Re: Prosa für Nachdenkliche
Ja, das muss auf die Bühne!
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Hier stand früher: "Frauen neigen zum Gegenteil." Aber jetzt nicht mehr.
Ja, das muss auf die Bühne!
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Hier stand früher: "Frauen neigen zum Gegenteil." Aber jetzt nicht mehr.
Danke, dass du mich drauf aufmerksam gemacht hast, Judith. Der Text ist hier falsch, finde ich, aber das lässt sich ändern.
Stimme Matthias zu: Dein "Ficken" gehört auf die Bühne!
Und - aber das nur am Rande - wenn ein Kerl den Text vorlesen würde, wäre er nur halb so amüsant. Der Text. Höchstens.
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Wieso falsch? Der ist doch wahrlich nachdenklich, oder?
So gesehen hast Du natürlich recht!
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Anfassen
Ach bitte, dürfte ich Sie mal eben anfassen?
So etwas würde ich natürlich nie fragen! Ganz abgesehen davon, weiß ich auch gar nicht, ob ich das überhaupt will. Anfassen, mein ich. Fragen schon. Ich hab das doch nur mal so allgemein dahin gedacht. Fragen kann man ja mal, finde ich. Gedanklich nur.
Es war schon wieder Sonntag. Puh! Und ich weilte schon wieder Schwimmbad. Ich lag wie üblich auf meiner Liege beim Nichtschwimmer und sinnierte. Über alles Mögliche, Ihr wisst schon. Meine Gedanken flossen ins Chlorwasser. Dort schipperten sie ein wenig herum und tauchten dann ab. Manche waren so schön, dass ich eine Geschichte aus ihnen machen wollte. Doch ich wurde ständig abgelenkt. Ich war ja so unkonzentriert. Das kam zum Beispiel vom vielen Kindergeschrei überall, das störte mich schon sehr. Das lenkte mich auch ab. Und dann war da auch noch dieser Chinese dort. Der war so glatt.
Der Chinese spielte mit seinen drei Kindern. Im Nichtschwimmerbecken. Sehr dezent und angemessen. Das war hübsch. Der Vater war glatt, weniger hübsch, doch seine Bengels waren zauberhaft. Ich suchte nach der dazugehörigen Mutter, einer chinesischen Frau natürlich und fand nahe dem Viereridyll eine dunkelhaarige Deutsche. Auch hübsch. Die Kinder sahen ihr ähnlich. Und da fragte ich mich, wieso wohl gerade diese beiden Menschen eine Familie gegründet haben. Wo sie doch gar nicht unterschiedlich aussahen. Und gleich darauf schalt ich mich eine Frau voller Klischees. Pfui!
Ach bitte, dürfte ich Sie mal eben anfassen?
Ich stellte mir vor, wie ich genau das fragte und der Chinese irritiert schaute. Natürlich hätte ich ihn nie so etwas gefragt, das wäre mir doch viel zu peinlich! Schon seiner Frau wegen. Aber ich hätte ihn gerne einmal angefasst. Seine glatte, seriöse, chinesische Haut, wenn ichs mir recht überlege. Nur so, um zu wissen, obs sich anders anfühlt. Ich weiß, ich widerspreche mir gerade, ist ja auch etwas unlogisch, weiß ich doch. Und voller Klischees. Na ja, und wie ich da so saß und nichts zu tun hatte, als nur den Chinesenvater anzuschauen, da ging ich dann noch ein wenig weiter und stellte mir Sex mit ihm vor. Pfui, wie ungehörig, denkt Ihr vielleicht, aber ruhig Blut, es gelang mir ja auch gar nicht. Es ging nicht, gedanklich so. Ich hatte sozusagen versagt. Innerlich. Gleich darauf stellte ich mir aber vor, den Chinesen zu lieben und siehe da, das klappte sehr wohl.
Natürlich hab ich mich über mich gewundert, dass ich mir so etwas sehr wohl vorstellen konnte. Ich hob unversehens den Blick, ließ erst mit meinem Blick, dann mit meinen Gedanken vom Chinesen fortschweifen, hinüber zum Sprungturm und sah darunter einen Mann. Natürlich waren da mehrere Männer unter dem Sprungturm, die standen da ja an, quasi hintereinander weg. Das sah auch recht hübsch aus, wie sie da so standen. So geduldig. Ja, und ich erinnerte mich, wir waren ja deshalb überhaupt hier her gekommen. Wegen des Sprungturms. Mein Sohn liebte es, vom Zehner zu springen und so was nenn ich im Übrigen wirklich pfui, aber egal! Das tut jetzt nicht zur Sache. Denn das was ich da sah, versetzte mich in echtes Erstaunen. Absolut. Dieser Mann da vor dem Sprungturm hatte extrem flauschige Schultern. Ich dachte zunächst, meine Augen könnten nicht mehr richtig scharf stellen, gab schon dem Bier vom gestrigen Abend die Schuld, da erkannte ich, dass es Haare waren. Unglaublich viele. Unglaublich lange. Die gesamten Arme hinunter und auch den Rücken entlang verteilten sie sich. Und auf der Brust natürlich. Wenn mans genau nimmt, sind das ja Schamhaare. Strukturell, mein ich. Sie waren sehr hell, graumeliert und standen fedrig ab. Dadurch wirkte der Mann viel voluminöser, als er eigentlich war, das erkannte ich sofort.
Ach bitte, dürfte ich wenigsten Sie nur einmal anfassen? Ach bitte!
Das muss ein Erlebnis sein! Natürlich fragte ich ihn nicht, was glaubt denn Ihr! Ich staunte ein wenig herum, stellte mir wieder einmal vor, ausgerechnet diesen Mann zu lieben, kam etwas in Schwierigkeiten dabei, nur gedanklich so und weil die Gelegenheit so günstig war, dachte ich noch geraume Zeit über Sinn und Unsinn des Liebens nach. Das gelingt mir ja immer, wisst Ihr, da hab ich gar keine Schwierigkeiten mit. Da bin ich sehr abgefüllt mit Klischees.
Nein, das Kuscheln mit ihm wäre bestimmt viel zu kratzig. Ich ließ diese Vorstellung vorschnell aus meinem Hirn verschwinden. Liebe und Klischee hin oder her, das ging selbst mir zu weit. Und plötzlich fiel das filigrane Körperchen meines Sohnes zehn lange Meter tief und platschte ins Wasser und mein Herz fiel hinterdrein und schmerzte und ich drehte mich deshalb fort, hin zu einer Gruppe offensichtlich frischgebackener Eltern. Denn von dort tönte grelles Babygeschrei zu mir herüber und lenkte mich ab. Na, wisst Ihr, so etwas kann ich ja ganz schlecht aushalten! Warum schauten die Vier bloß so debil drein, he? Das war doch nicht zum Lachen, wenn ein Baby schreit! Auch wenn man auf Keramikstufen im Schwimmbad sitzt und auch wenn das andere Baby lacht und juchzt und planscht und man eigentlich seine Ruhe haben will. Ich fragte mich kurz, ob auch ich wohl so debil dreingeschaut hab, als meine Babys neu waren und hoffte das nur nicht. Die Säuglingssirene hielt indes an.
Meine Stimmung war nun versaut, ich klaubte die Handtücher zusammen und zog von dannen. Schnell sammelte ich die Kinder ein, die natürlich maulten und klagten, die Zeit wäre viel zu kurz gewesen und überhaupt. Egal, ich strebte zur Umkleide und da kam mir ein Junge entgegen. Der war noch recht halbwüchsig, obwohl schon ziemlich pubertär und muskulös und überdies pechschwarz. Ich mein, so richtig, richtig dunkel.
Ach bitte, dürfte ich Dich vielleicht eben mal
anfassen?
Als er nickte, winkte ich nur müde ab und verschwand unter der Dusche.
Sequenz m.m.
Wir sprechen chronisch vom Leben in großen Spuren, sage ich. Wir wünschen, bis unsere Münzen das Wasser in den Brunnen verdrängen.
Doch du schaust mich nur an. Du Künstlerkind mit wildem Schopf und himmelblauen Hosen. Schaust und wickelst die Arme um die Knie.
Steh auf, sag ich dir, steh auf und bürde nicht. Bürde nicht jedem Atemzug die Last der großen Erwartung auf, die er mühsam in die Lungen schleppt. Steh auf und tritt einen Schritt zurück. Nimm die Pinsel von deinem Puls, lass das Blut ungehemmt fließen um des Fließens willen. Und nicht, um seiner Farbe willen. Steh auf und sag es leise. Nimm dabei jeden Ton aus deiner Stimme. Sage es, ohne zu sprechen, ohne den Charme einer Verkündung. Steh auf und lass den Herbst von deiner Brust fallen, wirf ihn ab, nimm ihm die Gewissheit seines Gewichts . Widerstehe seinem Geflüster, schau weg, wenn er sich in deine Farbtöpfe stiehlt. Steh und sag leise: Du sollst mein schönstes Geheimnis sein. Dann schweig. Und wärme dich einfach am nackten TackTack deines Herzschlags.