Irrwege - Leseraum

Brunz Blödes am Rande

Re: Brunz Blödes am Rande

Deja Vu

„Surrend erwacht das kleine Miststück von Wecker zum Leben und reißt ihn aus seinem allnächtlichen Alb ins übliche Morgengrauen -. Deja vu – Seine Kehle ist wie zugeschnürt, der Raucherhusten macht ihn erst wieder halbwegs lebendig, er steht auf und tritt in eine Glasscherbe am Boden – Deja vu – Schmerz läuft das Bein hoch, Blut läuft auf den Teppich, er flucht und humpelt ins Bad, um ein Pflaster auf die Wunde zu kleben.

Aus dem Spiegel schaut ihm ein geräderter älterer Mann mit Glatze entgegen, Triefauge, unrasiert, unappetitlich. – Deja vu - Morgendliche Katzenwäsche spült ihm den schalen Geschmack von Erbrochenem und viel zu viel Bier aus dem Mund. Er sucht ein frisches Hemd –Deja vu – findet keines. Scheißegal, das Alte tut es noch, beschließt er und hüpft einbeinig in die Küche.

Etwas erstaunt – Deja vu - registriert er, das abgespült worden ist, er nimmt die Kanne und den Filter vom Stapel sauberen Geschirrs und macht sich daran, Kaffee auf zu setzen. Es ist fast kein Pulver mehr da –Deja vu – scheißegal, es reicht gerade noch, flucht er, und während er wartet, dass das Wasser zu kochen anfängt versucht er die erste Zigarette zu rauchen, was sein Körper mit einem Hustenkrampf quittiert. – Deja vu –

Der Aschenbecher ist brechend voll, er leert ihn in die zugestopfte Mülltüte, hustet und verschüttet dabei die Hälfte auf den Boden – Deja vu – er greift zum Kehricht und versucht die Sauerei aufzukehren, dabei fällt ihm die Zigarette aus dem Maul –Deja vu – und brennt einen schönen braunen Fleck in das fast neue Linoleum.

Langsam ist er wirklich sauer, - Deja vu - das Wasser kocht, er läst die Schaufel und den Besen einfach neben dem Brandfleck und den Kippen liegen und brüht sich seinen Morgentrunk. Die erste Tasse muss er wegkippen, weil die Milch sauer ist –Deja vu- scheißegal, denkt er, dann halt schwarz und schenkt sich noch mal ein. Dabei verbrüht er sich fast die Finger –Deja vu – und langsam kommt ihm der Tag spanisch vor – Deja vu -. Er zündet sich noch eine Zigarette an und haut sich auf sein Sofa, um den Kaffee zu trinken.

Der schmeckt nach Olivenöl –Deja vu – weil die Kanne oder die Tasse oder eben beides nicht nachgespült worden ist und wieder ist er am fluchen. Er liebäugelt mit seinem Bett, entschließt sich dann aber für den Kühlschrank und holt sich ein morgendliches Frustbier raus –Deja vu – er braucht keine 10 Minuten um es leer zu trinken. Derart gestärkt sieht das Leben für ihn schon wieder rosiger aus und er beginnt die Reste der Party gestern zusammen zu räumen. –Deja vu – Aber bald hat er keine Lust mehr und legt sich doch wieder hin. Er döst ein und träumt:“

„Surrend erwacht das kleine Miststück von Wecker zum Leben und reißt ihn aus seinem allnächtlichen Alb ins übliche Morgengrauen -. Deja vu – Seine Kehle ist wie zugeschnürt, der Raucherhusten macht ihn erst wieder halbwegs lebendig, er steht auf und tritt in eine Glasscherbe am Boden – Deja vu – Schmerz läuft das Bein hoch, Blut läuft auf den Teppich, er flucht und humpelt ins Bad, um ein Pflaster auf die Wunde zu kleben.

Aus dem Spiegel schaut ihm ein geräderter älterer Mann mit Glatze entgegen, Triefauge, unrasiert, unappetitlich. – Deja vu - Morgendliche Katzenwäsche,,,

Brunz Bloed
23,06,05

Re: Brunz Blödes am Rande

Morgengrauen

Die Sirenen sind noch durch die dicken Betonwände des Bunkers zu hören. Eng aneinandergedrängt sitzen wir auf den Bänken entlang den Wänden, viele müssen stehen, in der Luft der beißende Gestank der Angst. Die kleine Schwester neben mir krampft ihre Hand in die Meine, zittert am ganzen Körper und betet den Rosenkranz wie ich ihr geheißen. Vater und Mutter gingen auf der Flucht verloren, ich hoffe, sie sind ebenfalls im Schutzraum untergekommen. Die SA hat geschossen, als sie die Tore schlossen, ich weiß nicht, ob in die Luft oder in die andrängende Menge.

Das trübe Licht der Glühkerzen beleuchtet die unwirkliche Szene wie aus einem Gemälde von Hieronymus Bosch. Die Sirenen schweigen. Am Stadtrand bellt die Flak ihr hoffnungsloses Lied in den Nachthimmel. Dann ist ein leises Dröhnen zu hören, das langsam lauter wird. Pfeifend fallen die ersten Bomben in der Ferne, das Ka-Wumm der Detonationen kommt jedoch schnell näher. Es sind wieder sehr viele heute. Das Licht flackert, erlöscht, ein Aufschrei geht durch die Menge, der Bunker zittert und Sand rieselt von der Decke. Erst dann hören wir den großen Knall. Das war knapp.

Die erste Welle ist vorüber, doch es gibt keine Entwarnung. Draußen müssen bereits die Feuer der Hölle brennen. Von unserer Stadt wird nicht viel übrig bleiben. Der Flak geht die Munition aus, nur noch einzelne Schüsse sind zu hören, dass Summen der zweiten Staffel kommt näher. Das Licht ist wieder an, flackert aber unruhig, als zähle es die Einschläge. In den Geruch der Angst mischt sich der scharfe beißende Geruch Urins und Schlimmeren. Ein Pfarrer hat in einem Eck seine Schäfchen um sich versammelt und erteilt noch einmal die heilige Kommunion, bis der Bunkerwart es ihm untersagt. Das Schwesterchen brüllt das Vater Unser im Canon mit der Alten neben ihr in den Raum, beruhigend nehme ich sie in den Arm und wiege sie hin und her, als wäre sie drei Jahre alt. Meine Kehle ist wie zugeschnürt, aber ich versuche, mir meine Panik nicht anmerken zu lassen, ihretwillen.

Sie sind über uns, der Raum tanzt auf und ab, ich sehe bei einem kurzen Aufflackern der Lampen wie sich in der Wand gegenüber ein großer Riss bildet, sich verästelt, zur klaffenden Wunde wird. Geschrei, Getümmel, Panik. Krachende Explosionen, gebrüllte Durchhalteparolen, kollektive Stossgebete. Die Luftschutzwarte fixieren einen jungen Soldaten, der wild um sich schlägt, brüllt und sich in seinem Frontkoller nicht mehr in der Gewalt hat. Mir graut und ich ertappe mich, wie ich in das Gebet der Schwester einfalle und sie noch fester an mich drücke. Sie bebt am ganzen Körper, ist schweißnass und starrt mit großen weit aufgerissenen Augen auf die hin und herschwankende, unregelmäßig pulsierende Glühbirne an der Decke. Ich habe Angst, dass sie mir wahnsinnig wird. Wir beten gemeinsam, wieder und wieder, während draußen die Bomben fallen, Stund um Stund, Welle für Welle - grausames Pfeifen, Krachen, tanzende Wände, Dunkelheit, Geschrei und Tumult um uns herum.

Dann ist es plötzlich vorbei, das monotone Brummen der feindlichen Maschinen erstirbt und weicht dem knisternden Rauschen des Feuersturms, das Schwesterlein liegt leblos in meinen Armen. Ihr schönes Haar ist schlohweiß. Ich spüre ihren Atem nicht mehr, ihr Gebet ist längst verstummt. Der Herrgott hat sie nicht gehört.

Die Sirenen heulen die Entwarnung in den Rauch der Morgendämmerung.

BrunzBloed
24,06,05

Re: Brunz Blödes am Rande

Focus

Das Reisig ist gerichtet, der Teer dampft, Die Hexe kämpft ihren letzten Kampf. Die Zeit scheint still zu stehen, der Moment ist eingefroren, -- Bilanz:

Gefühlswallung - gordischer Knoten im Hirn, kein Schwert weit und breit, Alexander ist heimgekehrt.

Die Batterie fast leer, kein Ladegerät in Sicht, es tuckert das Notstromaggregat solange der Spritvorrat reicht.

Defätismus macht sich breit, für und wieder wird erwogen, die Propagandalügen geben sich die Klinke in die Hand.

Lebensmut an einer langen Schnurr hinter sich herziehend geht der Pilger den Jakobsweg.

Die Aura schwarz, rote Kreise um das Zentrum künden von Unheil, das Photo vergilbt.

Nachschlag, eine große Kelle Trübsal ins Feuer gegossen, zischend erlischt die Flamme.

Gottvertrauen überstrapaziert, Satan ist müde geworden und läst Aphrodite sprechen.

Noch ein Fünkchen Hoffnung in der erlöschenden Glut, ein Windhauch aus Norden entfacht den finalen Feuersturm. Makulatur.

Traumgewalten formieren Chimären, der Alp sitzt tief und drückt die Seele. Endzeittanz.

Kopfgeburten stürzen bar ihres Hauptes in die Flut und ertrinken im reißendem Bach ungeordneter Verhältnisse.

Melancholie leiert ein Gebet, im Takt tanzen die Häscher Pogotwist und leeren ihre Becher.

Der Cherubim rauft sich die Federn und verweigert die Nahrung, begehrt auf und verlangt, freigelassen zu werden. Keine Chance.

5 Cent für ein Päckchen Glück, ich bestelle 48 Stück und erhalte einen Radiergummi als Rabatt. Vielen Dank.

Hitzegewitter prasseln nieder und benetzen das unfruchtbare Land, die Blitzableiter im Distrikt sind schlecht isoliert, die Scheune brennt.

Troja, steht in Flammen und die Odyssee hat begonnen, wir reffen die Segel und empfehlen uns den Göttern. Möge sinnloser Zorn endlos walten.

Mandragora spricht den Spruch und der Zauber verfliegt, die Fackel leckt am Scheiterhaufen.
Läuterung, sie hat abgeschworen.

BrunzBloed
27,06,05

Re: Brunz Blödes am Rande

Sommernachtstraum

Danach saugt der Wanderer auf einer Betonmauer am Ufer sitzend die kühle Nachtluft tief in seine Lungen und steckt sich eine Zigarette an. Beruhigend klimmt die Glut vor seiner Nasenspitze, genüsslich bläst er den Rauch in den lauen Wind. „Ruhe!“ denkt er „Endlich, soviel Ruhe.“

Er ist froh, mit ihr die 5 Meilen von der Stadt hierher gelaufen zu sein, auch wenn ihm die Füße von der ungewohnten Strapaze jetzt schmerzten und sich wohl Blasen bilden würden, es hatte sich gelohnt. Dies war genau der richtige Platz gewesen. Der Fluss rauscht monoton das Wehr hinab, Gischt glitzert im Mondschein, der Himmel ist sternenklar, nur in der Ferne hört er das Donnern eines Sommergewitters, doch dass stört ihn nicht. Er entspannt sich, sein Puls beruhigt sich wieder.

Die Aue um ihn herum steckt voller Leben, eine Eule ruft gurrend ihren Schlachtruf in die Dunkelheit, Rascheln, ein Marder flitzt über den geschotterten Weg. Ein Wildschwein grunzt, weil es das Blut wittert, hält sich und die Bachen jedoch fern von ihm, protestiert nur gegen die Störung. Er sieht ein Fledermausschwadron zur Jagd ausrücken und im Tiefflug über den Fluss gleiten. Er beginnt sich wieder wohler zu fühlen, es ist vollbracht.

Er schraubt den Deckel der Flasche ab und nimmt einen tiefen Schluck des ekligen Hochprozentigen zu sich, schüttelt sich und kippt dann den kümmerlichen Rest weg. Er braucht ihn nicht mehr. Sein Blick schweift zu den Sternen und er fühlt sich mit einem mal unendlich klein, angenehm klein, so klein, so unwichtig, das es ihn selbst nicht mehr berührt, was er eben getan hatte. Der Schöpfung jedenfalls, wird ihm klar, war es nicht wichtig.

Still liegt sie neben ihm, die Augenlieder hat er ihr geschlossen, weil er ihren fragenden anklagenden Blick nicht länger ertragen konnte. Wäre da nicht die Blutlache unter ihr, sie hätte auch schlafen können. Jetzt war sie endlich Sein, jetzt konnte sie nichts mehr trennen. Das Messer hatte sie vereinigt.

Er schmeißt die Kippe weg und hört in sich hinein. Laut pocht ihm sein Herz entgegen, das Herz, das einst so voller Mut gewesen war und doch so kläglich versagte. Sein Gedärm ist am rumoren, er hat seit Tagen nichts gegessen, konnte das Gift, das „SIE“ ihm servierten nicht mehr runter bringen. Er fühlt sich ausgebrannt und seine Kräfte schwinden. Er ist müde und leer.

Er wäscht sich das Blut von den Händen und zieht sich die versauten Klamotten aus, legt sie fein säuberlich zu einem Stapel zusammen, dann wirft er das Messer ins Wasser. Nackt legt er sich rücklings ins Gras der sanften Uferböschung und schläft sofort ein. In den reißenden Strom des geknechteten Flusses konnte er auch später noch springen. Eine Turmuhr in der Ferne schlägt Mitternacht.

BrunzBloed
30,06,05

Re: Brunz Blödes am Rande

Hexenwahn

Es ist soweit, mit letzter Kraft hebe ich den Kopf und spucke auf das mir entgegen gehaltene Kreuz, der Großinquisitor schüttelt entsetzt den Kopf, ein Raunen geht durch die auf dem Richtplatz versammelte Menge. Der Henker wird angewiesen, das Urteil zu vollstrecken.

Auf seinen Wink hin legen die Schergen die Fackeln an den mit Teer getränkten Scheiterhaufen, sogleich beginnt das Feuer prasselnd zu brennen. Teilnahmslos schaue ich zu, wie der Rauch in den Himmel steigt. Mein von der Folter geschundener Körper beginnt die Hitze zu spüren, mir ist es egal. Gierig lecken die Flammen nach meinem Fleisch, die Schmerzen werden unerträglich und ich höre mich Flüche brüllen, grauenhafte gotteslästerliche Flüche, bei denen selbst die alten Weiber sich die Ohren zuhalten.

Zischend verdampft das Wasser meines Leibes, der unerträgliche Gestank meines glimmenden Fettes würgt mich im Hals, ich werfe mich in meinen Fesseln hin und her, doch da ist kein Entrinnen, die Höllenglut verschlingt mich. Mit brechenden Augen sehe ich den Inquisitor triumphierend meinen Untergang beobachten, siegessicher lächelnd, er denkt, er habe gewonnen. Ich versinke im Nichts.

Das Reisig ist niedergebrannt, meine irdische Hülle zu schwarzem Staub geworden. Noch glimmen die Reste, die Menge zerstreut sich gerade, als sich die schwarze Wolke am Himmel zusammen braut. Erste Blitze zucken, die Menschen sinken zu Boden und flehen zu ihrem Heiland, das Unheil ahnend. Zischend fährt der grelle Strahl in den Aschehaufen, wirbelt ihn auf, das Volk schreit in Panik.

Das Unwetter tobt über dem Platz, es stürmt und hagelt, doch das Feuer brennt wieder und in seiner Mitte erhebe ich mich in meinem neuem Körper, gestählt durch die Glut und geläutert durch die Flamme. Mein Schrei erschüttert den Kreuzwächter derart, dass er tot zu Boden sinkt. Die Häscher fliehen mit vor Angst ergrautem Haar. Ich bin wieder gekehrt, stärker als je zuvor, um das kommende Reich des dunklen Kriegers zu verkünden. Sehet, ich bin der Antichrist. Wer kann euch jetzt noch helfen?

Brunz Bloed
3,07,05

Re: Brunz Blödes am Rande

Im Casino

Dein letzter Chip, deine Hand zittert als du ihn bedächtig und vorsichtig auf die grüne 0 schiebst. Dann nippst du noch einmal von deinem Champagner, du hattest heute schon mindestens fünf Gläser zuviel, du kannst kaum noch laufen. Die Schergen des Casinos stehen bereits in deiner Nähe und warten auf einen Wink des Croupiers um dich hinauszugeleiten.

Ich bekomme das Pik-As.

Du kicherst nervös und kaust wieder an deinen Fingernägeln, dabei ist es nicht dein Vermögen, das du gerade in den Sand setzt. Der Kerl, der dich gerade bumsen darf, löhnt für dich, wie sie alle für dich zahlen müssen, wie auch ich dich brav ausgehalten habe. Aber du wirst älter, Schatz, lange wird es nicht mehr gut gehen, wenn du nicht langsam mal ein paar Groschen auf die hohe Kante kriegst. Deine Nasenspitze ist mal wieder weiß, das Zeug ist noch mal dein Untergang, aber ich weiß, ohne kannst du nicht. Dein Dekollete ist wieder äußerst gewagt, noch dazu ist dein Kleid verrutscht. Du wirkst mal wieder wie eine billige Schlampe aus der Bahnhofskneipe, dabei bist du alles andere als billig, oh ja, nüchtern bist du äußerst kleidsam. Ein teures aber hochwertiges Spielzeug, wie lange willst du noch auf dieser Masche reiten.

Ich bekomme die Herz-Dame.

Die Kugel rollt, - rea de va plue-; sie rollt, rollt, dreht sich im Kessel, wird langsamer, fällt, klackert durch die Felder, rot, schwarz, schwarz, rot, rot, rot, an Grün vorbei und bleibt in der 13 liegen. Du hast verloren. Du verlierst immer. Es ist eben nicht dein Spiel. Die Verzweiflung ist dir deutlich anzusehen, wahrscheinlich hast du wieder die Miete für dein tolles Appartement verzockt. Süß, wie du nun so verloren da stehst, ein klar gekünsteltes Lächeln im Gesicht. Die Gorillas nehmen dir dein Sektglas aus der Hand und führen dich zum Ausgang, bevor du wieder einen Skandal machst. Weiß der Geier, welche Beziehungen du hast, dass sie dich immer wieder hier reinlassen.

Ich wende mich wieder meinen Karten zu, kann mich jedoch nicht konzentrieren, bekomme noch eine 10 und verliere ebenfalls. Auch für mich ist das Spiel heute gelaufen. Ich lasse mir ein Taxi rufen und fahre zu dir nach Hause. Mein Geld hast du immer gerne genommen, also warum nicht, ich bin scharf auf dich und Bratkartoffeln schmecken aufgewärmt am Besten. Vielleicht wird es doch noch mal etwas mit uns beiden.

Brunz Bloed
5,07,05

Re: Brunz Blödes am Rande

Regentanz

Ein dumpfes Grollen in der Ferne kündet das Unheil an, bedrohlich haben sich schwarze Wolken über dem kleinem Städtchen am Fluss zusammen gezogen, der Wind hat merklich aufgefrischt und bläst trockenen Staub und alte Zeitungen durch die Strassen, rüttelt bereits sachte an den Fensterläden und Markisen, die nun hurtig eingezogen werden. Das Eiscafe leert sich, der Kellner schiebt die Tische zusammen und kettet sie mit Draht an den Haken in der Hauswand fest, alles eilt nach Hause oder bringt sich sonst wie in Sicherheit. Es wird einen gewaltigen Sturm geben. Ich bin bereits voller Freude, gut dass ich heute meinen ersten Ausgang hatte.

Die Schwüle scheint unerträglich geworden zu sein, dabei ist die Sonne fast vollständig verschwunden, das Dämmerlicht des Nachmittages verheißt nichts Gutes. Die freiwillige Feuerwehr versammelt sich nahezu vollständig im Gerätehaus, der Bürgermeister hält eine kurze Ansprache, dann treffen sie die letzten Vorbereitungen für den Ernstfall. In der Kirche auf dem Hügel haben sich ein paar alte Weiber zum Gebet eingefunden, der Pfarrer sieht es mit Wohlwollen. Die Bauern fürchten um ihre Ernte. Die Kinder werden vom Spielplatz geholt, die Tiere flüchten sich in ihre Nester, Ställe und Heime. Kurz darauf, als die ersten Tropfen auf dem heißen Asphalt vergehen, scheint die Stadt wie ausgestorben. Alles wartet.
Ich auch.

Der Regen wird schnell dichter und prasselt nun wie aus himmlischen Gieskannen auf die Dächer, Strassen, Felder und Gärten nieder. Schnell bilden sich große Pfützen, laufen kleine Bäche in die sich füllende Kanalisation. Blitze zucken durch das Grauschwarz des aufgewühlten Himmels, der Wind erreicht Stufe 9, Donner grollt über das Land. Die Hitze ist verschwunden, es wird fast kalt. Das Inferno nimmt seinen Lauf, endlich ist der Tag gekommen.

Mit nichts bekleidet als einem rotem und einem gelbem Gummistiefel empfange ich nackt im Sturm tanzend die apokalyptischen Reiter, singe lauthals, lache, lege den Kopf in den Nacken und lasse mir das kühle Nass die Kehle runter laufen. Der Orkan bläst mir um die Ohren, mir stehen die Haare zu Berge, jedoch friere ich nicht, eine innere Glut wärmt mich. Wie ER mich geschaffen tanze ich nun voll Seeligkeit durch die Strassen, und ja, es ist nicht zu übersehen, dass die Vorfreude auf IHN mich sehr erregt. Die Welt geht unter, und ich habe einen Platz in der ersten Reihe, wie ein Stromstoss durchfährt mich das Glück, als die Glocken vom Kirchturm und die Sirene des Spritzenhauses das „Land unter“ verkünden. Dachziegel und Zaunlatten fliegen dicht an mir vorbei, es ist mir egal, ich springe wie ein dreijähriges Kind durch die Pfützen, das Wasser quatscht bereits in meinen Stiefeln, ich versuche lauter zu brüllen als die Urgewalt der entfesselten Natur, bis ich vollkommen heiser bin. Der Tag des jüngsten Gerichts ist gekommen, so wandere ich zum Friedhof, um die Toten auferstehen zu sehen, ich will mich ihnen anschließen und vor den himmlischen Richter treten.

Wie enttäuscht ich war, als die Besatzung des Streifenwagens, der mir entgegen kam, mich hinterrücks überfiel und gefangen nahm um mich wider all meinem Betteln und Flehen ins Klinikum zurück zu bringen. Ich hätte den Herrgott gerne persönlich kennen gelernt, jetzt muss ich bis zum nächsten Weltuntergang warten. Ce `la vie, der nächste Sturm kommt bestimmt.

BrunzBloed
7,07,05