Gedankenlesen geistiger Hausfriedensbruch bald keine Zukunftsmusik?
Andreas von Rétyi
Lügendetektoren gibt es schon lange. Doch sagen sie uns noch nicht, was ein Mensch denkt glücklicherweise. Unsere Privatsphäre beginnt und endet im Gehirn, doch wie lange sind Gedanken noch frei, wie lange noch privat und für andere unzugänglich?
Der Mensch will es endlich wissen. Er will verstehen, wie er denkt. Und mit zunehmendem Verständnis der innersten Abläufe in den Nervenzellen unseres Gehirns nähern sich Forscher mehr und mehr auch einer uralten Hürde auf dem Weg der Selbsterkenntnis, die allerdings wiederum in einem Dilemma mündet: Denn sobald sich das Denken völlig erschließt und der Mensch auch Wege findet, die Gedanken anderer abzugreifen, zu erkennen und zu lesen, betritt er die Privatgemächer von Geist und Seele. Noch gibt es laut offiziellem Kenntnisstand keinerlei Möglichkeiten, Gehirne in offene Bücher zu verwandeln und gleichsam geistigen Hausfriedensbruch zu begehen. Doch die Wissenschaft befindet sich auf dem besten Weg hierzu. Forscher des Wellcome Trust haben nun mit Hilfe von vier freiwilligen Testpersonen die Reaktionen und Aktivitäten von Neuronen im Hirnbereich des Hippocampus untersucht.
Die in Computerspielen erfahrenen jungen Probanden setzten sich virtuellen Welten aus, während ihre Gehirnaktivität gleichzeitig mit spezialisierten Detektoren überprüft wurde. Vor allem maßen die Forscher dabei Veränderungen des Blutstroms innerhalb des Gehirns, um die Zellaktivitäten zu verfolgen. Sämtliche Daten wurden im Computer analysiert. Die Testpersonen bewegten sich durch die virtuelle Welt, wobei die Messdaten spezielle Muster aufzeigten, anhand derer sich eindeutig ermitteln ließ, was die Personen hinsichtlich ihrer momentanen Positionen im Spiel dachten. Mit anderen Worten: Die Wissenschaftler konnten aus den Gehirndaten exakt ableiten, wo sich die Probanden gerade innerhalb ihrer virtuellen Welt aufhielten. Damit wurde ein klarer Einblick in ihr räumliches Denken möglich.
Durch die Analyse von Zehntausenden von Nervenzellen muss sich eine funktionale Struktur ergeben, die zeigt, wie diese Gedächtnisinhalte codiert werden. Die an der Studie beteiligte Wissenschaftlerin Professor Eleanor Maguire betonte aber, dass die Aussichten darauf, tatsächlich auch die intimsten Gedanken eines Menschen zu lesen, noch in weiter Ferne lägen. Die Probanden hätten die Prüfer durchaus auch täuschen können »Es wäre ein Leichtes gewesen, nicht zu kooperieren, und dann hätte das alles nicht funktioniert«, so meint auch Demis Haguire, der als glänzender Software-Entwickler und ehemaliges Schach-Wunderkind das Computer-Programm zum Auslesen der Daten austüftelte.
Die neue Technologie, die trotz ihres Pioniercharakters oder gerade deshalb beängstigende Züge trägt, soll allerdings in ihrer Vervollkommnung nicht vorrangig zum Ausspionieren intimer Gedanken oder sinistrer Absichten eingesetzt werden, sondern auch helfen, Krankheiten wie Alzheimer besser zu verstehen und behandeln zu können, jene degenerativen Gedächtnis-Erkrankung, die ganz wesentlich den Hippocampus als Ort betrifft, an dem Erinnerungen erzeugt werden. Die Frage dabei ist unter anderem, welche Arten von Nervenzellen besonders von Alzheimer betroffen werden. Doch klar ist, dass die positiven Aspekte solcher Forschungen auch ihre dunklen Seiten haben werden, ja geradezu zwangsläufig haben müssen. Militär und Geheimdienste sind schon lange an genau dieser besonderen Option interessiert. Hier wird sich niemand die Aussicht auf einen glasklaren Einblick ins Gehirn entgehen lassen!
Die größten Geheimnisse der Erde durften keine »Papierspur« hinterlassen, keinen »Papertrail«. Schon alte Einweihungslehren wurden von Priestern niemals schriftlich tradiert. Sie blieben einzig in den Köpfen der Auguren selbst verschlossen. Später verhielt es sich genauso mit zahlreichen, äußerst geheimen militärischen Informationen und anderem Wissen, das nur einem sehr kleinen Kreis zugänglich sein durfte. Schweigen bis in den Tod war die Vorgabe, die Geheimnisse durften um keinen Preis und unter keinen Umständen verraten werden. Wer sich daran hielt, blieb gegen äußere Attacken standhafter als jeder Panzerschrank und verlässlicher als mancher Geheimcode. Doch sobald die Wissenschaft den Weg gefunden haben wird, jeden geistigen Widerstand zu brechen und den unermesslichen Informationsspeicher auszulesen, den jeder Mensch in seinem Gehirn birgt, ist eine der letzten großen Barrieren überwunden mit dem Ergebnis äußerster Freiheitsberaubung, der Preisgabe intimster Sphären und einer explosiven Informationsflut. Die Konsequenzen wären kaum abzusehen, vor allem auch, weil die Mittel und Möglichkeiten hierzu mit absoluter Gewissheit nur einer sehr kleinen, aber mächtigen Gruppe von Menschen zugänglich wären.
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"Immer weigere ich mich, irgendetwas deswegen
für wahr zu halten,
weil Sachverständige es lehren, oder auch,
weil alle es annehmen.
Jede Erkenntnis muss ich mir selbst erarbeiten.
Alles muß ich neu durchdenken, von Grund auf,
ohne Vorurteile."
Albert Einstein (1879-1955)