Regionalgeld
Regionalgeld
Fixe Idee oder echte Alternative zur Globalisierung?
Autor: Mirko Tomic
Die meisten Verbraucher haben sich mehr oder weniger mühsam an den Euro gewöhnt, da gibt es in manchen Regionen plötzlich eine ganz neue Währung: so genanntes Regionalgeld. Es ist nicht offiziell von der Bundesbank oder der EZB herausgegeben, sondern von den Bürgern selbst.
Das Ziel: die lokale Wirtschaft im Kampf mit der Globalisierung zu unterstützen.
Was steckt dahinter?
Schlechte Zeiten
Die Wirtschaftslage war schon mal besser. Im Kampf um Arbeitsplätze und Löhne fallen den wenigsten soziale Lösungen ein. Man soll kürzen und sparen, heißt es lapidar. Dem Volk wird angst und bange. Manager und Politiker zucken meist mit den Schultern. Aber weder das eine noch das andere hilft - vielleicht aber Eigeninitiative und eine gute Idee? [plusminus hat ein Projekt am Chiemsee gefunden, das Hoffnung macht.
Kein Falschgeld
Tief im Süden der Republik ist zumindest die Urlaubswelt noch in Ordnung. Am Chiemsee herrscht beschauliche Ruhe. Die Menschen leben in dem Gottvertrauen, dass alles den rechten Weg nimmt. Aber die gottgefällige Ruhe wird seit einiger Zeit ein wenig gestört. Merkwürdige Scheine wechseln den Besitzer. Eine neue Ordnung zieht scheinbar auf. In einer Schule im 10.000 Seelen Örtchen Prien findet sich die Quelle der neuen Scheine. Sozusagen in Heimarbeit wird hier seit 2003 der "Chiemgauer" gedruckt. Geboren aus einem Oberstufenklassen-Schulprojekt zum besseren Verständnis von Wirtschaftskreisläufen. Für Christian Gelleri, Lehrer und Projektgründer ist der "Chiemgauer" inzwischen eine Regionalwährung zum Vorteil für alle Beteiligten.
Was sagt der Einzelhandel dazu?
Bisher haben sich rund 180 Geschäfte im gesamten Chiemgau dem Projekt angeschlossen. Ladenbesitzerin Maria Würmser betreibt ein Schuhgeschäft und bestätigt: "Ich habe keine schlechten Erfahrungen gemacht. Ich habe dadurch etliche Neukunden gewonnen."
Und die Regionalwährung funktioniert. Vom Schuhgeschäft über Hotel und Gaststätte bis zum Lebensmittelladen sind die Kaufleute dabei, einen regionalen Waren- und Geldkreislauf aufzubauen. Eva Kohlmannsberger betreibt einen Supermarkt mit überwiegend regionalen Produkten. Auch für sie funktioniert der "Chiemgauer": "Ich habe einige Zulieferer, die ich mit dem "Chiemgauer" bezahlen kann, oder zumindest einen Teil der Rechnung, die ich mit "Chiemgauer" zahle. Oder ich nehme ihn privat. Ich mache eine Privatentnahme aus meinem Geschäft und gehe damit in andere Geschäfte einkaufen."
Kreislaufwirtschaft
Circa 20.000 "Chiemgauer" sind in Umlauf. Das Prinzip ist der Kreislauf. Die Schüler betreuen ihren Chiemgauer wie eine Zentral-Bank. Die Kunden tauschen als Mitglieder im Bankverein Chiemgauer in beliebiger Menge eins zu eins gegen Euro. Eingekauft wird bei teilnehmenden Geschäften, deren Inhaber wiederum selbst mit "Chiemgauern" einkaufen. Wer statt einzukaufen direkt zurücktauscht muss eine fünfprozentige Abschlagsgebühr entrichten. So bleibt das Geld im Kreislauf - und nützt zum Beispiel der heimischen Käserei Huber in Frasdorf. Seit Einführung des "Chiemgauers" stieg der Umsatz und zwei neue Arbeitsplätze konnten geschaffen werden.
Auch Ökonom Prof. Ulrich Scheiper, von der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt kann dem "Chiemgauer" durchaus Vorteile abgewinnen: "Die Verfechter dieses Systems wollen den Euro nicht abschaffen. Das wäre auch unsinnig, weil wir in einer globalisierten Welt leben. Aber das Entscheidende ist, dass der Euro, wenn sie so wollen, Weltgeld ist und keine Rücksicht nimmt auf regionale Besonderheiten, und auch nicht auf das Allgemeinwohl in der Region. Das kann er auch nicht, und deshalb brauchen wir eine Alternative dazu. Und die sehe ich durchaus in den Komplementärwährungen."
Wie eine regionale Kundenkarte
Das anfangs als Schülerübung belächelte Projekt mausert sich. Über 300 Mitglieder hat der Verein heute. 180.000 Euro Umsatz werden dieses Jahr wohl erreicht. Und Stundenlöhne zwischen zwei und vier Euro für die Mitarbeiter werden auch schon gezahlt. Tendenz und Aussicht: gut.
Prof. Ulrich Scheiper wundert das nicht: Es ist ein Bonussystem. Letztlich ist das Regiogeld auch nichts anderes als die Kundenkarte, die anfangs vielleicht auch belächelt wurde und die heute durch "payback" und "miles & more" deutschlandweit Verbreitung findet."
Ist die Globalisierung aufzuhalten?
Discounter und Filialbetriebe fühlen sich aber auch im Chiemgau nicht regional verbunden. Sie wollen kassieren - möglichst ohne Konkurrenz und ohne "Chiemgauer". Und genau dieses Problem behindert die Wirtschaftsentwicklung meint Prof. Ulrich Scheiper von der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt: "Wir haben fast keinen Platz mehr, um Wirtschaftskreisläufe in einer Region zu realisieren, und damit machen sich Volkswirtschaften und auch Regionalwirtschaften abhängig vom Weltmarktgeschehen. Das ist sozusagen die Gegenbewegung. Wir wollen einen geschlossenen Wirtschaftskreislauf in einer Region realisieren, der uns mit so genannten primären Gütern versorgt. Das sind Nahrungsmittel, das ist das Handwerk, das sind Dienstleistungen und die Energieversorgung. Regionale Energieversorgung ist ein großes Zukunfthema."
Die Schüler aus Prien machen derweil unverdrossen weiter. Die Gründungsgeneration hat sich zurückgezogen, macht Abitur. Der Nachwuchs muss jetzt das Projekt am Laufen halten. Schließlich ist der Chiemgauer ein Produkt, dass beworben und unter die Leute gebracht werden will. Zur Zeit kommt fast jeden Tag ein neuer Laden hinzu, und Nachahmer finden sich bereits in ganz Deutschland.
PS: Wäre sehr schön, doch die sind mehr im Aug e, der Machthaber als Sie ahnen! Bei diessem Projekt, hätte man v. Beginn an überregional mitwirken sollen.
LG. Pegus
P,.:`#.:,,S