Musik während der Schwangerschaft
Wenn Babys im Bauch tanzen
Welche werdende Mutter kennt das nicht? Sie lauscht entspannt und genussvoll einem Konzert und ihr Baby im Bauch scheint zu tanzen. Oder sie besucht ein Rockkonzert und das Baby tobt manchmal so wild, dass es der Schwangeren sogar unangenehm wird. Nehmen Babys im Mutterleib bereits Musik wahr? Und falls sie es tun, welche Musik mögen sie, was tut ihnen gut? Fragen, die zahlreiche Wissenschaftler umtreiben und die uns zurück führen an die Anfänge unseres Seins.
Das Ohr Tor zur Welt
Schon mit etwa vier Monaten ist das Ohr des Fötus vollständig ausgebildet. Und die erste Sinfonie, die ein Baby zu hören bekommt, ist die Mutterleibsmusik: Der Herzschlag der Mutter, die Geräusche ihrer Eingeweide und natürlich ihre Stimme. Wie die mütterliche Stimme dringen auch andere Töne von außen in die intrauterine Welt und werden gehört: Das Ohr stellt für das Baby die erste Brücke in die Außenwelt dar.
Hör-Nahrung
Die Mutter zu hören und in ihrer Mutterleibsmusik gewiegt zu werden, ist für das Baby mehr als nur Genuss. Das zeigt sich besonders bei Versuchen mit Frühgeborenen. Im Brutkasten fehlt die akustische Nahrung, und es hat sich gezeigt, dass sich Babys besser entwickeln, wenn sie auch weiterhin regelmäßig die mütterliche und väterliche Stimme hören. In manchen Kliniken werden dazu bei Abwesenheit der Mutter auch Aufnahmen ihrer Stimme in den Brutkasten geleitet.
Es ist völlig gleichgültig, was die Mutter ihrem Kind erzählt, summt oder singt. Die Klangfarbe, nicht der Inhalt ihrer Worte, ist es, die das ungeborene Kind quasi umarmt. Dieser intensive Eindruck bleibt das ganze Leben lang. Der französische Mediziner Alfred Tomatis sagt in seinem berühmten Buch "Der Klang des Lebens": Den unverwechselbaren Sprachrhythmus und Klang der Mutter "erkennt das Kind nach der Geburt wieder, findet ihn unter allen anderen heraus und sucht ihn sein Leben lang."
Der Ton macht die Musik
"Musik bewegt uns," schreibt der Hamburger Musiktherapeut Professor Hans-Helmut Decker-Voigt in seinem Buch "Mit Musik ins Leben". Und jeder kennt die unwillkürlichen Reaktionen auf Musik, das unbewusste Mitwippen des Fußes, das Wiegen des Kopfes oder die warmen und lustvollen Gefühle, die Klänge und Rhythmen in uns auslösen können. Wie der Klang einer Stimme unmissverständlich den emotionalen Gehalt verrät, auch wenn wir inhaltlich vielleicht etwas ganz anderes sagen, so haben auch Klänge in der Musik bestimmte Wirkungen auf unsere Gefühle, die sich sogar häufig gleichen. So wirken konsonante Klänge, Molltonarten und schwebende Rhythmen auf die meisten Menschen beruhigend, während Dur-Tonarten, Dissonanzen und stark akzentuierte Rhythmen eher belebend bis aufregend wirken.
Muss es immer Mozart sein?
Die zu Recht vielgerühmte Musik Mozarts weist in vielen Stücken die genannten Merkmale beruhigender Musik auf und wirkt so auf zahlreiche Menschen besänftigend und harmonisierend. Aber diese Wirkung ist keineswegs so sicher wie das Amen in der Kirche. Denn vor den spontanen körperlichen Antworten auf Musik rangiert "die individuelle Sozialisation", sagt Decker-Voigt im urbia-Gespräch. So kann eigentlich aufregende Musik eine durchaus einschläfernde Wirkung haben, falls es in einer Familie früher üblich war, diese Musik täglich vor dem Schlafengehen zu hören. Oder ein ruhiges klassisches Stück kann aufregen, wenn vielleicht diese Musik öfters im Hintergrund lief, während die Eltern sich übel zankten.
Musik fürs Baby
Sandra Wildner hat während ihrer Schwangerschaft sehr häufig Musik der Gruppe "Depeche Mode" gehört. Ihre Tochter Saphira (10 Monate) bezeichnet sie als "jüngsten Depeche-Mode-Fan". "Wie gebannt" reagiere das Kleinkind auf den Sound dieser Band, erkenne die Stimme der Gruppe auch bei neuen Liedern eindeutig wieder. "Was die Mutter oft und gerne hört und spricht und singt, erkennt das Kind später als ,Bestandteil der Mutter wieder", schreibt Prof. Decker-Voigt. Wichtigster Maßstab fürs Baby: Das, was der Mutter gefällt und gut tut, ist auch gut fürs Kind. Ausnahmen stellen zu laute und synthetisch hergestellt Klänge dar. Die in der Natur nicht vorkommende gleichförmige Art der Schwingung elektronischer Musik löst beim Fötus Abwehr aus.
Klang der Liebe
In unserer auf das Auge fixierten Welt kann es heilsam sein, sich die Kraft des Hörens und der Klänge bewusst zu machen. "Unser Fühlen, Denken und Handeln ist ein Leben lang eng verbunden mit unserem Hören und Wahrnehmen vor der Geburt", schreibt Decker-Voigt. Eine Stimme, Klang, Melodien, Rhythmen schlagen unser ganzes Leben lang eine Brücke zu jener Zeit, da wir geborgen in der mütterlichen Höhle hausten.
Quelle: urbia