Dilla´s & Eva´s grenzwissenschaftl. & polit. Forum - Na 2003 bis 2008

Störerin des "Schulfriedens"

Störerin des "Schulfriedens"

Nach ihrer Kritik am bayerischen Schulsystem wird eine Grundschullehrerin abgestraft. Ihr wurde vorgeworfen, Schüler zu gut zu benoten.

Unmittelbar nachdem sie sich kritisch über die Benotungspraxis im bayerischen Schulsystem geäußert hat, ist die Grundschullehrerin Sabine Czerny von ihrer Schule in München-Germering versetzt worden. Am letzten Schultag, also zwei Tage nach Erscheinen eines Artikels in der taz (Ausgabe vom 30. Juli), wurde ihr der blaue Brief überreicht. Kernbotschaft: Sie habe ab sofort in einer bestimmten anderen Grundschule desselben Landkreises zu unterrichten.

Die für die Versetzung verantwortliche Schulrätin Henriette Lemnitzer will sich mit Rücksicht auf das Gebot der Amtsverschwiegenheit dazu nicht äußern, bestreitet jedoch, dass es darum gegangen sei, "jemanden zu bestrafen". Manche Dinge müsse man allerdings tun, auch wenn sie unangenehm seien -- "zum Wohle aller".

Sabine Czerny hat freilich den Eindruck, dass es weder um ihr Wohl ging, noch um das der Kinder, die sie nach intern bekundeter Einschätzung von Schulleitung und Schulamt - gemessen an den Noten - zu erfolgreich unterrichtet hat. Statt zu fragen, mit welchen Methoden sie es geschafft habe, dass 91 Prozent der Kinder aus ihrer vierten Klasse auf Realschule und Gymnasium wechseln durften, sagt die Lehrerin, habe ihr das Schulamt nun vorgeworfen, "den Schulfrieden nachhaltig gestört zu haben". Keine gute Empfehlung für ihren ersten Arbeitstag in neuem Umfeld.

Nicht erst seit der Veröffentlichung des Falls vor einer Woche hatte die 36 Jahre alte Pädagogin, die seit über zehn Jahren unterrichtet, derartige Vorwürfe zu hören bekommen, sondern schon zu Beginn des Jahres. Da hatten ihre Kinder in mehreren klassenübergreifenden, vergleichenden Arbeiten Einser-Notenschnitte erzielt. Czerny hatte sich durch die Schulleiterin genötigt gesehen, die Notenschnitte der Gauß'schen Normalverteilung anzupassen -- damit etwa gleich wenige Kinder aus allen drei vierten Klassen auf höhere Schulen wechseln würden. Ähnliches war ihr an ihrer Vorgängerschule widerfahren. Der damals zuständige Schulrat hatte sie explizit aufgefordert, das Niveau dem der Parallelklassen anzupassen.

Das Bayerische Kultusministerium bezieht zu diesen Vorgängen keine Stellung, solange sie nicht den offiziellen Charakter eines „Dienstvorganges“ haben, wie ein Sprecher mitteilte. Es gebe von Seiten des Ministeriums keine Aufforderung, bessere oder schlechtere Noten zu erteilen. Ganz allgemein fordere das Ministerium dazu auf, dass „vergleichbare Leistungen auch vergleichbar bewertet werden.“

Die Schulleitung der aktuellen Schule im Westen von München verwahrte sich in einer unveröffentlicht gebliebenen Presseerklärung im Namen der Kolleginnen und Kollegen gegen Czernys "böswillige Unterstellungen". Mitglieder des Kollegiums dementieren jedoch auf Nachfrage nachdrücklich, dass sich die Schulleitung auf sie berufen könne. Der Brief sei lediglich vom Konrektor und drei weiteren KollegInnen verfasst und nicht mit den restlichen etwa 20 LehrerInnen abgesprochen worden.

Sabine Czerny hat einer Lehrkraft zufolge nicht den Schulfrieden gestört und KollegInnen schlecht gemacht, wie manche in Unkenntnis des wahren Sachverhaltes ihr vorwarfen, sondern habe im Gegenteil auf systembedingte Probleme aufmerksam gemacht, unter denen sehr wohl auch andere an ihrer Schule litten. Dazu gehöre auch der in entwürdigender Form aufgebaute Druck, mäßige Notenschnitte sicherzustellen. Ein anderes Mitglied des Kollegiums versichert, Czerny stets als "sehr kollegial und kompetent" erlebt zu haben, an den Kindern ihrer Klasse habe man deutlich ablesen können, wie gut sie sie erreiche.

In solidarischem und bisweilen sogar bewundernden Ton gehalten waren auch die meisten der vielen öffentlichen Reaktionen auf Sabine Czernys offene Klage über die Zwänge eines selektiven Schulsystems, das schon ab der zweiten Jahrgangsstufe auf Noten fixiert ist und Lehrer dazu zwingt, Versager zu produzieren. Einige Leser aus dem Bildungsbereich baten Czerny sogar um eine Zusammenarbeit.

Die Eltern ihrer ehemaligen vierten Klasse wollen sich derweil in einem offenen Brief geschlossen an das Schulamt, den bayerischen Kultusminister Siegfried Schneider sowie Bundes-Bildungsministerin Annette Schavan wenden, um auf die grundsätzlichen Missstände aufmerksam zu machen. Darin heißt es unter anderem: "Wir Eltern haben mit Staunen wahrgenommen, wie sich unter der Arbeit von Frau Czerny das Arbeitsverhalten unserer Kinder verbessert hat: Sie lernen gerne, sie wollen wissen und entdecken und sind mit Feuereifer bei der Sache."

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Was eben nicht sein darf, darf nciht sein. Wo gibt es denn so was *lacht und kopfschüttelt*
Es darf keien guten Lehrer geben, wo kommen wir denn dahin, wenn sie den Kindern gutes Lernverhalten beibringen? Niemand darf gerne zur Schule gehen! und schon gar nicht gleich in einem Haufen!

Eigentlich nicht zum Lachen.

LG
Lilu



"Immer weigere ich mich, irgendetwas deswegen
für wahr zu halten,
weil Sachverständige es lehren, oder auch,
weil alle es annehmen.

Jede Erkenntnis muss ich mir selbst erarbeiten.
Alles muß ich neu durchdenken, von Grund auf,
ohne Vorurteile."

Albert Einstein (1879-1955)

Re: Störerin des "Schulfriedens"

Hallo Lilu,

obwohl in Bayern lebend habe ich davon noch gar nichts mitbekommen. Das ist wirklich das Letzte. In Polittalkshows wird gerne 'rumgemeckert, dass wir mehr Bildung brauchen, bessere Lehrer usw. und wenn dann eine Lehrerin diesen Anforderungen entspricht wird sie gemobbt. Jedenfalls zeigt dieses Beispiel ziemlich klar auf, wie ernst seitens der Politik dieses "Bildungsgeschwafel" wirklich gemeint ist.

Liebe Grüße,
Eva

Wenn die Macht der Liebe die Liebe zur Macht übersteigt, erst dann wird die Welt endlich wissen, was Frieden heisst. (Jimi Hendrix, Musiker, (1942-1970))
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Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluß vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, daß man Geld nicht essen kann. (Weisheit der Cree-Indianer)