Azkaban
Ein winziger Wassertropfen löste sich von der Decke der winzigen Zelle und fiel mit einem leisen Geräusch auf den Boden. Sein Weg wurde von sehr hellen Augen verfolgt, die in der Dunkelheit fast zu leuchten schienen.
Diese Wassertropfen waren das einzige Zeichen dafür, dass in dieser winzigen dunklen Zelle in den Tiefen von Azkaban überhaupt Zeit verging und Kiran Montague wusste nicht, wie oft er sie schon beobachtet hatte. Immer wieder dachte er, dass das Fallen der Tropfen wie Stiche war. Wie Messerstiche in den Boden der Zelle. Wenn er das beobachtete fiel es ihm leichter klar zu denken. Oder besser gesagt: Dem Teil seines Gehrins der noch klar denken konnte, fiel es dann leichter die Oberhand zu bewahren.
Er war dankbar, dass es diesen teil noch gab auch wenn er wusste, dass er sich immer weiter zurückzog, immer kleiner wurde. Oft kam er nicht mehr zum Vorschein, aber wenn er da war, dann sagte er ihm was er tun musste. Und der kranke Teil seines Geistes hielt sich weitgehend daran. Es war das einzige Licht in seiner Dunkelheit.
Er erinnerte sich dunkel daran, dass ihm einmal verschiedene Dinge wichtig gewesen waren. Eins nach dem anderen waren sie verblasst und jetzt gab es nur noch die Dunkelheit und William Misfit. Dieser eine Name war in seinen Gedanken wie ein leuchtender Stern, der ihm den Weg wies. Alles was er tat: essen schlafen, atmen ... alles tat er nur weil es ihm seinem Ziel näher brachte. William Misfit zu besitzen. Auch der kleine klare Teil seines Gehirns existierte nur noch, weil es diesem Zweck diente. Weil er es brauchte.
Alle Stimmen in seinem Kopf riefen nach ihm, schon seit er damals in diesem schäbigen Hotelzimmer endgültig den Verstand verloren hatte. Das war der größte Fehler den er jemals begangen hatte. Es hatte ihn weit weg von William gebracht. Weit weg.
Die Tür seiner Zelle wurde geöffnet und er senkte automatisch den Kopf und legte die Hand vor die Augen, um nicht von dem bisschen Helligkeit geblendet zu werden, das hereinkam.
"Mister Montague?" sagte eine sanfte Stimme und er stand auf. Er wusste, dass er nett sein musste zu dieser Frau. Das war wichtig für das Ziel. Sehr wichtig. Jetzt noch. Irgendwann würden sich seine Hände um ihren weißen schlanken Hals legen und zudrücken, aber jetzt war noch nicht die Zeit dazu. Jetzt noch nicht.
"Hallo Jane" sagte er lächelnd. Sie lächelte zurück. "Wie geht es ihnen heute?" Sie fasste nach seiner Hand und streichelte ganz leicht darüber. Ja, er würde sie erwürgen, denn ein Messer konnte er nie mehr in die Hand nehmen. Auch wenn er früher immer ein Messer gehabt hatte. Aber das ging nicht mehr. Das Messer hatte William wehgetan. Es war das Messer gewesen, nicht er. aber William hasste ihn dafür. Auch wenn es falsch war Und er würde ihm ERKLÄREN dass es falsch war. Oh ja, das würde er. Er würde es ihm erklären.
"Gut, aber diese Feuchtgkeit bringt mich um" sagte er freundlich. Immer noch hatte er eine schöne Stimme, auch wenn man hätte vermuten können, dass sie in all den Jahren im Kerker heiseer geworden wäre.
"Ich verspreche ihnen, dass ich sie da raushole" Jane streichelte über seinen Arm.
Er lächelte wieder, aber dieses Mal war es gut, dass sie in die andere Richtung sah, denn hätte sie dieses lächeln gesehen, wäre es ihr wahrscheinlich eiskalt den Rücken heruntergelaufen.