Kirche und Kritik an Kirche
Das kann auch nur in Deutschland passieren: (pressetext.de)
Augsburg (pte/23.09.2009/13:55) - Mithilfe von Observationen gegen eine schwerbehinderte Kirchenmusikerin gelang es der Diözese Augsburg zu ermitteln, dass die Angestellte eine uneheliche Lebensgemeinschaft führt und will nun eine Kündigung aussprechen. Wie der Spiegel berichtet, will das Bistum die Mitarbeiterin loswerden und schrieb deshalb an das zuständige Integrationsamt, dass es sich den Erkenntnissen nach von beauftragten Detektiven um das "Vorliegen einer Lebensgemeinschaft" handelt. "Eine Weiterbeschäftigung aus diesem Grund käme grundsätzlich nicht in Betracht", sagt die Kirchenleitung. Aller Bedenken zum Trotz bezieht sich die Kirche auf die Grundsätze katholischer Glaubens- und Morallehre.
Hintergrund für den Kündigungsfall ist, dass es die Kirchenmusikerin mit dem Verweis auf ihre Mobilitätsbehinderung ablehnte, sich von der Gemeinde St. Barbara im oberbayrischen Peißenberg an einen anderen Standort versetzen zu lassen. Die unehelich geführte Beziehung kam bei der infolgedessen losgetretenen Schnüffelaktion eher zufällig ans Licht und wird der Mitarbeiterin nun zum Verhängnis. Die Diözese Augsburg schiebt mit der Erkenntnis weiter nach und rüstet sich gegen eine Klage. Die Chancen für die Kirche stehen sehr gut, denn das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gilt für die eine Mio. Mitarbeiter nur bedingt. Schließlich darf man auf Grundsätze der katholischen Glaubens- und Morallehre pochen.
Da diese veralteten Richtlinien kein Zusammenleben ohne Trauschein vorsehen, dürfte die Mitarbeiterin vor Gericht schlechte Karten haben. Das sonst für sämtliche Branchen gleich geltende Grundgesetz gilt innerhalb kirchlicher Einrichtungen nur eingeschränkt. Dafür sind alte Staatsverträge aus der Zeit der Weimarer Republik und der Nazi-Diktatur verantwortlich, deren Regelungen völlig unverändert in die bundesdeutsche Verfassung übernommen wurden. Kirchen-Mitarbeiter sollten sich daher ihrer vor dem Gesetz eingeschränkten Rechte bewusst sein. Die Beschneidung individueller Freiheiten und minimale Mitbestimmungsrechte treffen auch Verwaltungsangestellte, Kindergärtnerinnen und Sozialarbeiter in kirchlichen Diensten.
Geht es für Angestellte beispielsweise darum, sich mit einem Kinderwunsch außerhalb einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft einen Traum zu erfüllen, können sie vom Gesetzgeber in Deutschland nur wenig Hilfe erwarten. Die Kirche argumentiert hingegen damit, dass wie im vorliegenden Fall der Musikerin "die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Morallehre für kirchliche Mitarbeiter vergleichbar mit der Verfassungstreue im öffentlichen Dienst sind". Selbst das seit 2006 geltende Antidiskriminierungsgesetz lässt Diözesen und Landeskirchen sowie Caritas und Diakonisches Werk außen vor. Die EU-Kommission kritisierte bereits die "mangelhafte Umsetzung der europäischen Gleichstellungsrichtlinie" durch die Regierung.