Touché, mein Liebster!
Sie sehen mich entwaffnet.
Lassen wir nun den Champagner fließen und genießen wir unseren Reichtum!
Ich muss ihnen gestehen, ihren "Anlageberater" habe ich dann doch in mein Büchlein notiert. Ein feines Wortspiel.
Die Gazelle will ich hegen als wäre sie mir ähnlich.
Hochachtungsvoll, Ihre Nachbarin (um einige Häuser reicher)
Winnetou-Imitator gefällig?
Irgendwie ist mir furchtbar schwindelig. Ich fühle mich weiterhin reich und allen anderen überlegen, aber von meiner Selbstachtung bleibt nicht viel über, als ich meinem Gastgeber in die Fontaine kotze und sich diese gesunde Mischung aus Magensäure, Eiern, Toast, Kaffee und Kuchen sich gleichmäßig im Brunnen verteilt.
"Tschullijung", lalle ich.
Ich hätte eh längst auf hören sollen, Kaffee zu trinken.
Das mir dann plötzlich das Augenlicht ausbleibt passt auch nur ins Bild.
"Kann mal wer die Sonne wieder anmachen?"
Ziellos taumle ich durch die Gegend, bis ich an eine Holztür komme und sie öffne. Dahinter riecht es muffig.
Ich falle hinein und reiße mit meinem durch die Gegend rudernden Armen eine Heckenschere von der Wand. Der grelle Schmerz in meiner rechten Schulter bringt sofort mein Bewusstsein zurück.
Hörte ich einen Schrei? Sollte ich die Garde rufen? Ob Alfonso einmal nachsieht?
Nein... Ich warte, bis es noch einmal schreit. Dann kann ich die Richtung ausmachen und die Zuständigkeit ist etwas geklärter. Könnte sich ja eher auf dem Grundstück meiner Nachbarin (ich hatte sie unterschätzt) oder bei diesem seltsamen Chemie-Professor, der immer mit Kaffeetabletts rumläuft und dabei so seltsam rummurmelt - man sollte ihm die Murmeln wegmehmen, ja wirklich...
Mmh...
Ich mag keine Schreie hier in der Gegend. Sie sind so... störend. Sie passen nicht in diese Gegend, tatsächlich. Es ist mir bisher nicht aufgefallen, aber nun...
Nein. Es sollte nicht schreien in dieser Gegend. Es hat kein Benehmen. Wo doch sowieso alles gerade etwas - wie soll ich mal sagen? Ja... Es ist lebhaft geworden hier. Wie unangenehm. Und der Winnetou-Imitator wartet immer noch auf seinen Einsatz. An was man alles denken muss...
Auch mir ist, als habe ich einen Schrei vernommen?
Meine Jungmänner weiß ich alle in Sicherheit, kann es nur ein Unbekannter gewesen sein. Ob mein allerliebster Nachbar vielleicht Fallen stellt? Nein, ich will nichts unterstellen. Nicht mehr.
Hat gar die Gazelle etwas gerissen?
Mir wurde ein Winnetou-Imitator angeboten. Was macht man blos mit einem solchen? Ich müsste ja meinen ganzen Park umgestalten lassen in Richtung Prärie. Winnetou und Rhododendron ginge ja nicht.....
Der Schrei! Es schrie! Ich werde jemanden anrufen, der sich darum kümmert. Vielleicht der Bezirksratsvorsitzende? Nein, Sonntags ist der auf der Rennbahn. Ich melde es der Feuerwehr! Oder wollen die lieber auch mal ihre Ruhe am Sonntag? Ich störe nicht gerne!
Ich weiß! Ich rufe den Marktleiter vom Beki an. Der Mensch ist so hilfsbereit, trägt mir alle Einkäufe nach Hause, also jedenfalls bis zu meinem Einkaufs-Jaguar und weiß einfach alles über gute Soßen zum Fisch.
Ja, der wird wissen, was wir hier mit so einem Schrei anfangen können......
Jetzt ist alles still. War wohl nix... Ich geh mal die Fontainen gießen. Ob ich doch das Angebot der Nachbarin annehme? Wenn ich den Jungen dann zur Schule schicke und er lernt den Umgang mit Wasser...? Aber das dauert, und in der Zwischenzeit...?
Problem, nix als Probleme!!
Ach ich ruf einfach meinen Nachbarn an! Ob er den Schrei gehört hat? Oder schrie er ihn selber? Wie spannend!
Tiptiptiptip....Hallo liebe Auskunft. Ich hätte gerne bitte einmal die Nummer von meinem Nachbarn, ja?
Nein, das ist so ein Großer mit Fontaine und Schuppen hinterm Haus. Gucken sie doch mal unter Chemikern nach, der daneben ist es dann. Ja genau. Nein?
Hat neulich ein Mensch bei ihnen nach Winnetou-Imitatoren-Telefonnummern gefragt? Ja? Dann geben sie mir doch bitte die Nummer dessen.
Danke. Es geht doch!
Tiptiptiptiptiptip.........Klingeling!
Telefon!
Mein Gott, wann kommt das mal vor. Das ist Jahre her. An sich hat es doch keine Gründe. Also, dass es klingelt. Ob ich ran gehe? Himmel, mir ist grad nicht nach Abenteuer. Wer könnte meine Nummer haben? Ich hab doch geheim... Wegen der vielen Spendenanfragen. Nein, ich geh da nicht ran. Vielleicht Alfonso...? Wenn er die Stimme verstellt...? Damit ich wenigsten weiß, wer das ist? Es klingelt immer noch... Eine sehr resolute Person, die da anruft, wirklich. Eine Person mit Ausdauer. Na gut - ich geh mal ran. So, ganz vorsichtig... Ich hebe den Hörer ans Ohr und...
Tja. Hab ich mir gedacht. Zu spät. Ich muss dringend meine Entscheidungen schneller treffen. Ob das am Alter liegt? Oder am vielen Kaviar. Oder der ständige Sex, das bleibt ja auch nicht ohne Folgen. Also, am besten, ich setze mich jetzt neben das Telefon. Falls es noch mal klingelt. Jawoll! Oh je... Hoffentlich erschrecke ich mich dann nicht so.
Jetzt ist er nicht ran gegangen. Vielleicht war er es gar nicht. Die liebe Auskunft hat mir eine fremde Nummer gegeben und fast hätte ich einem neuen Menschen alles über den Schrei und die Fontaine und den Abwasch erklären müssen! So ein Glück, dass er nicht ran gegangen ist.
Und es hat ja auch nicht wieder geschrien. Solche Dinge klären sich von selbst. Vielleicht, dass es auch nur so ein Rufen war. Es klang ja irgendwie fröhlich, fast erleichtert.
Oder Alfons der Gärtner hat im Schuppen einen umgebracht. Ja. So klang es. Ich rufe nochmal an! Ich hab ja auch Pflichten.
Der Nachbar zählt bestimmt grad sein Geld und konnte wegen des Klimperns nichts hören.....
.....TIPTIPTIPTIPTIPTIP!!!!! KLINGELINGELINGELING!!!!!
Durch die dumpfe Dunkelheit dröhnt hallend das Klingeln eines Telefons. Unendlich weit weg scheint es, doch schüttelt es das Getriebe in meinem Kopf gut durcheinander.
Ich beiße die Zähne zusammen und drehe mich auf den Rücken. Durch die Schnittwunde in meiner Schulter sickert warmes, klebriges Blut in mein Jackett.
Lichter tanzen um mich herum, doch kann ich immer noch keine klaren Formen ausmachen.
Mir ist furchtbar übel.
Ich höre mich schreien, das dritte Mal, obwohl ich nicht schreien will, der folgende Kopfschmerz bringt mich um.