Forum Grundeinkommen - Allgemeine Diskussion zum Grundeinkommen

Welches Grundeinkommen?

Welches Grundeinkommen?

Welches Grundeinkommen?

Das Grundeinkommen sollte bereitgehalten werden für jene,
die weder über Vermögen, noch über Einkommen verfügen,
bzw. bei Vorhandensein einer nur ungenügenden Geldquelle
auf die Grundeinkommenssumme aufgefüllt werden.
Als unbedingt kann dieses weiterhin bezeichnet werden, da
Menschen mit höherem Einkommen damit ein Grundeinkommen
ja bereits haben.

Neben dem unbedingten Daseinsrecht sollte aber, zB. über
neu zu strukturierende, dann; allgemeine (dh. für jeden, zB.
auch, zur Unterbrechung schulischer Ausbildung zugängliche,
und auch zeitlich unbefristete) -Ersatzdienste, auch ein Recht
auf sinnvolle, selbstbestimmte und ganzheitliche, allerdings
unbezahlte (was unwichtig wird, indem man ungezwungen und
für den Eigen- und Tauschbedarf wirtschaftet) Tätigkeit, und ein
Recht auf Weiterbildung (Seminare ähnlich dem Konzept Däne-
marks, allerdings wiederum zwanglos) installiert werden.
Gerade weil Berechtigte vornehmlich Menschen der Unterschicht
sein werden, ist eine Orientierung der Tätigkeitsangebote am
alltäglichen (wie gesagt; Eigen-) Bedarf (Werkstätten, Semi-
narbauernhöfe) und der Lernangebote am Selbstorganisations-
bedarf (Werkstatt-, Hauswirtschaftsschulen) sinnvoll dh.
befriedigend.
Anregende Gespräche am dann selbstgesetzten Kamin sollten
natürlich, und vieleicht erst so möglich werden und bleiben.

MfG
b

Re: Welches Grundeinkommen?

Wenn nur denen, die weder über Vermögen, noch über Einkommen verfügen, ein
Grundeinkommen gezahlt bzw. aufgestockt wird, dann liegt darin eine
Bedingung für den Erhalt des Grundeinkommens. Bedingungslos im umfassenden
Sinne des Wortes wäre ein Grundeinkommen nur, wenn es an jeden gezahlt wird,
egal ob vermögend oder nicht. Das ist auch das Verständnis in der
Fachliteratur, wenn etwa im angelsächsischen Raum oder beim Basic Income
European Network (www.basicincome.org) von einem "unconditional basic
income" gesprochen wird. Ein Grundeinkommen, das nur an die
Einkommensbedürftigen gezahlt wird, als Aufstockung auf einen festgelegten
Mindesteinkommensbetrag, wird dagegen häufig treffend Negative
Einkommenssteuer genannt, weil man in diesem Falle bei
Einkommensbedürftigkeit vom Finanzamt etwas bekommt anstatt an dieses
Steuern zu zahlen.

Mit besten Grüßen
Manuel Franzmann

Re: Welches Grundeinkommen?

Stilblüten aus der gegenwärtigen Praxis

Hallo,

folgendes gehört nicht wirklich hier rein, aber ich war heute morgen auf einer Infoveranstaltung des hiesigen Arbeitsamtes zum ALG II und manche der Informationen und "Stilblüten" mag ich euch dennoch mal hier weiterreichen:

Informationsveranstaltung der Bundesagentur für Arbeit
Zum Antrag Arbeitslosengeld II Mittwoch, 4.8.2004, 8 Uhr im Arbeitsamt


Erinnerungsprotokoll


Auf das eigentlich bekannte verzichte ich in diesem Protokoll und erwähne nur mir unklar gewesene Punkte oder interessante "neu" Informationen.



Referent: jemand vom Innovationsprojekt der Caritas Worms.

Außerdem anwesend: eine Beschäftigte des Arbeitsamtes Worms



Subtiler Eindruck: Caritas-Referent vertritt eher die "Täter"-Seite

Arbeitsamtsvertreterin eher engagiert für die "Opfer"-Seite (mit

etwas Naivität meines Erachtens)





Es werden Listen verteilt mit Angabe von Name und Unterschrift. Kein Wohnort etc.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass das für die Caritas ist um von den Kirchen pro Kopf Teilnahmegelder zusätzlich erhalten zu können.





Anträge Zur Hilfe für das Ausfüllen der Anträge findet am 11.August

um 9.30 Uhr bei der Caritas eine Beratung und

Durchführung in Kleingruppen statt.



Derzeit ist es noch so, dass gar keine Anträge abgegeben

werden können. Das Arbeitsamt verweigert immer noch die

Annahme. Auf Anfrage stehen auch noch keine zusätzlich

benötigten Formulare für die Anträge der "Angehörigen" der

Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung. Man erhält keine beim

Arbeitsamt. Das Arbeitsamt geht davon aus, dass aber recht

bald die Anträge entgegengenommen werden können. Mitte

September steht erst die benötigte Software für die Bearbei-

tung der Anträge zur Verfügung und diese werden dann ab

Oktober eingespeist. Ansonsten wird gebeten, die Anträge

rasch abzugeben (entgegen den Verlautbarungen die in

lokaler Zeitung in Worms zu lesen waren). Die Anträge sind

bei der Leistungsabteilung zu stellen, nicht beim Arbeitsver-

mittler. Bis Ende 2004 werden die Anträge nicht bearbeitet

und kein auszuzahlender Betrag ermittelt. Die Bearbeiter,

die diese entgegennehmen prüfen lediglich die Vollständig-

keit der Angaben. Es erfolgt noch keine Bedarfsberechnung.

Dies machen erst die ab 1.1.05 eingesetzten "Fallmanager",

welche dann die Anträge richtig prüfen und bearbeiten.

Es gibt momentan ein Service-Telefon-Info zum ALG II -

01801/012-012 - , faktisch ist das aber überlastet, denn es

gehen zu viele Anrufe ein (bis zu 20.000).



Empfehlung Um dem ganzen Wirrwarr des komplizierten Antragsstellens

zu entgehen wird empfohlen in die Selbstständigkeit zu

gehen. Das sei auch das eigentliche Ziel dieser Reform.



Arbeitsverpflichtung Im Einzelfall kann auch Arbeit ohne Entlohnung zur Einglie-

derung angeordnet werden. Grundsätzlich gilt jede Arbeit als

zumutbar. Alle Tarifbestimmungen sind für ALG II-

Bezieher aufgehoben. Etwas sarkastisch: Wenn jemand

nicht über entsprechendes Studium verfügen würde müsse

die Stelle des Bankdirektors sicher nicht angenommen

Werden.



Bedarfsgemeinschaft: alle im Haushalt. Wohngemeinschaften werden allerdings als

solche nicht gerechnet. Dabei ist der derzeitige Stand, dass

noch keine wirklichen Vorgehensgaben existieren. Diese

werden aktuell noch genauer abgegrenzt.



Einkommen Fallbeispiel 19jähriger Gymnasiast. Er hat Anspruch auf die

Regelleistung. Da Kindergeld (154 Euro) und eventuelle

Unterhaltszahlungen für Alleinerziehende angerechnet

werden besteht z.B. bei einer Unterhaltszahlung von 180

Euro kein Bedarf mehr und es wird nichts ausgezahlt.



Berechnungsneuigkeiten Wenn die Differenz zwischen früherem Arbeitslosenhilfe-

Bezug und dem ALG II zu ungünstig für den Bezieher

ausfällt gibt es prozentual zeitlich kürzend einen

Zuschlag. Dieser gilt für 2 Jahre - allerdings mit Stich-

Datum des letzten regulären Arbeitslosengeldes.



Unter Mehrbedarf zählt z.B. auch die schwangere Frau

ab der 13.Schwangerschaftswoche. Kommentiert wird

das vom Referenten auch sehr sarkastisch. "Das käme

deswegen weil nach gesetzlicher Regelung dann keine

Schwangerschaftsabbrüche mehr stattfinden dürften".



Vermögen Die Frage nach dem "geduldeten" Vermögen blieben unbe-

friedigend beantwortet. Gelten die ca. 4000 Euro oder die

200 Euro pro Lebensjahr, was bei älteren Beziehern ja er-

heblich mehr ausmacht. Oder gilt gar Regelsumme plus

Pauschale für Lebensalter ?



Wohnung Es gelten sehr strenge Regeln für angemessenen

Wohnraum. Nach einer geduldeten Übergangszeit ist man

verpflichtet auszuziehen. Die Wohnungsvermittlung bei

Umzugsverpflichtung gehört in Fällen, wo das selbstständig

nicht gelingt zu den Aufgabenbereichen des künftigen "Fall-

Managers".



Sozialamt Anspruch auf Sozialhilfe wird es für erwerbsfähige generell

nicht mehr geben. Das Sozialamt wird umbenannt in

"Amt für Grundsicherung" und das Amt wird erheblich kleiner

werden, da es nur noch für nicht erwerbsfähige zuständig ist.





Wie der Wert eines Autos, das man besitzt eingeschätzt

werden wird, weiß momentan noch niemand bei der Arbeits-

Agentur.



Datenschutz Auch wenn nicht generell die Miete direkt an den Vermieter

überwiesen wird besteht in der Antragsausfüllung die Ver-

pflichtung dessen Bankkontonummer anzugeben. Geht das

noch konform mit Datenschutz ? Antwort: alle Kritik an

Datenschutzverstößen sei generell unbegründet.



Auffallend am Rande Der Referent gehört nicht zur Bundesagentur der Arbeit,

sondern zur Caritas (Innovationsprojekt). Dort scheint er

allerdings ebenso Beratungen und Seminare für Arbeitslose

abzuhalten. Es scheint ratsam ihm nicht zu viel

anzuvertrauen. Er brüstet sich z.B. damit, dass er die

Bemerkung eines "Klienten" für 9 Euro Lohn nicht arbeiten

zu wollen natürlich sofort der Arbeitsagentur gemeldet hätte.

Re: @ Manuel Franzmann; >Negativ-Steuer/Grundeinkommen

>Negativ-Steuer, Def. des BIEN
Mag sein. Hauptsache, niemand ist ohne (Einkommen).
Aber; warum soll ich wem, der 5000 E/Monat einsackt
noch 1000 drauflegen, doch nur, um sie ihm per Steuer
gleich wieder wegzunehmen.

Wer FünfTsd hat, der hat doch auch EinTsd.
Wer an der Spitze (der Wohlstandspyramide) steht,
der tut das nicht ohne Unterschicht.
Wer ein Einkommen hat, hat doch auch ein Grund-
einkommen.

Vieleicht ist das aber verwaltungstechnisch einfacher,
dann will ich da nicht gegen sein.

Wesentlich find ich aber zur Form gehörig, das Menschen
möglichkeit haben zur Tätigkeit (Arbeitskraftstilllegungs-
prämie - Nein Danke!), und das sie dort nicht nur Arbeiten,
sondern sich auch (auch praktisch) bilden können.

MfG
b

Re: @ Manuel Franzmann &Silas Bernd; >Negative Einkommenssteuer/Grundeinkommen

Lieber Manuel Franzmann, lieber Silas Bernd,
meine Nachricht kam nicht im Forum an. Deswegen sende ich sie nochmal:

Eine negative Einkommenssteuer unterscheidet sich nur marginal von einem
Grundeinkommen, wenn drei Bedingungen erfüllt sind: 1. Die negative
Einkommenssteuer wird auch Nichterwerbstätigen gezahlt. 2. Ein
Grundeinkommen wird von denjenigen finanziert wird, die ein höheres
Einkommen beziehen (das das nicht immer so ist zeigt Alaska, wo eine
Dividende aus den Ölverkäufen an die Bürger gezahlt wird) und 3. Die
garantierte Einkommenshöhe ist gleich hoch. Dann (und nur dann)
unterscheiden sich Grundeinkommen und Negative Einkommenssteuer nur noch
dadurch, dass bei einem Grundeinkommen die Auszahlung desselben und die
Erhebung von Steuern strikt getrennt sind und bei der negativen
Einkommenssteuer, die Auszahlung des garantierten Einkommens und die
Erhebung von Steuern miteinander verwoben sind (also nicht erst ausgezahlt
und bei den Reicheren dann hinterher steuerlich eingezogen).

Schöne Grüße,
Dirk Jacobi

Re: @ Manuel Franzmann &Silas Bernd; >Negative Einkommenssteuer/Grundeinkommen

Sehr geehrter Herr Jacobi,

ich stimme Ihnen voll zu. Nur eines möchte ich nicht zu unterschätzen
bitten. Letztlich entscheidend ist doch, aus welchen Gründen man ein
Grundeinkommen oder eine anderweitige soziale Sicherung bereitzustellen
gedenkt bzw. worin die Legitimation für ein spezifisches Modell besteht. Bei
einem zum Leben ausreichenden bedingungslosen Grundeinkommen würde sich die
politische Gemeinschaft dazu entscheiden, es der Autonomie jedes einzelnen
Bürgers zu überantworten, sich um einen Erwerbsarbeitsplatz zu bemühen oder
außerhalb der Erwerbsarbeitssphäre einer selbst bestimmten sinnvollen
Tätigkeit nachzugehen. Eine Negative Einkommenssteuer würde dagegen die
Erreichung dieses Ziel einerseits befördern, ihr andererseits aber auch
entgegenstehen. Denn wenn die Grundeinkommenszahlung in der ja letztlich
öffentlich bekannten Berechnungsweise des Finanzamts nicht als Zahlung an
jeden Bürger vorkommt, sondern als Zahlung nur für diejenigen existiert, die
unter eine definierte Mindesteinkommenshöhe fallen, dann kommt darin auch
zum Ausdruck, daß die Zahlung letztlich nur für den Fall der
Einkommensbedürftigkeit gedacht ist. Diese Einkommensbedürftigkeit ist eine
Form von Hilfsbedürftigkeit, bedeutet also die Stigmatisierung als
Hilfsbedürftiger. Und bei Hilfsbedürftigen gilt die Logik, daß sie darum
bemüht sein müssen, aus ihrer Hilfsbedürftigkeit und der dazugehörigen
Stigmatisierung wieder herauszukommen, hier also wieder in Lohn und Brot zu
kommen. Bei genauer Betrachtung zeigt sich also, daß eine Negative
Einkommenssteuer, wie Sie sie beschrieben haben, zwar rein finanziell
ähnlich wie ein bedingungsloses Grundeinkommen die Möglichkeit eröffnet,
freiwillig nicht erwerbstätig zu sein. Aber moralisch ist dies bei einer
Negativen Einkommenssteuer gerade nicht zulässig. Das Modell einer Negativen
Einkommenssteuer ist also seiner inneren Legitimationsstruktur nach der
Arbeitsgesellschaft treu. Es gibt die Erwerbstätigkeit als Normalfall für
jeden Bürger gerade auf, worin es sich vom bedingungslosen Grundeinkommen
fundamental unterscheidet. Die Eigentümlichkeit der Negativen
Einkommenssteuer gegenüber anderen Modellen, die auf die Arbeitsgesellschaft
festgelegt sind, besteht "nur" darin, daß die Erwartung einer
Erwerbsorientierung ausschließlich eine moralische bleibt. Darin ist die
Negative Einkommenssteuer ausgesprochen liberal. Darin öffnet dieses Modell
aber auch eine Flanke für diejenige Kritik, die auf Basis der Prämissen der
Arbeitsgesellschaft mit einem gewissen Recht nicht nur das Fördern sondern
reziprok dazu auch das Fördern anmahnt, also daß man Erwerbslose nicht nur
durch Transferzahlung unterstützt, sondern von ihnen dann auch
Arbeitsbereitschaft verlangt und diese kontrolliert. M.E. zeigt sich darin
die innere Inkonsistenz der Modelle einer Negativen Einkommenssteuer, die
vermutlich dazu geführt hat, daß sie politisch gescheitert ist.

Herr Jacobi und "Silas Bernd", in meinen Augen liegt bei Ihrer überwiegend
monetären Perspektive auf das, was am Ende im Portemonnaie ist, schon eine -
sicherlich ungewollte - Verkürzung. Für eine angemessene Beurteilung der
verschiedenen Modelle ist nicht allein ausschlaggebend, wer am Ende wie viel
Geld bekommt und ob er dafür praktisch verbindlich und kontrolliert
Bedingungen zu erfüllen hat, sondern welches die Zielsetzung der jeweiligen
Modelle ist. Und bei der Negativen Einkommenssteuer ist das eindeutig nicht
die Aufgabe der Erwerbsarbeit als Normalfall. Darin erweist sich etwa
Joachim Mitschke als ganz konservativ, gewissermaßen als ein Liberaler vom
alten Schlage. Bei einer Berücksichtung der Zielsetzungen würde sich zeigen,
daß das bedingungslose Grundeinkommen aus dem Vielzahl der existierenden
Modellkonstruktionen darin unverwechselbar ist, daß es als einziges Modell
konsequent Erwerbsarbeit als Normalmodell des Erwachsenenlebens fallen läßt.
Und das kann man meines Erachtens bei aller Sympathie für die Negative
Einkommenssteuer aus Gründen der Klarheit in der Diskussion nicht deutlich
genug betonen.

Mit besten Grüßen
Manuel Franzmann

Re: @ Manuel Franzmann &Silas Bernd; >Negative Einkommenssteuer/Grundeinkommen

Liebe Freunde,

Manuel Franzmanns Beitrag trägt zur Diskussion bei, sollte aber keinesfalls
als „Definition“ von Ausschlusskriterien des „Netzwerks Grundeinkommen“
verstanden. Eine „negative Einkommenssteuer“ ist selbstverständlich eine der
- technischen - Formen, mit denen ein „echtes“ Grundeinkommen umgesetzt
werden kann. Sein Hinweis auf die unterschiedliche Rückbindung der
Grundeinkommensmodelle an den Arbeitsmarkt ist durchaus berechtigt. Doch mir
scheint es übertrieben, wenn er hinsichtlich eines Rechts auf Faulheit, also
eines freiwilligen Rückzugs vom Arbeitsmarkt schreibt:

„Aber moralisch ist dies bei einer Negativen Einkommenssteuer gerade nicht
zulässig.“

Denn auch bei einer Sozialdividende des Typus „Existenzgeld“ kann - vor
allem wenn sie einigermaßen existenzsichernd ist, also für Bescheidene (bzw.
Schwarzarbeiter oder Vermögende!) nur ein geringer Anreiz zur Erwerbsarbeit
besteht - eine solche moralische Hürde aufgebaut werden. Noch zugespitzter:
Solange die moralische Legitimität leistungsloser Transfers noch so wenig
gesichert ist, wie heute, scheint es mir wenig nützlich, diese technisch ja
sehr ähnlichen Modelle gegeneinander auszuspielen.

Beste Grüße

Michael Opielka



prof. dr. michael opielka

institut für sozialökologie (isö)

_____

Von: Manuel Franzmann [mailto:@carookee.com]
Gesendet: Freitag, 6. August 2004 16:40
An:
Betreff: [Mailingliste-Grundeinkommen:] Re: @ Manuel Franzmann &Silas Bernd;
>Negative Einkommenssteuer/Grundeinkommen

Re: @ Manuel Franzmann &Silas Bernd; >Negative Einkommenssteuer/Grundeinkommen

Ich moechte das noch einmal fett unterstreichen:

Entscheidend ist die Zielsetzung. Ein unbedingtes Grundeinkommen steht dafuer,
dass jede Buergerin und jeder Buerger bzw. jede Einwohnerin und jeder Einwohner
ein Recht (!) auf ein Grundeinkommen hat - unabhaengig von irgendwelchen
Bedingungen.

Am klarsten wird diese Zielsetzung erreicht, wenn wirklich jede Person eine
Sozialdividende in Hoehe von x Euro pro Monat erhaelt. Eine negative
Einkommensteuer, bei der diese Sozialdivende rein rechnerisch mit der
Einkommensteuer verrechnet wird, waere dann nur eine schlichte
Verwaltungsvereinfachung.

Eine negative Einkommensteuer hingegen, die das Ziel (!) hat, nur eine Leistung
fuer "die Beduerftigen" zu bieten und damit lediglich ein (besserer oder
schlechterer) Ersatz der Sozialhilfe sein soll, waere hingegen mit der Idee
eines unbedingten Basiseinkommens nicht vereinbar, weil sie nur unter der
Bedingung "Beduerftigkeit" gezahlt wuerde - was genau zu definieren waere.

schoene Gruesse
Wolfgang
--
Wolfgang Strengmann, Frankfurt
www.wiwi.uni-frankfurt.de/~strengma


Zitat von Manuel Franzmann <@carookee.com>:

> Sehr geehrter Herr Jacobi,
>
> ich stimme Ihnen voll zu. Nur eines möchte ich nicht zu unterschätzen
> bitten. Letztlich entscheidend ist doch, aus welchen Gründen man ein
> Grundeinkommen oder eine anderweitige soziale Sicherung bereitzustellen
> gedenkt bzw. worin die Legitimation für ein spezifisches Modell besteht. Bei
> einem zum Leben ausreichenden bedingungslosen Grundeinkommen würde sich die
> politische Gemeinschaft dazu entscheiden, es der Autonomie jedes einzelnen
> Bürgers zu überantworten, sich um einen Erwerbsarbeitsplatz zu bemühen oder
> außerhalb der Erwerbsarbeitssphäre einer selbst bestimmten sinnvollen
> Tätigkeit nachzugehen. Eine Negative Einkommenssteuer würde dagegen die
> Erreichung dieses Ziel einerseits befördern, ihr andererseits aber auch
> entgegenstehen. Denn wenn die Grundeinkommenszahlung in der ja letztlich
> öffentlich bekannten Berechnungsweise des Finanzamts nicht als Zahlung an
> jeden Bürger vorkommt, sondern als Zahlung nur für diejenigen existiert, die
> unter eine definierte Mindesteinkommenshöhe fallen, dann kommt darin auch
> zum Ausdruck, daß die Zahlung letztlich nur für den Fall der
> Einkommensbedürftigkeit gedacht ist. Diese Einkommensbedürftigkeit ist eine
> Form von Hilfsbedürftigkeit, bedeutet also die Stigmatisierung als
> Hilfsbedürftiger. Und bei Hilfsbedürftigen gilt die Logik, daß sie darum
> bemüht sein müssen, aus ihrer Hilfsbedürftigkeit und der dazugehörigen
> Stigmatisierung wieder herauszukommen, hier also wieder in Lohn und Brot zu
> kommen. Bei genauer Betrachtung zeigt sich also, daß eine Negative
> Einkommenssteuer, wie Sie sie beschrieben haben, zwar rein finanziell
> ähnlich wie ein bedingungsloses Grundeinkommen die Möglichkeit eröffnet,
> freiwillig nicht erwerbstätig zu sein. Aber moralisch ist dies bei einer
> Negativen Einkommenssteuer gerade nicht zulässig. Das Modell einer Negativen
> Einkommenssteuer ist also seiner inneren Legitimationsstruktur nach der
> Arbeitsgesellschaft treu. Es gibt die Erwerbstätigkeit als Normalfall für
> jeden Bürger gerade auf, worin es sich vom bedingungslosen Grundeinkommen
> fundamental unterscheidet. Die Eigentümlichkeit der Negativen
> Einkommenssteuer gegenüber anderen Modellen, die auf die Arbeitsgesellschaft
> festgelegt sind, besteht "nur" darin, daß die Erwartung einer
> Erwerbsorientierung ausschließlich eine moralische bleibt. Darin ist die
> Negative Einkommenssteuer ausgesprochen liberal. Darin öffnet dieses Modell
> aber auch eine Flanke für diejenige Kritik, die auf Basis der Prämissen der
> Arbeitsgesellschaft mit einem gewissen Recht nicht nur das Fördern sondern
> reziprok dazu auch das Fördern anmahnt, also daß man Erwerbslose nicht nur
> durch Transferzahlung unterstützt, sondern von ihnen dann auch
> Arbeitsbereitschaft verlangt und diese kontrolliert. M.E. zeigt sich darin
> die innere Inkonsistenz der Modelle einer Negativen Einkommenssteuer, die
> vermutlich dazu geführt hat, daß sie politisch gescheitert ist.
>
> Herr Jacobi und "Silas Bernd", in meinen Augen liegt bei Ihrer überwiegend
> monetären Perspektive auf das, was am Ende im Portemonnaie ist, schon eine -
> sicherlich ungewollte - Verkürzung. Für eine angemessene Beurteilung der
> verschiedenen Modelle ist nicht allein ausschlaggebend, wer am Ende wie viel
> Geld bekommt und ob er dafür praktisch verbindlich und kontrolliert
> Bedingungen zu erfüllen hat, sondern welches die Zielsetzung der jeweiligen
> Modelle ist. Und bei der Negativen Einkommenssteuer ist das eindeutig nicht
> die Aufgabe der Erwerbsarbeit als Normalfall. Darin erweist sich etwa
> Joachim Mitschke als ganz konservativ, gewissermaßen als ein Liberaler vom
> alten Schlage. Bei einer Berücksichtung der Zielsetzungen würde sich zeigen,
> daß das bedingungslose Grundeinkommen aus dem Vielzahl der existierenden
> Modellkonstruktionen darin unverwechselbar ist, daß es als einziges Modell
> konsequent Erwerbsarbeit als Normalmodell des Erwachsenenlebens fallen läßt.
> Und das kann man meines Erachtens bei aller Sympathie für die Negative
> Einkommenssteuer aus Gründen der Klarheit in der Diskussion nicht deutlich
> genug betonen.
>
> Mit besten Grüßen
> Manuel Franzmann
> _____________________________________________________________________________
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>


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Re: @ Manuel Franzmann &Silas Bernd; >Negative Einkommenssteuer/Grundeinkommen

Lieber Michael, liebe Diskutanten,

ich möchte folgendes klarstellen. Das Ziel meiner letzten E-Mail war
zunächst einmal nur, Differenzen in der Sache möglichst klar zu markieren,
damit sie in der Sachdiskussion nicht untergehen oder gar übersehen werden.
Bei dem von mir herausgestellten Punkt ist das meiner Erfahrung nach
geradezu notorisch der Fall. Ich wollte damit nicht zugleich für die
politische Strategie argumentieren, das bedingungslose Grundeinkommen derart
gegen die Negative Einkommenssteuer auszuspielen, daß für Vertreter von
letzteren im Netwerk kein Platz sei. Was aus meiner Argumentation indirekt
politisch folgt, ist allerdings, das gebe ich zu, daß meiner Ansicht nach
die Negative Einkommenssteuer als Lösungsmodell aufgrund der benannten
Inkonsistenzen politisch ein zahnloser Tiger ist, der mit Leichtigkeit von
den Vertretern des Förderns und Forderns vom Tisch gewischt werden kann und
dem ich insofern auch wenig Durchsetzungschancen bescheinige. Ich möchte
diese Ansicht mit den mir zur Verfügung stehenden Argumenten den Vertretern
anderer Modelle innerhalb unseres Netzwerks lediglich verständlich zu machen
suchen und das Modell eines bedingungslosen Grundeinkommens stark machen.
Für einen "Ausgrenzungsbeschluß" argumentiere ich also keineswegs.

Meine Argumentation zielte auch allein auf die Modellimplikationen als
solche ab. Das Modell eines bedingungslosen Grundeinkommens würde als
solches die Nicht-Erwerbstätigkeit als legitime autonome Entscheidung jedes
Einzelnen fassen, unabhängig davon, wie dies im Diskurs gedeutet wird.
Genauso ist in der Modellkonstruktion der Negativen Einkommenssteuer als
solcher die grundsätzliche Beibehaltung der Erwartung einer
Erwerbsorientierung enthalten. Und wenn in einer Gesellschaft, in der es ein
bedingungsloses Grundeinkommen gäbe, der öffentliche Diskurs moralisch
dennoch eine Erwerbsorientierung verlangte, dann wäre das schlicht ein
Widerspruch zwischen dem in den institutionellen Regelungen geronnenen
"objektiven Geist" und der subjektiven Selbstdeutungen dieser Gesellschaft.
Daß diese institutionellen Regelungen letztlich die entscheidende Ebene
sind, zeigt sich an dem Gedankenexperiment, daß bei einer Gesellschaft mit
konsequent durchgeführten Hartz IV-Gesetzen nicht viel gewonnen wäre, wenn
in der Öffentlichkeit trotzdem konsensual immer die freiwillige
Nicht-Erwerbsarbeit als legitim dargestellt würde. In diesem Fall müßten
eben auch die dementsprechenden institutionellen Regelungen her.

Zu Wolfgang Strengmanns Einwurf möchte ich folgendes zum Stichwort
Verwaltungsvereinfachung sagen . Ich sehe nicht, wie das Finanzamt bei einem
konsequent bedingungslosen Grundeinkommen etwa bei denjenigen, die ein hohes
Erwerbseinkommen haben, in der Berechnung der Steuerlast einfach von der
Einbeziehung des Grundeinkommensbetrag absehen kann, ohne dadurch das
Berechnungsergebnis zu verfälschen. Nach meinem Verständnis bekommt nur dann
jeder den gleichen Grundeinkommensbetrag, wenn am Ende der Berechnung der
Steuerlast bei den nach allen individuellen Abzügen, Freibeträgen und
Abschreibungsmöglickeiten zu zahlenden Steuern der Grundeinkommensbetrag
abgezogen wird. Würde man dagegen einfach von vornherein die Steuern senken,
dann muß das doch je nach Individuum eine unterschiedliche steuermindernde
Wirkung haben und dazu führen, daß am Ende doch nicht jeder den gleichen
Grundeinkommensbetrag gutgeschrieben bekommen hat. Oder irre ich mich da.
Ich frage das ganz im Ernst, weil ich kein Steuerexperte und auch kein
Betriebs- oder Volkswirt bin.

Mit besten Grüßen
Manuel Franzmann