind bei der Constantin.
Feuerstein: Scheiße, jetzt bin ich ruiniert. Na, egal. Der Film ist trotzdem gut. Am besten gefällt mir deine Liebe zum Detail. Und dass die Filmmusik von einem echten Orchester gespielt wird.
Herbig: Endlich mal einer, der's merkt!
Feuerstein: Jetzt ist aber genug geflirtet, sonst müssen wir noch heiraten.
Komisch, dass plötzlich alle Bully lieben ...
Feuerstein: Das ist nicht komisch, das ist gefährlich. Ich bekäme in diesem Fall sofort die Krise, weil Erfolg ein Zeichen ist, dass man seiner Zeit nicht mehr voraus ist.
Herbig: Ich mache mein Ding. Das ist mir wichtiger, als auf die Quote zu schielen.
Feuerstein: Das ist das Gute an dir: Die Leute lieben dich oder hassen dich.
Herr Herbig, was mögen Sie an Feuerstein?
Herbig: Dass er immer genau das macht, was keiner von ihm erwartet. Ich habe beispielsweise selten so gelacht wie damals, als Feuerstein zu Harald Schmidt in die Show kam, mit einer Papiertüte über dem Kopf und der Brille darüber. Das war Anarchie, wie ich sie liebe.
Was bedeutet Ihnen Karl May?
Feuerstein: Man sagt ihm ja nach, er sei ideell schwul gewesen ...
Herbig: Seine Bücher stehen bei mir zu Hause im Regal, weil sie da so schön ausschauen. Eins hab' ich versucht zu lesen. Aber als da gleich eine Beschreibung von Winnetous vollen Lippen stand, bin ich stutzig geworden und hab' mir dann doch lieber die Filme angeschaut.
Feuerstein: Ich habe zwischen 8 und 12 alle Karl-May-Bücher gelesen, aber nie die Filme gesehen. Dafür war ich kürzlich fürs ARD-Morgenmagazin in Bad Segeberg und habe Gojko Mitic getroffen.
Herbig: Ich habe kürzlich in Focus TV eine Reportage über Bad Segeberg gesehen und war sehr enttäuscht darüber, wie humorlos man dort meinen Film sieht.
Feuerstein: Focus TV ist ja auch nicht gerade für seinen Humor berühmt. Was hat dich denn geärgert?
Herbig: Gojko Mitic sagte, es sei ein Verbrechen, so die Bräuche der Indianer zu parodieren. Dazu muss ich sagen: Hey, der Mann ist Serbe und spielt Indianer. Ich hatte zwei echte Indianer am Set. Die hatten einen Mordsspaß und haben mir Indianerschuhe geschenkt.
Feuerstein: Indianer, hab' ich gehört, haben keine Körperbehaarung. Auch keine Schamhaare?
Herbig: Ich hab' nicht nachgeschaut.
Feuerstein: Wie, du hast nicht nachgeschaut? Das wäre das erste gewesen, was ich getan hätte.
Wann haben Sie entdeckt, dass andere Sie komisch finden?
Herbig: Schon als Kind. Ich hab' mich in der Schule wahnsinnig gelangweilt und meinen Lehrer überredet, den Unterricht als Theaterstück aufzuführen. Ich war der Regisseur und unglaublich stolz, dass es mir gelungen war zu unterhalten. Daran hat sich seither nichts geändert. Das Schönste auf der Welt ist für mich, unerkannt im Kino zu sitzen, es läuft mein eigener Film, und der Saal tobt.
Feuerstein: Ich weiß bis heute nicht, warum mich die Leute lustig finden, aber ich habe irgendwann beschlossen, sie dafür bezahlen zu lassen. Ich bin nicht komisch. Ich hatte eine schlimme Kindheit...
Was war denn so schlimm?
Feuerstein: Ich komme aus einer Familie mit genetischer Prägung zur Verzweiflung. Sie hat nur überlebt, weil immer genau einer weniger Selbstmord verübt hat, als Familienmitglieder da waren.
Sie waren 20 Jahre lang Chefredakteur des Satiremagazins MAD...
Feuerstein: Erst mal war ich Journalist in Amerika. Dann wurde ich Verlagsleiter für die satirische Zeitschrift Pardon. 1968 aber ging ich zurück nach Deutschland: Ich wollte unbedingt ein 68er werden. Leider machte ich den Fehler, mir einen Jaguar zu kaufen, und durfte nicht mehr mitmachen. Dafür wurde mir die deutsche Ausgabe von MAD angeboten.
Wie viele Leute gab es bei MAD?
Feuerstein: Es gab nur mich. Ich bin sehr autistisch. Ich trau' nicht mal einer Assistentin zu, einen Brief einzuwerfen.
Herbig: MAD war einzigartig! Besonders die Filmparodien waren super durchgeknallte Persiflagen.
Wie hat der Humor von MAD die neue Spaßgeneration beeinflusst?
Herbig: Ich verstehe mich als Spaßpropheten. Feuerstein ist für mich der Pionier. Vor ihm gab es in Deutschland in der Richtung nichts.
Feuerstein: Mein bescheidenes Verdienst bei MAD war, dass ich die Lautschrift für Comics eingedeutscht habe: klong, pattaboing statt pow, crash und zooong.
Worüber können Sie selbst am besten lachen?
Feuerstein: Schwer über eigene Sachen. Für mich ist Humor ein Job. Er hält mich von der Straße fern.
Herbig: Über Slapstick.
Und wie entstehen Ihre eigenen Gags?
Feuerstein: Ich habe im Gehirn merkwürdige Verknotungen. Wenn mir etwas präsentiert wird, traue ich mir zu, innerhalb Minuten daraus eine Satire oder Parodie zu machen. Ich hab auch gern andere Autoren um mich. Dann weiß ich, wie es nicht geht, und mache es richtig.
Herbig: Bei mir entstehen die besten Ideen unter der Dusche oder beim Autofahren. Dann transportiere ich die Idee möglichst unbeschadet ins Büro. Dort spinnen wir in kleinen Gruppierungen miteinander herum. Im Gegensatz zu Herrn Feuerstein kann ich mit anderen Menschen zusammenarbeiten.
Feuerstein: Was ich nicht allein machen kann, mach' ich nicht.
Wie steht es um den deutschen Humor?
Feuerstein: Gibt's den?
Herbig: Es gibt bei uns keine so lange Tradition wie in Amerika. Wenn man auf die letzten 30 Jahre zurückblickt, was bleibt da? Klimbim, Nonstop Nonsens und Sketchup. Erst mit Samstag Nacht wurden Tore geöffnet.
Feuerstein: Ich habe zu dieser Debatte keine klare Meinung, weil sich Humor nicht definieren lässt. Bei einem Krimi weiß jeder, was spannend ist. Aber was lustig ist, kann man niemandem vorschreiben.
Welche Nation ist die witzigste?
Herbig: Das ist eine bedauerliche Diskussion. Humor ist, was ich persönlich lustig finde, egal, aus welcher Ecke dieser Erde er kommt. Ich war als 12-Jähriger hingerissen von Airplane. Dieser Film hat mich geprägt, aber es war mir doch völlig egal, aus welchem Land er kam.
Aber es gibt Inspirationen?
Herbig: Natürlich wird man inspiriert von den Marx Brothers, Loriot oder Heinz Erhardt, aber das sind Mosaiksteinchen, und daraus bildet sich etwas Neues.
Feuerstein: Magst du Kabarett?
Herbig: Ich müsste lügen, wenn ich jetzt ja sage.
Feuerstein: Dann sag nein.
Herbig: Scheibenwischer find ich manchmal schon recht gut, aber ich mag nicht ...
Feuerstein: ... belehrt werden, geht mir genauso. Was die Länderfrage betrifft, da tue ich mich auch schwer. Ich meine, wir haben von Rudi Carrell bis Dieter Hildebrandt ja die ganze Palette ...
Carrell ist Holländer ...
Feuerstein: Gut, aber er hat den deutschen Humor wahrscheinlich mehr beeinflusst als andere. Ich habe Hochachtung vor jedem, der professionell mit seinem Fach umgeht und ein Publikum findet.
Was ist mit Stand-up-Comedy?
Herbig: Bewundere ich. Michael Mittermeyer ist für mich ein Gott. Der entwickelt sich immer weiter.
Gibt es nun einen Comedy-Boom oder nicht?
Herbig: Das variiert von Minute zu Minute. Als wir damit anfingen, haben alle gestöhnt: Was, schon wieder eine neue Comedy-Sendung? Ich frage mich, warum das überhaupt ein Thema ist. Bei der 100. Arztsendung fragt doch auch keiner: Brauchen wir die wirklich? Für mich ist Lachen Grundbedürfnis. Wie Essen und Sex. Gesund ist es außerdem. Es hilft sogar gegen Grippe.
Feuerstein: Erfolg hilft auch gegen Grippe. Ehrlich! Alle Leute, die keinen Erfolg haben, bekommen die Grippe. Du bist also in diesem Jahr davor geschützt.
Herbig: Das ist gut. Von einer Grippe sagt man ja: Drei Tage kommt's, drei Tage bleibt's, drei Tage geht's.
Feuerstein: Ach. Das kannte ich bisher nur von Beziehungen.
Wann hört für Sie der Spaß bei Comedy auf?
Feuerstein: Wo man ihn vergewaltigt. Momentan ist es ja üblich zu provozieren.
Herbig: Für mich war die Comedy-Show Big Brother der totale Reinfall.
Feuerstein: Das war Realsatire.
Herbig: Dann hab ich's nicht verstanden. Jedenfalls hab' ich versucht, es anzuschauen, bin aber immer eingeschlafen.
Feuerstein: Das Schlimmste ist, dass sich unter dem Quotendruck niemand mehr entwickeln kann. Wir steuern auf einen dicken, breiten Brei zu.
Herbig: Zum Glück habe ich zuerst Radio gemacht. Da hatte ich diesen Charakter, Bully, etabliert, den dann TV München ins Fernsehen bringen wollte. Weil es schnell gehen musste, hab' ich ein paar Klamotten vom Speicher geholt und die Haare mit Spucke zur Seite geklatscht. Dann fand ich eine alte Tapete, hab' mich davor hingestellt und Wortspielchen gemacht. Die Geburt von Bully und die Tapete.
Daraufhin hat Ihnen ProSieben ein neues Sendeformat angeboten.
Herbig: Ja, aber das wollte ich nicht machen. Dafür hatte ich ein Drehbuch in der Schublade: Easy Bully, ein Plot über einen Typen, der in seiner eigenen Welt lebt. Im Pilotfilm liefen meine Freunde Rick und Christian ein paarmal durchs Bild. Da wollte ProSieben dann plötzlich Sketche von uns. Das Format mussten wir aber erst noch suchen.
Feuerstein: Bei Schmidteinander sollte Schmidt zunächst auch nur Standup vor einem schwarzen Vorhang machen. Ich hatte in Amerika Letterman gesehen und dann in der Tonight Show von Johnny Carson diesen stummen Dicken, der bei jeder Pointe lachte. Da hab' ich das eben auch ausprobiert, und es funktionierte auf Anhieb. Hinterher sagten alle, Schmidteinander sei ein großer Wurf gewesen. Stimmt aber nicht. Das war ein Zufallsprodukt.
Wie kann man die Menschen unterhalten, wenn man sie nicht mag?
Feuerstein: Das habe ich immer noch mit Harald Schmidt gemeinsam: Wir hassen die Menschen, aber lieben das Publikum.
Regelmäßig wird die Unterhaltungskrise in Deutschland ausgerufen.
Feuerstein: Meiner Meinung nach gibt es eine Marktorientierungskrise. Trotz dieser Quotenboxen weiß doch keiner wirklich, wer der Zuschauer überhaupt ist.
Herbig: Deswegen finde ich Kino so klasse. Da muss sich jemand auf den Weg machen, Geld zahlen, und man weiß genau, wie viele den Film gesehen haben.
Herr Herbig, Sie werden häufig mit DJ Bobo verwechselt. Ist das schlimm für Sie?
Herbig: Nicht mehr, seit Bobo mir ein Fax schickte und schrieb, dass er es leid sei, als Bully Autogramme zu geben.
Mit wem verwechselt man Sie, Herr Feuerstein?
Feuerstein: Mit Woody Allen.
Herbig: Äußerlich?
Feuerstein: Nein, inhaltlich. Zumindest war das so in der Zeit von Stadtneurotiker.
Herbig: Rein optisch gleichst du eher ...
Feuerstein: ... Hitler?
Herbig: Ähh, ich wollte sagen, einem amerikanischen Präsidenten. Sag mal, bist du zynisch?
Feuerstein: Eher melancholisch.
Herbig: Ich glaube, du bist Zyniker.
Feuerstein: Entschuldige: Weißt du, wer ich bin, oder weiß ich, wer ich bin?
Herbig: Gut, ich nehm's zurück.
Feuerstein: Was?
Herbig: Dass du verbittert bist.
Feuerstein: Ich bin NICHT verbittert!
Herbig: Anarchist?
Feuerstein: Eigentlich schon. Und du?
Herbig: Anders.
Feuerstein: Positiver.
Herbig: Ja, ich bin ein bisschen verliebt in mein Leben und bereite mich auf Zeiten vor, in denen es mir nicht so gut geht.
Was ist Ihr Lebenstraum?
Feuerstein: Je kürzer das Leben wird, desto mehr hab' ich vor. Ich will unbedingt noch in Bayreuth den Tannhäuser als Porno inszenieren. Und die Alpen abtragen.
Herbig: Ich will nach Hollywood. Nicht, um ein Star zu werden. Sondern nur, um sagen zu können, du hast da, im Mekka der Filmindustrie, auch mal gearbeitet. Und dass die Amis auch nur mit Wasser kochen. Selbst wenn sie mehr Geld haben und längere Limousinen.
Feuerstein: Ich würde dir das gern verbieten, das Filmemachen in Hollywood.
Herbig: Ach, ich sehe das doch nur sportlich. Billy Wilder hat auf einer Oscar-Verleihung was sehr Geniales gesagt. Er sagte: Preise sind wie Hämorrhoiden: Irgendwann kriegt sie jedes Arschloch.
Feuerstein: Ich habe beides.
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