Gigantische Gen-Datenbank unter Kritik
Andreas von Rétyi
Sie wächst und wächst eine riesige Gendatenbank in Großbritannien wird immer größer. Gegenwärtig umfasst sie 4,5 Millionen »genetische Fingerabdrücke«. Sie archiviert die individuellen genetischen Daten inhaftierter Personen, um unter anderem Wiederholungstäter ohne weiteres identifizieren und dingfest machen zu können. Das Problem: Jene Datenbank umfasst mittlerweile auch die Profile unschuldiger Menschen deren Zahl geht in die Hunderttausende. Grund genug für scharfe Kritik.
Stellen Sie sich vor, wie eines unschönen Tages plötzlich einige Beamte bei Ihnen auftauchen und Ihnen einen Haftbefehl vorlegen. Nur warum? Sie sind sich nicht der geringsten Schuld bewusst und haben vielleicht nicht einmal im Parkverbot gestanden. Außerdem wohl kaum ein Grund, gleich ins Gefängnis zu wandern. Und doch, hier steht es schwarz auf weiß. Von einem Moment auf den anderen finden Sie sich in den Gesetzesmühlen wieder. Diebstahl, Körperverletzung, Vergewaltigung oder Mordverdacht.
Die Welt bricht zusammen, nichts ist wie zuvor. Sie werden inhaftiert, von ihrem bisherigen Leben bleibt bald nur noch ein Scherbenhaufen übrig die Wohnung ist aufgelöst, die persönliche Habe vernichtet. Nur warum? Sie haben ja nichts Gesetzeswidriges getan. Ganz gleich, ob man Ihnen eine Straftat nachweisen kann oder nicht, nimmt man auf jeden Fall auch ihren genetischen Fingerabdruck ab, nach einem Verfahren, das der britische Wissenschaftler Professor Sir Alec Jeffreys im Jahr 1984 zufällig entdeckt hatte. Ihre Daten werden anschließend in einer Gendatenbank archiviert, um später jederzeit darauf zugreifen zu können. Wenn Sie Glück haben, stellt sich Ihre Unschuld rechtzeitig heraus, sie kommen frei. Doch die Gendaten, die bleiben weiterhin in »Sicherheitsverwahrung«.
Keine Sciencefiction, in Großbritannien vielmehr bereits bittere Realität. Ob lediglich inhaftiert oder auch wirklich verurteilt, das bleibt sich gleich: Auf die Daten kommt es an. 4,5 Millionen Profile sind es mittlerweile, und die Datenbank wächst weiter damit wächst aber auch die Zahl der Einträge völlig unschuldiger Personen. Durch einen solchen Eintrag werden die Betroffenen automatisch klassifiziert und stigmatisiert, sie sind nicht vorbestraft, aber deutlich vorbelastet. Vor allem ethnische Minderheiten und Jugendliche geraten oftmals in dieses Räderwerk, mit allen daraus folgenden Nachteilen, Belastungen und Verlusten.
Das britische Innenministerium erklärt, die Datenbasis nach Europäischen Richtlinien zu reformieren. Doch viel ist davon noch nicht zu spüren. Im vergangenen Jahr kritisierte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jene Archivierung von Profilen unschuldiger Menschen mit scharfen Worten. Solche Informationen aufzubewahren, könne in einer demokratischen Gesellschaft nicht als notwendig erachtet werden. Die Behörden allerdings mahlen auch in Großbritannien langsam. So hat das Innenministerium bislang noch nicht verlautbart, wie es das Problem angehen möchte; die Rede ist lediglich von »Diskussionen zur Konsensbildung«. Das kann dauern. Und die Datenbasis wächst weiter.
Deutliche Kritik übte auch der Erfinder des genetischen Fingerabdrucks selbst. Sir Alex Jeffreys zeigt sich definitiv besorgt über die Entwicklung und beklagt auch die unklare Situation hinsichtlich konkreter Zahlen. Hier ist kaum etwas zu hören. Wie viele Menschen sind denn nun ganz zu unrecht ins Gen-Archiv geraten? »Ich habe hier Zahlen von bis zu 800.000 völlig unschuldigen Leuten in der Datenbank gesehen«, so erklärt Jeffreys und spricht von einer »echten Verletzung der Privatsphäre von Einzelpersonen«. Einigen, allerdings unbestätigten Berichten zufolge beabsichtige das Innenministerium, den europäischen Richtlinien zu folgen, indem die DNA-Proben zwar aufbewahrt, die dazugehörigen Profile der Unschuldigen aber gelöscht würden. Doch besteht das Problem aus zwei Teilen: nämlich den Proben und den persönlichen Kenndaten. Außerdem scheint sich dann die Frage zu stellen: Was bringt ein solches Archiv, wenn die Gendaten keinem Namen zugeordnet werden können? Andersherum betrachtet, kann die Zuordnung später durchaus stattfinden. Wenn nämlich jemand straffällig geworden ist, lässt sich ermitteln, ob bereits Gendaten aufgenommen wurden. Wird der zunächst Unschuldige dadurch dann aber zum Wiederholungstäter? Und was will man überhaupt mit den genetischen Fingerabdrücken einer unschuldigen Person, wenn hier die Wahrscheinlichkeit für eine tatsächliche Straffälligkeit doch nicht überdurchschnittlich hoch ist? Werden die Daten überhaupt je wirklich gelöscht? Niemand kann das überprüfen. Sinn und Zweck des Ganzen scheint eine möglichst weitreichende Sammlung von »Kenndaten« aus der Bevölkerung. Je mehr, desto besser. Und offenbar scheinen hier auch einige Vorurteile gegenüber bestimmten Bevölkerungsschichten auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein, um eine erhöhte Kontrolle über scheinbar »rebellionsanfälligere« Gruppen ausüben zu können. Zumindest wurden solche Sorgen teilweise schon zum Ausdruck gebracht. Und wenn wir an die Entwicklung in den Vereinigten Staaten denken, in denen nicht-lethale Waffentechnologien zur Massenkontrolle sehr klar im Vormarsch sind, scheinen diese Sorgen auch gar nicht mal so abwegig zu sein.
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LG
Lilu
"Immer weigere ich mich, irgendetwas deswegen
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weil alle es annehmen.
Jede Erkenntnis muss ich mir selbst erarbeiten.
Alles muß ich neu durchdenken, von Grund auf,
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Albert Einstein (1879-1955)