FORUM GASPREISSENKUNG - Vor Gericht

Gaspreisurteile mit Signalwirkung -Billigkeitsnachweis fehlt ....

Gaspreisurteile mit Signalwirkung -Billigkeitsnachweis fehlt ....

10.11.2011 Rodenberg / Ehepaar weigert sich gegen Preiserhöhungen

GASPREIS-Urteil mit Signalwirkung - E.on unterliegt im Gas-Streit

Nach Meinung von Juristen könnte es ein Präzedenzfall werden – zumindest aber dürfte die Entscheidung des Landgerichts Bückeburg Signalwirkung haben. In zweiter Instanz wurde dort nämlich entschieden, dass ein Ehepaar aus der Samtgemeinde Rodenberg, das sich bereits seit dem 1. Oktober 2004 weigert, die Gaspreiserhöhungen von E.on Westfalen Weser in voller Höhe zu akzeptieren, korrekt gehandelt hat. „Der Ölpreis ging hoch und runter, nur der Gaspreis stieg.“ Da wurde ein Ehepaar aus Rodenberg misstrauisch und weigerte sich, die Gaspreiserhöhungen zu bezahlen. Das Berufungsgericht gab ihm recht.


Die Büroangestellte (44) und der Sicherheitsingenieur (44) müssen die vom Energieversorger geforderten Nachzahlungen in Höhe von 658,86 Euro also nicht begleichen.

In erster Instanz hatte das Amtsgericht Stadthagen E.on recht gegeben und das Ehepaar zur Zahlung der Summe plus Zinsen verurteilt. Der Richter glaubte, die von E.on durchgeführten Gaspreiserhöhungen hätten laut dem Bürgerlichen Gesetzbuch dem Grundsatz der Billigkeit entsprochen.

„Durch Preiserhöhungen wegen gestiegener Bezugskosten nimmt das Gasversorgungsunternehmen sein berechtigtes Interesse wahr, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben“, verkündete Richter Joachim Lapeyre am 26. Januar 2011.

Der Hamelner Rechtsanwalt Uwe Behnsen legte Berufung gegen das Urteil ein. Er führte an, das Amtsgericht habe seine Mandanten zu Unrecht verurteilt und warf dem Richter vor, dieser sei aufgrund „falscher Beweisführung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gaspreiserhöhungen der Billigkeit entsprechen würden.“ Entgegen der Auffassung des Gerichts habe E.on nicht den Beweis dafür erbracht. Zwar habe E.on versucht, mithilfe eines Privatgutachtens auszuführen, dass die Preisanpassungen für die Gruppe der Haushalts- und Kleingewerbekunden im Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 30. September 2008 nur auf Veränderungen der Gasbezugskonditionen zurückzuführen sind, „nicht berücksichtigt wird jedoch, dass der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass Preisberechnungsklauseln, die Kunden der Versorgungsunternehmen unangemessen benachteiligen und diese deshalb unwirksam sind“, so Behnsen. Immerhin handele es sich um eine Konzern leitende Holdinggesellschaft der weltweit führenden Energie- und Spezialchemieunternehmensgruppe, deren Bruttoergebnis vom Umsatz in den Geschäftsjahren 2004 bis 2009 um circa 80 Prozent gestiegen sei.

Rechtsanwalt Behnsen vermutet: „Da es auf dem Gasmarkt anders als beim Strommarkt keine Preisaufsichtsbehörde gibt, liegt der Verdacht nahe, dass der Gasversorger (...) seine beherrschende Stellung am Markt nutzt, um die Preise zusätzlich in die Höhe zu treiben.“ Das Amtsgericht Stadthagen, rügt Rechtsanwalt Behnsen, habe im Ergebnis pauschal das Privatgutachten von E.on Westfalen Weser übernommen und sich nicht detailliert damit auseinandergesetzt.

Am 1. November kassierte das Berufungsgericht in Bückeburg das Urteil des Amtsgerichts Stadthagen. Die E.on Westfalen Weser Vertrieb GmbH, so die 2. Zivilkammer, habe „nicht dargelegt, unter Beweis gestellt oder gar bewiesen“, dass die in den Jahresabrechnungen vom 15. November 2006, 16. November 2007 und 22. August 2008 berücksichtigten Preiserhöhungen (nicht des Preissockels), denen das Ehepaar widersprochen hatte, „der Billigkeit entsprechen“.

Die Zivilkammer stellte ferner klar: Tarifpreiserhöhungen dürften – entgegen der Praxis von E.on Westfalen Weser – nur mit Kostensteigerungen begründet werden, die zum Zeitpunkt der Anpassung bereits eingetreten sind oder jedenfalls zu diesem Zeitpunkt eintreten werden. Eine nur prognostizierte Bezugskostenerhöhung genüge nicht.

Das Ehepaar freut sich sehr über den Bückeburger Richterspruch. Es war seinerzeit einer Empfehlung der Verbraucherzentrale Niedersachsen gefolgt und sieht sich nun in seiner Einschätzung bestätigt. „Als Verbraucher schaut man, was macht der Ölpreis, was macht der Gaspreis“, sagt der 44-jährige Ingenieur – und erklärt dann, warum er die Preiserhöhungen nicht mitgemacht hat: „Der Ölpreis ging hoch und runter, nur der Gaspreis stieg. Dabei soll er doch an den Ölpreis gekoppelt sein.“

Der 44-Jährige wurde misstrauisch. „Dividende und Gewinn haben sich bei E.on innerhalb von drei bis vier Jahren nahezu verdoppelt. Die behaupten, sie machten ja nur Anpassungen, dabei werden gleichzeitig Milliardengewinne erzielt“, sagt der Rodenberger. Er ist davon überzeugt, „dass viele Haushalte zu Unrecht geschröpft wurden“.

Das Urteil aus Bückeburg ist zwar kein Grundsatzurteil, aber: „Jeder Verbraucher, der fristgerecht Widerspruch eingelegt hat, kann darauf Bezug nehmen“, sagte der Hamelner Anwalt Behnsen gegenüber den Scharmburger Nachrichten.

(24.10.2011) E.on Hanse muss 75.000 Euro zahlen

Das Landgericht Hamburg hat die E.on Hanse Vertrieb GmbH zur Zahlung von 75.314,87 Euro an die Verbraucherzentrale Hamburg verurteilt. Sie hatte die abgetretenen Rückforderungsansprüche von 55 Gaskunden geltend gemacht, die ihre überhöhten Gasrechnungen seit 2004 nur unter Vorbehalt gezahlt hatten. Das Urteil, das auf die am 29. Dezember 2009 eingereichte Klage der Verbraucherzentrale zurückgeht, erging am 17. Oktober 2011 (Az.: 321 O 493/09). Das ist ein großer Erfolg für die Verbraucher. Die Verbraucherzentrale erwartet, dass E.on jetzt nicht in eine aussichtslose Berufung geht, sondern schnell dem Urteil Folge leistet.

Seit Sommer 2004 hatten nach Angaben eines Prozessbevollmächtigten der E.on Hanse 55.000 Gaskunden den Preisbestimmungen des Energiekonzerns widersprochen. Davon hatten 5.000 die Zahlung der geforderten Beträge teilweise verweigert, 50.000 hatten das Geforderte unter Vorbehalt gezahlt. Gegen die Zahlungsverweigerer hat E.on Tausende von Zahlungsprozessen angestrengt und in diesen entweder verloren oder in Vergleichen empfindliche Verluste hinnehmen müssen. In dem jetzt vorliegenden Urteil des Landgerichts geht es um die Rechtssituation für die 50.000 „Vorbehaltszahler“. Für 55 aus dieser Gruppe hat die Verbraucherzentrale Hamburg exemplarisch auf Zahlung der zu viel gezahlten Beträge geklagt.



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Stadtwerke sind keine Goldesel die von Verbrauchern gefüttert werden müssen.