"Crossing Jordan" - Forum - Fanfiction crossing Jordan

"Schatten der Vergangenheit"

"Schatten der Vergangenheit"

Titel: Schatten der Vergangenheit
Rating: PG-13
Teile: 1/?
Pairing/Charakter: Jordan, Garret, Woody & alle anderen
Spoiler: spielt nach 6x03
Inhalt: Jordan braucht eine Veränderung nach allem, was passiert ist, aber sie hat nicht mit dem massiven Widerstand ihrer Freunde und Kollegen gerechnet. Frustriert stürzt sie sich in die Ermittlungen um ein Busunglück, bei dem 17 Menschen ums Leben kamen. Als dann auch noch ein alter Bekannter auftaucht, gerät alles aus den Fugen.
Disclaimer: Ich borge mir nur alles von Tim Kring aus... nichts davon ghört mir.


Kapitel I

„Nein.“
Seine Stimme klang überraschend hart, beinahe zornig. Doch gleichzeitig saß er vollkommen ruhig in seinem Ledersessel, das halbleere Glas locker in der Hand.

„Garret - “ Ich nahm den schon lange verlorenen Faden wieder auf, in der Hoffnung, die Unterhaltung in eine etwas angenehmere Richtung zu lenken. Sein Blick ließ mich jedoch verstummen. Er war immer noch sehr gelassen, zumindest erweckte er äußerlich diesen Eindruck; seine Augen aber waren verengt und durchbohrten mich geradezu. Unter seinem eisigen Starren begann ich mich plötzlich sehr unwohl zu fühlen.

Nicht, dass ich etwas anderes erwartet hatte. Ich konnte erkennen, dass er bereits bei meinem Erscheinen in seinem Büro misstrauisch geworden war. Und als ich dann auch noch vorschlug, er solle doch etwas trinken, musste er mich vollkommen durchschaut haben. Zumindest hatte ich das bis jetzt gedacht... sein Verhalten erwischte mich aber kalt. Ich hatte mit Wut, vielleicht sogar mit Enttäuschung oder Ungläubigkeit gerechnet. Aber diese kalte, wissende Berechnung ließ mich frösteln, obwohl der Raum sicher überheizt war, so wie es meistens. Es war beinahe, als hätte Garret längst mit meiner Kündigung gerechnet und mich schon seit langem abgeschrieben. Doch dieser kleine, unparteiische Teil tief in mir wusste, dass ich hier vor einem meiner besten Freunde saß, vor jemandem, der beinahe so etwas wie eine Vaterfigur für mich geworden war und der niemals auch nur daran denken würde, mich so leicht aufzugeben.

Doch als er jetzt unvermittelt aufstand, um seinen Scotch nachzufüllen, hatte ich Mühe, meine wirren Gedanken für mich zu behalten. Dennoch musterte er mich von oben herab, und wieder gab er mir das Gefühl, hier alles andere als willkommen zu sein.

Und dann, ganz plötzlich, begann er zu reden.

„Jordan, Sie und ich, wir kennen uns nun schon seit einigen Jahren.“ Ich nickte, milde verwundert, wohin das führen sollte. Ich meine, wir kannten uns seit mehr als einem Jahrzehnt.

„Habe ich Sie jemals im Stich gelassen?“

Ich fühlte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. Wie konnte er es wagen... wie konnte er es wagen, so mit mir zu reden, als ob ich die Jenige sei, die ein schlechtes Gewissen haben musste? Ich hatte ihn niemals im Stich gelassen; er dagegen hatte sich das letzte halbe Jahr schlichtweg benommen wie ein Vollidiot. Zuerst sein Alkoholproblem, dann die Sache mit Kayla... und nicht zu vergessen die Zeit, als Slokum das Regiment führte. Wer war er, mir eine solche Frage zu stellen? Was gab ihm das Recht... ?

Und als ich ihn dann endlich ansah, verrauchte mein Zorn so plötzlich, wie er gekommen war.

Garret hatte wieder Platz genommen, diesmal jedoch auf der Couch, am entgegengesetzten Ende von mir. Ich drehte mich leicht zu ihm und sah nun auch die Veränderung in seiner Haltung: Er wirkte angespannt; beinahe furchtsam wich er meinem anklagenden Blick aus und bedachte stattdessen das nun wieder leere Glas in seiner Hand, mit weitaus mehr Aufmerksamkeit, als es tatsächlich verdiente. Mein Verstand schien ungewöhnlich langsam zu arbeiten, ich musste ihn etwa eine Minute vollkommen perplex angestarrt haben, ehe ich verstand. Und als dann endlich der Groschen fiel, klappte mein Mund geräuschlos auf und zu. Er machte sich Sorgen? Konnte es wirklich sein, dass ich ihn so missverstanden hatte? Ich war sprachlos. Garret konnte doch nicht ernsthaft glauben, dass er mich im Stich gelassen hatte... die Absurdität der ganzen Situation ließ mich beinahe laut auflachen. Irgendwie redeten wir andauernd aneinander vorbei. Doch dann meldete sich die kleine Stimme in meinem Kopf wieder, hartnäckig und aufdringlich flüsterte sie mir die Worte ein, von deren Wahrheitsgehalt ich Sekunden zuvor noch überzeugt gewesen war. Aber genau das denkst du doch... er hat dich enttäuscht. Willst du es ihm wirklich so einfach machen? Soll er glauben, du hättest von all seinen Fehlern nichts mitbekommen? Soll er tatsächlich denken, er hätte dich nicht verletzt?

Aber genau das war es doch – er hatte ein paar Fehler gemacht. Na ja, mehr als ein paar. Aber jeder konnte doch einmal etwas falsch machen.

„Ich stelle Menschen gerne auf ein Podest – irgendwann kippen sie unweigerlich runter.“
Warum mir Garrets Worte ausgerechnet jetzt einfielen, war mir im ersten Moment nicht klar. Doch dann begriff ich, dass dies einer seiner Fehler war, sein wunder Punkt, wie er es einmal genannt hatte. Das musste aber nicht bedeuten, dass es grundsätzlich etwas Falsches war.

Was, wenn er mich nie verletzen wollte? Hatte ich ihn nicht schon vor so langer Zeit auf eben jenes Podest gestellt und insgeheim gehofft, er würde ewig dort oben bleiben, dass ich jetzt aufs Bitterste enttäuscht war, ihn herunterfallen zu sehen? Es wäre möglich.

Demnach trug ich einen großen Teil der Schuld selbst... ich musste es mir nur noch eingestehen. Und Garret, das war ich ihm schuldig.

Als ich diesmal ansetzte, unterbrach er mich nicht. Er blickte aber auch nicht auf. Innerlich waren meine Worte bereits gewählt, fein säuberlich aufgereiht.

Garret, Sie sind nicht der Grund für diese Kündigung, ich kann diesen Job hier einfach nicht mehr machen. Eine kleine Luftveränderung ist nötig. Und das hat absolut nichts mit Ihnen zu tun.

Aber als ich mich dann schließlich reden hörte, waren das nicht die Worte, die meine Lippen verließen.

„Garret, Sie sind ein Arschloch.“

Sekundenlang hingen die Worte im Raum. Ich saß vollkommen gelähmt, von meinem eigenen Mut überrascht da. Sicher, ich nahm auch sonst kein Blatt vor den Mund, aber... noch war er mein Vorgesetzter.

Garret jedenfalls schien meine zugegebenermaßen etwas respektlose Äußerung aus seinen Gedanken gerissen zu haben, denn er starrte mich wieder äußerst durchdringend an. Aber etwas war anders als vorhin, etwas hatte sich geändert... und als ich sah, wie seine Mundwinkel zuckten und er nur mühsam ein Grinsen unterdrücken konnte, wusste ich auch, was. Die Spannung war verschwunden. Ich sah, wie sehr Garret mit sich kämpfte, und schließlich konnte auch ich meine wachsende Erheiterung nicht mehr verbergen, ganz besonders, als mir erneut die Komik der gesamten Situation auffiel – wir schafften es aber auch wirklich immer wieder, uns gegenseitig fertig zu machen, diesmal sogar ohne die geringste Absicht.

„Wir haben’s wirklich vermasselt, oder?“

„Sieht ganz danach aus.“ Seine lächelnde Miene ließ mich auf eine überraschend vertraute Art und Weise ruhiger werden, seine nächsten, offenbar ziemlich vorsichtig gewählten Worte zerstörten jedoch das kleine Bisschen Komfort, das ich empfunden hatte.

„Jordan, wegen vorhin... ich kann das nicht einfach so akzeptieren.“ Plötzlich war er wieder ernst, und ich konnte eine gewisse Unruhe in meinem Innern nicht abstreiten. Was wollte er damit andeuten?

„Sie wissen, dass ich mindestens 4 Wochen brauchen werde, um eine zusätzliche Kraft zu finden.“ Er sagte nicht Ersatz, und es machte mich ungemein erleichtert, dass er zumindest zu ahnen schien, wie schlecht es mir wegen dieser ganzen Angelegenheit ging. Ich nickte bestätigend; damit hatte ich bereits gerechnet und es auch schon in meine weiteren Pläne miteinbezogen.

„Ich habe schon darüber nachgedacht und werde noch so lange bleiben, bis Sie jemand anderen gefunden haben. So haben doch alle etwas davon.“ Trotz meiner vorgetäuschten Professionalität klang der letzte Satz mehr als nur etwas trotzig, und der überraschte Blick, den Garret mir versetzte, sprach Bände. Ganz so gut schien er mich dann doch nicht zu verstehen.

Dennoch war er es, der zufrieden nickte und offenbar erfreut war, dass ich bereits mitgedacht hatte, was sonst eigentlich nicht meine Stärke war.

„Und was genau... hat diesen plötzlichen Sinneswandel ausgelöst?“ Also doch. Konnte er die Sache nicht einfach ruhen lassen? Ich bereitete mich innerlich schon einmal auf eine Schlacht vor.

„Ach, wie ich schon sagte, ich brauche dringend eine Luftveränderung. Sie sollten auch mal über einen kleinen Wechsel nachdenken – vielleicht Richtung Küste, ich hab gehört dort soll es die besten Bands geben.“ Wieder daneben... ich hasste mich selbst für diesen lahmen Versuch, die Stimmung wieder aufzulockern. Heute musste aber auch wirklich alles schief gehen, ich konnte nicht einmal mehr einen Witz machen, ohne dabei unangenehm aufzufallen.

Garret schien mich gar nicht gehört zu haben. Tief in Gedanken versunken war er ans Fenster getreten und sah auf die inzwischen dunkle Straße hinab, einen abwesenden Ausdruck im Gesicht.

Ich wusste, dass er nichts mehr sagen würde. Eigentlich gab es ja auch nichts zu sagen... dennoch war die Stille lauter, als es tausend Worte gewesen wären.

Leise stand ich erhob ich mich und schlug den Weg zur Tür ein, nur um mich dort wieder umzudrehen. Ich wollte etwas sagen, irgendwas, nur um das schreckliche Schweigen zu durchbrechen, dass so unüblich für uns war. Doch die Wörter erstarben in meiner Kehle, als ich Garrets Reflektion im trüben Glas sah. Eine einzelne Träne rollte seine Wange hinunter, bis er sie unwirsch mit dem Jackenärmel wegwischte.

Re: "Schatten der Vergangenheit"

Kapitel II

Der Regen prasselte unaufhörlichauf mein Autodach, er übertönte sogar die Geräusche, die der altersschwache Motor von sich gab, als ich in die Kurve bog. Nervös beobachtete ich die wie ausgestorben daliegende Straße, aber der zunehmende Nebel verbesserte die Sicht nicht wirklich.. Und dann zusätzlich noch dieser permanente Regen... ich würde niemals pünktlich ankommmen, was ein Blick auf die Uhr dann auch tatsächlich bestätigte. 17.27 Uhr.
Das Meeting war für halb sechs festgesetzt worden. Selbst mit all meinem Wissen um die besten Abkürzungen konnte ich es nicht innerhalb von 3 Minuten bis in die Beacon Street schaffen; sie lag praktisch am anderen Ende der Stadt.

Abwesend sah ich mich um. Ecke Washington Avenue… irgendwo hier in der Nähe musste eigentlich eine dieser neuen Siedlungen sein, die ständig in Flyern und Prospekten angepriesen wurden. Mehr als einmal hatte ich Besagte aus meiner Post entfernen müssen: Erstens lagen die Wohnungen viel zu weit vom Institut entfernt und zweitens hatte ich einfach nicht das passende Budget für eine solche Investition. Andererseits... es hieß abwarten, was Garret uns mitteilen wollte.

Ich wurde unschön aus meinen Gedanken gerissen, als plötzlich neben mir ein Hupkonzert begann. Leicht erschrocken wandte ich mich um, nur um die wütende Geste eines älteren Mercedesfahrers mitzubekommen, der sich offenbar seiner Vorfahrt beraubt fühlte. Ich ging vom Gas und erwiderte den Autofahrergruß erbost. War es etwa meine Schuld, wenn er vor lauter Glückseligkeit über das offensichtlich neue Auto nicht auf seine Umgebung achten konnte?

Aber wenigstens hatte der kleine Zwischenfall dafür gesorgt, dass meine ungeteilte Aufmerksamkeit wieder der Straße galt.



„Nun sieh mal einer an.“ Nigels belustigtes Kommentar war gerade so laut gewesen, dass alle anderen es gehört hatten. Promt flogen sämtliche Köpfe herum und musterten mich von oben bis unten, wie ich da tropfnass und nicht in allzu guter Stimmung im Türrahmen stand, das Haar zerzaust vom ungewöhnlich heftigen Wind.

Ich versuchte mich an einem freundlichen und höflichen Lächeln, aber es misslang kläglich. Niemand im Konferenzraum – außer Nigel – hatte auch nur ein Kopfnicken für mich übrig. Etwas kleinlaut angesichts der schweigenden Menge nahm ich auf dem einzigen noch freien Stuhl platz... und kam nicht umhin, mich aus einem undefinierbaren Grund schuldig zu fühlen. Das war ja beinahe wie in der Grundschule hier...

„Nun, wie ich bereits erwähnte, bevor Dr. Cavanaugh uns unterbrach... wir haben uns heute hier so zahlreich versammelt, um eine Ankündigung zu machen, die Sie sicher alle... überwältigen wird.“ Die Augen des Redners schweiften dabei gehässig durch den Raum, und nun musste ich feststellen, das es tatsächlich gar nicht so viele Leute waren, wie ich anfangs dachte. Vielleicht 15, oder 20. Dann betrachtete ich den hochgewachsenen Mann auf dem provisorischen Pult genauer, aber ich konnte ihn überhaupt nicht einordnen. Dennoch kam mir etwas an ihm bekannt vor, und die Tatsache, dass er meinen Namen so genau wusste, ärgerte mich, da ich nicht die geringste Ahnung hatte, wer er war.

Langsam verschwand meine so untypische Unsicherheit wieder, und mit wachsender Neugier nahm ich meine Kollegen in Augenschein.

Nigel schien absolut zufrieden mit sich zu sein; das Grinsen auf seinem Gesicht war wie festgewachsen. Lily und Bug saßen nebeneinander und tuschelten leise über etwas, während Garret kerzengerade am langen Ende des Tisches saß und den Blick starr nah vorne gerichtet hatte. Er schien überhaupt keine Notiz von mir zu nehmen, wie er es auch schon in den letzten drei Tagen gemacht hatte. Zugegebenermaßen hatte er es nicht allzu schwer gehabt... seit dem verunglückten Gespräch in seinem Büro hatte ich mein Möglichstes getan, um ihm aus dem Weg zu gehen; ich wollte mir nicht die Predigt anhören, die zweifellos noch ausstand. Ich konnte es förmlich vor meinem inneren Auge sehen: Jordan, nehmen Sie doch Vernunft an. Sie können nicht einfach so verschwinden, ohne groß darüber nachzudenken. Haben Sie denn auch nur ansatzweise so etwas wie einen Plan?

Trotz des Themas musste ich ein verstohlenes Kichern unterdrücken. Wiedermal typisch Garret, so zu denken. Und typisch Jordan, so zu handeln.

Diesmal widerstand ich dem Versuch, Schuld und Mitschuld zu verteilen, mit all meiner Willensstärke.
Ich versuchte mich wieder auf die ölige Stimme zu konzentrieren, die gerade eine kurze, langweillige Rede beendet hatte, in der hauptsächlich Wörter wie "Innovative Methoden" und "Fortschritt" vorgekommen waren.
„Ich möchte hiermit den neuen Leiter der Gerichtsmedizin, Dr. Krump, herzlichst Willkommen heißen.“
Der Tumult, der auf diese Worte folgte, war ohrenbetäubend. Aber ich hörte ihn nicht.

Tut mir Leid, dass es so kurz ist, aber ich wollte es noch vor dem Wochenende fertig bekommen. Dienstag geht's dann aber weiter...




Re: "Schatten der Vergangenheit"

Das ist ein sehr schöner Anfang! Zwei sehr schöne Kapitel. Mit einem sehr flotten, runden und weichen Erzählstiel. Ich wollte eigentlich nur mal schnell reinlesen, ob die Story inhaltlich in meine Richtung geht, aber ich konnte dann erst aufhören, als da kursiv ein "tut mir Leid" stand

Auf jeden Fall freue ich mich auf mehr.

Und du hast eine sehr schöne Garret-Studie gemacht. Aber auch Jordans Ich-Perspektive gefällt mir gut... also weiter so.

Nur eines.. könntest du im Post von Kapitel I so einen kleinen Header trüber setzen wie wir? Damit man gleich sieht Autor, geplante Teile, Altersfreigabe, INhalt, Spoilerwarnung..... Das wäre lieb.

Re: "Schatten der Vergangenheit"

Oh, danke *freu*

Das ist eigentlich meine erste FF, also freut mich dein Lob doppelt

Den Header habe ich noch eingefügt, ich hoffe jetzt stimmt alles.

Danke nochmal!

.::Emma::.




Re: "Schatten der Vergangenheit"

Ja, also wo kommt dieser Dr. Krump denn jetzt her? Passt mir ja so gar nicht, dass nach Slokum noch zu ein Idiot kommt, der versucht, Garret den Platz streitig zu machen ... ich hoffe mal, dass Jordan es genauso schafft, den Kerl in die Flucht zu schlagen, wie es bei Slokum geklappt hat.
Wieder ein schönes Kapitel. Schön flüssig und locker leicht geschrieben. Wirklich gut. Und nebenbei: Ich glaube Dir das mit der ersten FF immer noch nicht

Re: "Schatten der Vergangenheit"

Kapitel III

Anmerkung: Aufgrund akuten Zeitmangels nicht betagelesen... jeder ist gerne willkommen, diesen Job in Zukunft zu übernehmen

Ich wusste nicht mehr wie, aber irgendwie war ich schließlich in mein Büro gekommen. Als ich dann endlich etwas anderes wahrnahm als das rhythmische Verräter, Verräter, Verräter in meinem Kopf, fand ich mich auf Augenhöhe mit Nigel. Er kniete vor mir, einen sehr besorgten Ausdruck in dunklen, plötzlich sehr ernsten Augen.

„Jordan...“ Ich konnte ihn einfach nicht ansehen. Wie hatte Garret das zulassen können? Und dann auch noch so ein Wichtigtuer... irgendetwas musste schief gelaufen sein in den letzten Wochen, und ich hatte es nur nicht mitbekommen. Es musste einen anderen Grund haben – es konnte doch keine Absicht gewesen sein. Oder?
Erst als Nigel begann, mit einem Taschentuch vorsichtig meine Wangen zu trocknen wurde mir klar, dass ich weinte.
„Jordan, es hätte niemand vorhersehen können, auch du nicht... hey, sie mich an.“ Ich hatte mich wieder von ihm weggedreht. Lieber, guter, toller Nigel... er wusste fast immer ganz genau, was in mir vorging. Aber jetzt sollte er es nicht wissen, denn dass war eine Sache zwischen mir und Garret. Und zwar nur zwischen mir und Garret.
Entschlossen wischte ich mir nun selbst über die Augen und stand von der Couch auf, wenngleich auch mit einem schlechten Gewissen. Nigel konnte doch nichts dafür. Unwillkürlich beugte ich mich zu ihm herab und umarmte ihn kurz.

„Danke.“

Ehe er protestieren konnte, war ich schon zur Tür hinaus und den Korridor hinunter. Ich ging beinahe gezwungen langsam, aber meine Gedanken rasten geradezu.
Was hatte Garret damit bezwecken wollen? Irgendetwas stimmte doch hier nicht. Was fiel ihm denn überhaupt ein, nur einfach so dazusitzen und zuzuschauen, während dieser Dr. Krump die Führung übernahm? Früher hätte er doch alles in seiner Macht stehende getan, um genau das zu verhindern.
Die Bürotür war verschlossen, aber ich hörte leise Musik spielen. Nicht die üblichen Jazztöne, sondern etwas anderes, ungewohntes. Die Hitparade im Radio. Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass er so etwas wie ein Radio überhaupt besaß. Und seit wann hörte er so etwas überhaupt?
Ich klopfte, und ich denke das war es, das ihn die Türe öffnen lies. Ich klopfte sonst nie.

„Überraschung...“
„Nein, nicht wirklich.“ Er sah mich lange an, dann trat er beiseite und winkte mich herein.
„Also, was genau erwarten Sie jetzt von mir?“ Diesmal bot er mir keinen Drink an... dann würde dieses Gespräch wohl nicht allzu lang werden.
„Das wissen Sie doch, Garret. Die Wahrheit. Warum haben Sie nichts unternommen?“
Er ließ sich umständlich auf seinem Ledersessel nieder, blickte mich kurz an und holte dann ein Blatt Papier aus einer der Schreibtischschubladen hervor, das er mir reichte. Zwar konnte ich den Verdacht nicht unterdrücken, dass er vom Thema anlenken wollte; dennoch las ich den handgeschriebenen Brief durch und musste tatsächlich schmunzeln.
„Ich dachte, sie hätten seit Monaten keinen Kontakt mehr mit ihr gehabt?“
„Maggie und ich hatten... Probleme.“
„Und jetzt haben Sie keine mehr? Ach kommen Sie, Garret.“
„Wir haben daran gearbeitet. Und deshalb dachte ich, dass Sie geradezu perfekt dafür geeignet wären.“
„Wie bitte?“
Zum zweiten Mal innerhalb eines Monats hatte er dafür gesorgt, dass ich sprachlos war. Wie schaffte er das immer nur?
„Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.“
„Nein, jetzt nicht mehr. Dr. Trump war der gleichen Meinung und bot an, kurzfristig auszuhelfen. Nächste Woche war’s das.“

Ich hatte meine Sprache noch immer nicht wiedergefunden und schon kam der nächste Schock. Also hatte Garret allen Ernstes mich als Nachfolger auserkoren. Er hatte mich letzte Woche fragen wollen und ich hatte ihm meine Kündigung unter die Nase gehalten... autsch. Das zeigte wieder mal, wie schlecht mein Timing wirklich war. Aber das er so mit mir gerechnet hatte, dass er schon seine Kündigung fertig gemacht und abgeschickt hatte, war einfach... unglaublich. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Und vor allem, was hatte er damit bezwecken wollen?
„Dr. Krump,“ korrigierte ich abwesend.
Als Garret mich fragend ansah, setzte ich zu einer Erklärung an, ließ es dann jedoch bleiben. Es war nicht wirklich wichtig, jetzt wegen so etwas Banalem wie einem Namen zu diskutieren...
„Garret...“ Ich hatte keine Ahnung, was ich eigentlich sagen wollte. Hauptsache, wir kamen bald auf den Punkt.
„Jordan... ?“ Ich stöhnte innerlich.

Es war einfach nur frustrierend, wie wir uns im Kreis drehten, immer wieder am selben Punkt ankamen und uns dann festfuhren. Ich wollte etwas sagen, er wollte sicher auch etwas sagen – sich verteidigen vielleicht. Aber trotzdem schafften wir es einfach nicht, dem Ganzen eine entscheidende Wendung zu geben, zum Beispiel so etwas wie einen richtigen Grund für seine Resignation auszuarbeiten. Wollte ich das denn überhaupt, so richtig den Grund dafür wissen? Fakt war, ich wusste es nicht. Howard würde vermutlich so etwas sagen wie:
Im Grunde genommen wissen wir doch alle ganz genau, was wir wollen. Wir haben nur Angst davor, es laut auszusprechen, aus Gründen, die uns oft vollkommen bizarr erscheinen.
Nur hier passte diese nette, gängige Regel nicht.
Ich hatte keine Angst, hier irgendetwas laut auszusprechen, ich wusste doch eigentlich alles, was wichtig war. Und trotzdem blieb da dieses nagende Gefühl, etwas übersehen zu haben. Ich wusste nicht was.
Mein Problem war, dass ich nicht wusste, ob ich den wahren Grund für sein Verhalten wissen wollte oder nicht.



Lu: I’m not trying to avoid anything.

Re: "Schatten der Vergangenheit"

Ach das ist ja ein fieses Kapitel Da bekommt man eine Antwort auf Garrets Verhalten aus Kapitel 1 aber dafür gleich tausend Fragen dazu... was ist mit Maggie, dem Brief, der KÜndigung.... argh... schreib bitte schnell weiter.....

Re: "Schatten der Vergangenheit"

Tja, also ... was soll ich sagen? Auch nach dem zweiten Lesen bin und bleibe ich verwirrt
Natürlich freue ich mich sehr über die Erwähnung von Maggie, aber aus welchen Gründen sie auftaucht und was das mit Garret und dieser ganzen Sache zu tun hat, weiß ich noch nicht.
Du machst es aber verdammt spannend und von daher hoffe ich, dass es bald weitergeht und ein paar Antworten gibt. Aber nicht so wie bei Lost, wo man eine Antwort bekommt und zehn neue Fragen als Gratisbeilage dazu

Re: "Schatten der Vergangenheit"

Oh, dann wird es dich aber nicht freuen zu hören, dass noch mindestens zehn Kapitel geplant sind...
Was die Antworten betrifft, könnte es auch noch ein bisschen dauern. Ich hab zwar schon eine ziemlich genaue Idee, wo ich mit dieser Story hinwill, aber es werden mit Sicherheit noch einige Fragen dazukommen, gerade weil alles so verstrickt ist. Reine Absicht
Und Maggie... ich wusste gar nicht, dass ihr alle so große Fans von ihr seid. Eigentlich sollte keine wirkliche Schlüsselfigur sein, nur durch diesen "Brief" erwähnt werden... aber wie's aussieht, sollte ich ihr wohl schon etwas mehr Bedeutung beimessen.


.::Emma::.

PS: Das nächste Kapitel ist tatsächlich schon fast fertig, also wird's entweder morgen oder übermorgen da sein.



Lu: I’m not trying to avoid anything.

Re: "Schatten der Vergangenheit"

Na zumindest so viel, dass wir eine Erklärung für den Brief bekommen

Ach und wusstest du nicht? *gg* Wo wir sie doch extra groß im Spiel haben

Re: "Schatten der Vergangenheit"

Ach und wusstest du nicht? *gg* Wo wir sie doch extra groß im Spiel haben ;)

Eben. Maggie for President ... öhm, ich meine, ich mag sie wirklich und hoffe noch auf ein paar Auftritte in Deiner Story und in der Serie

Re: "Schatten der Vergangenheit"

Endlich hab ich die Zeit gefunden, das hier zu posten
Sorry (mal wieder :() für die lange Wartezeit. War ja schon seit Tagen fertig...


IV

Ich war nicht gerade der Liebling der Prediger in der Sonntagsschule. Trotzdem brachte Dad mich noch fast ein Jahr nach Mums Tod hin, bis er wohl einsah, wie wenig das ganze Theater um Gott seine Tochter beeinflusste. Oder er hatte es einfach nur satt, stundenlang mit mir diskutieren zu müssen, was ich denn nun zum Unterricht anziehen durfte... irgendwie klang beides plausibel.

Aber als ich dann endlich das Wochenende für andere Dinge nutzen konnte, tat ich das auch – ausgiebig.
Ich traf mich mit Freunden auf Partys, rauchte heimlich hinter der Schule und ging mit unzähligen Typen aus, von denen ich damals dachte, dass sie cool wären. Wohlgemerkt, da war ich zwölf. Mit den Kindern, die in meiner Straße wohnten, wollte ich nichts zu tun haben, weil ich ihre Spiele kindisch fand. Aber Dad war der Meinung, dass ich versuchen sollte, besser mit ihnen klarzukommen. Natürlich kam er nie auf die Idee, dass das eigentlich meine Schuld war und ich die Nachbarskinder einfach nur „babymäßig“ fand – er meinte, ich sei einfach nur zu reif für mein Alter und das fänden die anderen halt nicht so toll.
Klar, er wusste nichts von meinen coolen neuen Freunden, den Partys oder den Drogen.
Er sah bloß seine kleine, einsame Tochter, die keinen zum Spielen hatte. Also schritt er zur Tat: Er organisierte – was ich echt seltsam fand, weil er sich sonst kaum sozial engagierte – ein Straßenfest, komplett mit Hüpfburg und Grillstand.

Ich war nicht sonderlich begeistert, als ich dann auch noch kurzerhand dazu abkommandiert wurde, an dem Tag auf die kleineren Kinder aufzupassen. Aber ich war mit eine der Ältesten und Dad erzählte allen, wie vernünftig ich doch schon sei... da konnte ich schlecht nein sagen.
Alles lief ganz prima, bis Maya, eine 4jährige aus dem Haus gegenüber von uns, anfing zu weinen. Sie war alleine auf der Hüpfburg gewesen und dann beim Ausgang hinuntergefallen, sodass sie sich das Knie aufgeschrammt hatte.

Die Erwachsenen beachteten sie gar nicht, also ging ich zu Maya hin, um sie zu trösten. Aber sie wollte einfach nicht aufhören zu weinen, und deswegen nahm ich sie auf den Arm und lief mit ihr in unsere Wohnung, um ein Biene – Maja – Pflaster zu holen.
Drinnen war es ziemlich heiß, es war ja August. Daher setzte ich Maya aufs Sofa und gab ihr ein Glas Soda aus dem Kühlschrank zu trinken, ehe ich das Comic – Pflaster holte und es ihr aufs Knie drückte. Sie war ganz still geworden und schien gar nicht mehr ans Weinen zu denken – im Gegenteil. Als ich ihr meine alte Plüschtiersammlung zeigte, lachte sie sogar ein bisschen.

Also nahm ich sie an die Hand und ging mit ihr wieder nach draußen.
Wir waren kaum aus der Tür, als sie plötzlich wie angewurzelt stehen blieb. Ich fragte sie was los war, aber sie fing einfach an zu schwanken und wäre wohl umgekippt, wenn ich sie nicht aufgefangen hätte. Sie wollte etwas sagen, aber es ging nicht... es sah aus, als würde sie keine Luft mehr bekommen. Ihre Lippen liefen blau an, und jetzt merkte ich erst, wie sehr sie zitterte. Zum Glück waren einige der Erwachsenen auf uns aufmerksam geworden und eilten herbei... jemand schien sogar schon einen Krankenwagen gerufen zu haben. In der Ferne hörte ich bereits die Sirenen.

Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Mayas Mutter auf mich zurannte, ihr Gesicht vor Wut verzerrt.
Aber ehe sie noch etwas sagen konnte, war ich aufgesprungen, nur noch einen einzigen Gedanken im Kopf: Weg hier.
Es war, als hätte mein Gehirn auf Autopilot geschaltet – innerhalb weniger Sekunden war ich bereits auf dem Spielplatz, wo ich mich sonst mit einigen Freunden immer traf. Jetzt war er allerdings wie ausgestorben, und dafür war ich dankbar. Ich ließ mich auf eine der Schaukeln fallen und –
„Miss Cavanaugh?“
Verwirrt blickte ich in das relativ besorgt aussehende Gesicht eines jungen Mannes in weiß. Es dauerte einige Augenblicke ehe mir klar wurde, dass ich so tief in meine Erinnerungen versunken gewesen war, dass ich nicht mitbekommen hatte, wie der Arzt mich angesprochen hatte.
Ich versuchte das blasse Bild von Maya aus meinem Kopf zu verdrängen und konzentrierte mich auf das Hier und Jetzt.
Mit einiger Mühe knipste ich mein bestes 1000-Volt-Strahlen an und nahm die Plakette des Arztes in Augenschein. Jenkins; F. Jenkins.
„Entschuldigen Sie, Doktor. Wo kann ich Mrs. Eleanor denn nun finden?“
„Bewerbungsgespräch, richtig? Der Name kam mir gleich bekannt vor. Sie müssen einfach den Gang runter und dann die letzte Tür links rein. Aber vorher anklopfen,“ grinste er.
„Danke.“
Ich machte mir nicht die Mühe, ihn noch eine weitere Minute mit Smalltalk aufzuhalten, sondern drehte mich um und ging schnurstracks auf die besagte Tür zu.