Schrifthallen des Pfads der Klinge - Gildenstory

Arcturus Wrathbringer

Arcturus Wrathbringer

In staubigen Rüstungen trabten sie auf ihren Rössern in das kleine Dorf an den Grenzen Lordaerons. Der Ritter an der Spitze des Zugs hob die Hand, woraufhin die Anderen ihre Rösser zum Stillstand brachten. Er zog die Kapuze vom Haupt und ein stolzer Blick in einem harten Gesicht, dessen Züge keine Regung zeigten kam zum Vorschein. Einige knappe Anweisungen, eine genaue Betrachtung der Lage und die kleine Truppe setzte sich wieder in Bewegung Richtung Dorf.

 

Alles hatte ganz gewöhnlich begonnen, eine Patrouille wie jede andere auch. Doch zwei Tage zuvor waren sie auf einen Spähtrupp Orks getroffen, sie waren wieder sehr aktiv in letzter Zeit. Ein kurzes aber heftiges Geplänkel war es gewesen, die Männer würden die Erholung und die kurze Rast in dem Dorf zu schätzen wissen. Arcturus nicht minder, denn er hatte seit Tagen nicht geschlafen. Drei Männer hatte er verloren. Gute Soldaten allesamt, einige waren zu treuen Kameraden geworden in der Zeit, die sie nun gemeinsam in diesem öden Landstrich verbracht hatten. Doch die Meisten seiner Einheit hatten überlebt, dem Licht sei Dank.

Nach einigen Kilometern hatten sie endlich Brachweigh erreicht, eine kleine Siedlung am Rande der verpesteten Wälder. Einst war es eine reiche Holzfällersiedlung gewesen, nun lag es unter dem schweren Joch der Pest, wie seine gesamte Heimat. Bei dem Gedanken wurde ihm schwer ums Herz. Es durfte nicht sein, er musste etwas tun! Es war seine Pflicht und er war entschlossen sie bis zum letzten Atemzug zu erfüllen. Bei diesem Gedanken wurde ihm erneut schwer ums Herz, nicht seiner selbst willen, er musste an jemanden denken, wischte die Erinnerung jedoch sofort wieder beiseite, sie war zu schmerzhaft…

 

All diese Gefühle waren hinter der steinernen Maske seiner Gesichtszüge verborgen, als er an der Spitze seiner tapferen Gefolgsleute in das Dorf einritt. Ruhig war es hier, herrlich ruhig nach den Strapazen der letzten Tage. Wer weiss, vielleicht würde er sogar ein Bad nehmen können, eine Flasche Schnaps auftreiben, irgendeine Art der Zerstreuung finden, die ihn zumindest kurz abzulenken vermochte…

Die Dorfbewohner nahmen die Soldaten seltsam ungerührt wahr. Alle standen sie an die Wände der Häuser gekauert, viele schienen völlig uninteressiert zu sein. Wieder andere hatten Spuren von Schrecken und Schock in ihre Gesichter geschrieben. Etwas war ungewöhnlich…

Als sie auf den Marktplatz trabten stiegen einige der Männer ab um sich mit den Bewohnern zu unterhalten und etwas von den knappen Vorräten, die sie bei sich trugen unter den ausgezehrten Gestalten zu verteilen. Arcturus hielt direkt vor einem älteren Mann und wollte soeben den Mund aufmachen um ihm einige Fragen zu stellen, als es ihn wie ein Blitz traf.

Er schwieg und lauschte, kein einziges Geräusch. Nun dämmerte es ihm! Verflucht, warum hatte er es nicht früher bemerkt? War er zu müde gewesen?

 

Der Paladin öffnete den Mund um hastig Befehle zu brüllen. Zu spät. Über dem Dach eines der höheren Häuser, welche den Dorfplatz säumten, konnte er bereits einen rötlichen Schimmer ausmachen. Rasend schnell durchschnitt der lodernde Feuerball die Stille mit einem gespenstischen Pfeifen und schlug mit ohrenbetäubendem Lärm, der einem Donnergrollen gleichkam, nur wenige Fuß hinter ihm in den Marktplatz ein.

Zwei seiner Männer wurden von ihren Schlachtrössern geschleudert und wälzten sich auf dem Pflasterstein des Platzes um die Flammen zu löschen, die sie ergriffen hatten. Der schwere Geruch von Pech und Schwefel erfüllte die Luft wie ein zäher Schleier der augenblicklich von den panischen Schreien der Dorfbewohner, welche ungeordnet auseinander stoben, geradewegs auf die rettenden Gassen welche vom Marktplatz fortführten zu, zerrissen wurde.

„Verflucht, eine Falle!“

Dachte die staubige Gestalt, während auch schon drei weitere Geschosse die Luft zerrissen und krachend, von einem Feuerregen begleitet, auf das Pflaster schlugen. Nun brüllte er endlich die Befehle. Doch er selbst hörte sie nicht mehr.

Wie taub stieg er von Furor, das Chaos um ihn herum schien völlig vergessen. Seelenruhig nahm er ein kleines Mädchen auf den Arm, welches sich vor Angst an den Brunnen gekauert hatte und hastete nun zu den schützenden Hauswänden an den Rändern des Marktes, während er seinen Zweihänder mit der Linken vom Rücken zerrte. Die Riemen klemmten.

„Zum Teufel damit warum ausgerechnet jetzt?!“

Schon war die Luft in dichten Rauch gehüllt und die überall ausgebrochenen Feuer tauchten die komplette Szenerie in ein unheimliches, rotes Dämmerlicht. Endlich, ein rettender Türbogen. Arcturus setzte das Mädchen vor die verschlossene Türe, legte ihr hastig eine Decke über um sie zu verbergen und lächelte sie an, auf dass sie aufhören würde zu weinen. Es wirkte augenblicklich, sie kauerte sich still unter die Decke. Das Dorf versank weiter in Chaos unter dem Lärm der nun seltener werdenden Einschläge. Hier rannten einige Ritter in Richtung der Gassen, die Waffen blank gezogen, dort verschanzten sich einige Fußsoldaten hinter einem umgekippten Marktkarren. Schräg gegenüber des Platzes stürzte ein Haus unter einem Einschlag zusammen und begrub eine Hand voll Dörfler unter seiner Last. Arcturus hatte andere Sorgen. Um ein Haar hätte ihm eine wuchtige Orkaxt den Schädel gespalten. In letzter Sekunde hatte er seine eigene Klinge zu Parade hochreißen können. Nun trieb er die grüne Bestie, die ihn wie wahnsinnig anbrüllte und auf ihn eindrosch mühsam zurück. Als der Plünderer über eine umgestoßene Kiste Äpfel stolperte und einen Augenblick aus dem Gleichgewicht geriet nutzte er seine Chance und trieb ihm mit aller Kraft das Schwert knapp unterhalb des Brustkorbes in den Leib. Noch ehe der Ork auf dem Boden aufschlug war er tot.

Die Situation war schlimmer als befürchtet. Einige der Späher des letzten Gefechts mussten ihnen entwischt sein, sie hatten den Rest der Plünderer alarmiert… und seinen Trupp geradewegs in einen Hinterhalt gelockt.

Überall um den Paladin herum rannten versprengte Soldaten umher, der Platz war gepflastert von verbrannten Leibern und heißem, klebrigem Pech. Mit einem letzten Blick zurück auf das unter der Decke versteckte Mädchen im Türrahmen begann er zu rennen. Wenn es eine Chance geben sollte musste er den Feldwebel finden… die Männer sammeln… einen Gegenschlag… die Verteidigung der Stadt… nein. Es war aussichtslos. Ein Großteil seiner Leute war bereits unter dem Bombardement der Katapulte gefallen, der Rest irrte durch die Gassen und wurde in diesem Moment abgeschlachtet.

Er rammte sein Schwert einem Ork in den Rücken, welcher sich soeben über einen blutüberströmten, in schwere Rüstung gehüllten Ritter beugte um dessen Leiche nach Beute zu durchsuchen. Arcturus legte seinem Kameraden kurz die Hand auf die Brust, seufzte und schloss dessen leere Augen, die noch immer voller Schmerz in den Himmel starrten.

 

Benommen lief er weiter in Richtung der Barrikaden, welche einige der Soldaten hastig errichtet hatten um dem Ansturm zumindest etwas entgegenzusetzen.

Verdutzt blickte er an sich herunter und zog die Augenbrauen zusammen. Ihm wurde warm, seltsam warm im ganzen Körper. Eine Hitze erfüllte seinen Brustkorb und er verstand es erst, als er an sich herunterblickte und den Bolzen in seiner Seite mit einem schmerzvollen Aufschrei abbrach. Ehe er verschnaufen konnte nahten schon zwei Orks um ihn endgültig zu erledigen. Außer sich vor Zorn stieß er ihnen eine lodernde Druckwelle entgegen, die ihr siegessicheres Grinsen für immer auf ihre Fratzen brannte.

Wutentbrannt steig er achtlos über die Leichen der beiden, als ihn ein Hieb schwer zwischen seine Schulterblätter traf und zu Boden schmetterte.

Seine Klinge fiel ihm aus der Hand und er konnte sich nur noch mit einem Knie auf dem Boden aufstützen.

In diesem Moment sah er weder den Furchterregenden Streitkolben des Orks noch dessen mordlüsterne Fratze sondern ein völlig anderes Gesicht…

 

Alles um ihn herum wurde wieder absolut still. Er sah einen nahezu vollen Mond am Himmel stehen, der einen kleinen See in ein magisches Licht tauchte. Die Sterne strahlten unglaublich klar und noch viel klarer nahm er ein Gesicht wahr. Es lächelte ihn an und er strich durch rotes, weiches Haar. Auch den Gestank von Blut und Rauch nahm er nicht mehr wahr. Stattdessen roch er einen vertrauten Duft, der ihn lächeln ließ. Und er spürte ihre Lippen, sanft und voll.

 

Das dunkle Blut vermischte sich mit Schweiß und rann ihm über die Stirn, ihm wurde schwarz vor Augen. Die Welt um ihn herum tauchte nun völlig in einen seltsamen, unwirklichen Traum ab.

„Ist das also das Ende?

… Kida…"

Kraftlos sackte er auf dem Pflaster des Dorfplatzes zusammen.

Re: Arcturus Wrathbringer

Eine Stimme… Schmerz… Atem…Licht…

Er öffnete die Augen und blinzelte in ein schmutziges, kleines Gesichtchen. Die großen Augen sahen ihn ängstlich an. Seine Kehle war trocken, furchtbar trocken. Es kam ihm vor als wäre er noch in seinem Traum, als er kühles Wasser auf seine blutverkrusteten Lippen träufeln spürte… „Kida…“  Ein kühler Windhauch fegte über sein Gesicht, als wolle er dem zerschmetterten Körper neues Leben einhauchen. War das etwa? Nein. Das Gesicht schenkte ihm ein Lächeln. Sein Verstand wurde klarer. Nun erkannte er das kleine Mädchen und musste ebenfalls lächeln, sie hatte überlebt. Tief sog er die Luft in seine Lungen, lag einfach nur da, blickte in den blauen Himmel. Weiße Wolken zogen unendlich langsam hoch über ihm vorüber. Er konnte es nicht glauben. Am Leben! Das Mädchen stellte den Eimer Wasser beiseite und legte Arcturus sorgsam jene Decke über seine Brust, unter welcher er sie wenige Stunden zuvor verborgen hatte. Herzliches Lachen drang aus seinem Hals. Die Lungen des Paladins waren voller Blut gelaufen, viele seiner Rippen zertrümmert. Sein Lungenflügel brannten erneut wie die Flammen, die die Stadt rings um ihn herum verzehrt hatten. Aber er konnte nicht aufhören. Er war am Leben! Es war nicht zu spät, nicht alles vertan… Freudentränen rannen über sein verschmiertes Gesicht in den von Ruß schwarz gefärbten Bart und hinterließen auf ihrem Weg helle, in der untergehenden Abendsonne feucht glänzende Spuren.

Arcturus wusste mit unerschütterlicher Sicherheit, weshalb er nicht tot war. Voller Reue hatte er die Augen geschlossen in der Überzeugung, sie nie wieder zu öffnen. Sie nie wieder zu erblicken. Mit zusammengebissenen Zähnen erhob er sich aus den Trümmern und kugelte seine rechte Schulter wieder ein. Der heiße Schmerzensblitz war schnell abgeklungen. Es kümmerte ihn jetzt ohnehin nicht mehr, er hatte eine Chance erhalten. Wie dumm er doch gewesen war, wie verblendet in seinem Stolz und seinem unstillbaren Hass. Arcturus kannte nur ein Ziel, an das ihn seine müden Füße tragen sollten und sein Herz würde ihm unbeirrbar  den Weg weisen