Re: Blitztexte
Mehr Zeit bitte!
Bis 22.05 Uhr, ok?
Mehr Zeit bitte!
Bis 22.05 Uhr, ok?
ok
Ich sag: vergessen
Heide. Pelz. Vergessen. 22:05. LOS!
Wenn die Sonne auf die Heide brennt und der Boden diesen trockenen Geruch von Sommerhitze verströmt, dann können Teenager sich bestens entjungfern, Kinder Schlumpfdörfer aufbauen und Damen Spaziergespräche führen. Vielleicht wieselt noch ein Eichhörnchen mit rötlichem Pelz durch die Blaubeersträucher am Wegesrand. In der Ferne rollen Panzer um ihre Truppen zu üben, oder die Truppen üben Panzerrollen, aber das kann die Teenager nicht an ihrem ersten Erkundungsstündchen hindern und die Kinder bauen sowieso immer überall ihre Schlumpfdörfer auf.
Einzig die Damen auf ihrem Weg, die sich Lönsgedichte vortragen und von ihren Liebhabern träumen, stört das Grollen im Hintergrund.
Aufgewachsen in einer Zeit, in der Panzer nicht zum Fuhrenäppelbewerfen, sondern als Angstmacher unterwegs waren, können sie nicht vergessen, wie schlimm es einmal war. Die Heide erzählt davon.
Aber dann gelangen sie an ein stilles Plätzchen, auf dem zwei Jugendliche sich kennenlernen, den anderen auch, und vier kleine Kinder ziehen einen Schlumpfanhänger aus der Serie Western vollgestopft mit Marienkäfern herbei. Das ist dann die Heide. Hier bin ich aufgewachsen.
Mahnung an das Vergessen
Früher, wenn die eleganten Damen ihren Pelz ablegten, da nahmen die Dinge ihren Lauf. Früher, wenn die Herren ihre Gewänder beiseite warfen, da wussten die Damen, was zählte. Was wichtig war. Früher gab es keine Damen und Herren, die nie so etwas taten. Von Rechts wegen, ja, von Glaubens wegen war das eine gute Einrichtung, eine gute Übereinkunft, ein gesellschaftliches Glaubensbekenntnis. Ja, meine Lieben, es gehörte zum guten Ton. Dieser gute Ton wandelte sich direkt nach Pelzablegen, nach dem Gewandabwurf in zahlreiche, ebenso gute, nur andere, ja, wunderbare Töne. In Gurrende, Raunende, Flüsternde, Schreiende, Zaudernde und Zischelnde, Stöhnende. Früher wusste die Damen und Herren, was gute Töne waren. Nie wurde das vergessen. Früher wussten sie das noch! Heutzutage nicht mehr. Heute gibt es doch nur noch Heiden. Die glauben an gar nichts! Der Glauben ging ihnen verloren und sie wurden stumm. Wie schade um unsere Töne, diese wunderbaren!
Susanne hatte in der Heide ihren Pelz vergessen. Das komische daran ist, dass es ein ziemlich heißer Tag war, und man sich fragte, also insbesondere Herbert, der fragte sich und schließlich auch Susanne, naja, eben nach dem Pelz. Den hatte er ihr damals zum Geburtstag geschenkt. Zu welchem spielte keine Rolle, so lange kannten sie sich nämlich noch nicht. Genaugenommen hatten sie erst einen zusammen gefeiert, und das Alter, das Susanne Herbert genannt hatte, hatte er ihr sowieso nicht abgenommen. Es war auch kein Alter, für das man schon einen Pelzmantel geschenkt bekommt. Eher ein Schlüpferalter, wenn nicht sogar Top. Aber er hatte ihr ja, wie gesagt, sowieso nicht geglaubt. Ich weiß nicht, ob sie ihm dies übel genommen hatte, insgeheim vielleicht, aber ihre Freude über den Pelzmantel schien dennoch groß gewesen zu sein, und zur Sicherheit hatte er ja auch das Preisschild drangelassen.
Nun war der Pelzmantel also weg. Und Susanne in Erklärungsnot. Herbert stellte sich das so vor: Sie war mit diesem Typen aus dem Fitnessstudio, dem mit dem Augenbrauenpiercing und den Tattoos überall auf seiner Bratapfelhaut, oder vielleicht auch mit Frank von oben oder wer weiß mit welchem ihrer Fans in die Heide oder ins Moos oder ins Moor gefahren, und weil der Blödmann keine Decke mitgenommen hatte, hatten sie es auf dem Pelz miteinander getrieben, und danach sah das gute Stück eben leicht mitgenommen aus, wer weiß womit getränkt, und dann hatte sie ihn eben flugs in die Reinigung gebracht und sich selbst auch, frisch gebadet wie sie roch. Innerlich bebte er, aber außen merkte man ihm nichts an. Nur sein Augenlid zuckte ein wenig. Eine Geste der Verzweiflung. Sie bemerkte immerhin den vorwurfsvollen Unterton seiner Frage: "Du hast deinen Pelz wo vergessen?"
"In der Reinigung, Schatz!" Sie gab ihm einen Luftkuss und lächelte. Er bekam einen Ständer. Das Leben konnet so einfach sein.
"Bist du so nett und holst ihn morgen ab, wenn du von der Arbeit kommst?"
"Natürlich, mein Schatz!" Er zog seine Hose herunter und stieg zu ihr in die Badewanne.
Ich war so in Schreiblaune. Das hätte was längeres werden können.
Vielleicht wirds das ja noch. Ist womöglich noch nicht ausgewachsen.
Also. Die Heide inspiriert. An Panzer dacht ich da nicht. Löns und Panzer. Passt stimmig zusammen in Silkes Lob der Heimat.
Bei Judith sind es die Heiden. Warum kommen die eigentlich so schlecht weg. Obwohl, tun sie das? Muss ich eben noch mal lesen. Jedenfalls ist die Geste des Ablegens schon ein Miniatürchen wert. Hast du einen Pelz, Ju?
Welcher Mann trägt denn noch Gewänder?
Ich bin da nicht so bewandert.