Re: 600 Euro akut inakzeptabel
Liebe Anne Allex,
ich habe ueberhaupt nix dagegen, wenn jemand mehr fordert als
600 Euro.
Mir ging es darum zu zeigen, dass selbst unter den politischen
Vorgaben:
- Zusammenlegung auf Sozialhilfeniveau und
- keine hoeheren Kosten
ein individuelles Grundeinkommen statt der Arbeitslosenhilfe
moeglich waere,
a) bei der sich die ueberwiegende Mehrheit der Betroffenen
verbessert. Die Arbeitslosenhilfe liegt naemlich, was die meisten gar
nicht wissen, in der Regel unter 600 Euro. Deswegen spreche ich
meinem Artikel auch von einer Anhebung (!) der Arbeitslosenhilfe
auf das Sozialhilfeniveau.
b) die unbuerokratisch waere (600 Euro fuer Jede/n) und diese
ganze menschenunwuerdige Beduerftigkeitspruefung verhindern
und die Menschen nicht abschrecken wuerde, ihre zustehenden
Leistungen zu beantragen-
c) die nicht zur Folge hat, dass ein relevanter Teil der Personen, vor
allem Frauen, die zur Zeit noch Arbeitslosenhilfe beziehen,
demnaechst gar nichts mehr bekommen, weil sie einen Partner oder
eine Partnerin haben, die ein hoeheres Einkommen hat.
Der letzte Punkt ist uebrigens noch viel zu wenig in der
Oeffentlichkeit. Es verschlechtern sich naemlich nicht nur die, die
vorher ein besonders hohes Arbeitseinkommen hatten (bei denen
waere es vielleicht noch akzeptabel), sondern vor allem auch viele
Frauen mit eher geringen Anspruechen. Ich glaube, wenn ersteinmal
die Bescheide da sind, wird dieser Punkt, naemlich der Bescheid
"keine Leistung mehr", den Widerstand gegen Hartz IV,
insbesondere im Osten noch einmal verstaerken.
Der wesentliche Grund, warum sich beim Arbeitslosengeld 2 die
Mehrheit der ArbeitslosenhilfebezieherInnen finanziell
verschlechtert, ist, dass das Partnereinkommen voll angerechnet
wird.
Das alles koennte vermieden werden, sogar ohne hoehere Kosten
(im Vergleich zur Arbeitslosenhilfe) zu verursachen.
Wie gesagt, ich habe nichts gegen hoehere Forderungen. In meiner
email habe ich ja selbst geschrieben, dass die neue EU-
Armutsgrenze ein gutes Argument fuer 750 Euro sind. Das
verursacht dann halt hoehere Kosten und es muessen
Finanzierungsvorschlaege gemacht werden. Ich bekomme erst dann
wieder Probleme, wenn es oekonomisch nicht mehr geht, also ab
1500 Euro.
Mit solidarischen Gruessen
Wolfgang
P.S.: Ich weiss nicht, ob es alle mitgekriegt haben, aber Anne Allex
und die Forderung nach einem unbedingten Grundeinkommen (von
einem Mitstreiter noch etwas zaghaft vorgetragen) waren vorgestern
in den Tagesthemen. Weiter so!!
Am 12 Aug 2004 um 22:49 hat Anne Allex geschrieben:
>
> Sehr geehrter Herr Strengmann,
>
> Ihr Vorschlag in dem unten stehenden Beitrag ist volkommen
> inakzeptabel, da er mit 600 Euro aktuell noch weniger ist als eine
> Einzelperson als Arbeitslosengeld II erhalten würde. Neben 345 Euro
> kommen Unterkunfts- und Heizkosten von 277 Euro hinzu. Insgesamt käme
> man da jetzt auf den Miniwert von 622 Euro, der im Übrigen unter den
> jetzigen Möglichkeiten lt. BSHG liegt.
>
> 600 Euro wäre auch in vielen Fällen nicht mehr als die ALHI, weil sehr
> viele BezieherInnen auch noch Wohngeld erhalten.
>
> Als Grundeinkommen verstehen die Erwerbslosen- und Sozialhilfe
> initiativen nicht die eiserne Reisschüssel, sondern ein Grundeinkommen
> für alle, das garantiert, bedingungslos und ausreichend ist.
> Ausreichend heißt, dass es bei weitem über der jetzigen Sozialhilfe
> angesiedelt ist.
>
> Lesen Sie doch dazu einfach die Existenzgeld-Sites. Dort sind auch die
> Berechnungsgrundlagen für eine Finanzierung ausgeführt.
>
> Mit freundlichen Grüßen
> Anne Allex
>
>
> Wolfgang Strengmann schrieb:
>
> >Liebe Freundinnen und Freunde,
> >
> >anbei ein Artikel mit dem Titel "Die geplante Zusammenlegung von
> >Arbeitslosenhilfe und
> Sozialhilfe finanzielle Auswirkungen für die Betroffenen und ein
> Gegenvorschlag", der im November letzten Jahres im "Sozialen
> Fortschritt" erschienen ist. Die finanziellen Berechnungen beruhen auf
> einer Simulation auf Basis des Sozio-Oekonomischen Panels (SOEP). Der
> Gegenvorschlag ist ein individuelles Grundeinkommen für Arbeitslose in
> Höhe von 600 Euro. > >600 Euro würde von den Kosten her in etwa in die
> Größenordnung der ehemaligen Arbeitslosenhilfe kommen, würde aber
> trotzdem für die überwiegende Mehrheit der derzeitigen
> Arbeitslosenhilfebezieher, insbesondere der -bezieherinnen eine
> Verbesserung bedeutet. > >Es ist also eine finanzierbare Alternative
> zum geplanten Arbeitslosengeld 2 und damit auch gut als Gegenvorschlag
> im Rahmen der gegenwaertigen Hartz IV-Proteste geeignet. > >Wem 600
> Euro zuwenig ist, kann gerne auch etwas mehr nehmen, ;-) Argument
> könnte z.B. die neue EU-Armutsgrenze (60% des Medianeinkommens) in
> Höhe von ca. 750 Euro für einen Alleinstehenden sein. Die Kosten wären
> dann halt entsprechend höher. > >Schöne Grüße >Wolfgang > >P.S.: Die
> Datei steht auch auf der Grundeinkommenshomepage unter Dateien >
>
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>
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Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
Johann Wolfgang Goethe-Universität
Professur für Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik
Postfach 11 19 32 (Hauspostfach 57)
D-60054 Frankfurt am Main
Telefon: ++49 (0) 69 798 - 23697 (new!)
Telefax: ++49 (0) 69 798 - 28342 (new!)
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