Revolution von oben
Die wichtigsten Trommler für ein anderes Deutschland
Fünf Reforminitiativen hämmern der Bevölkerung mit millionenschweren Anzeigenkampagnen und prominenten Unterstützern ihre Botschaft ein: Reformen sind gut - Sozialabbau ist besser!
Bürgerkonvent
These: Meinhard Miegel (früher CDU-Bundesgeschäftstelle) will den Reformstau in Deutschland "aktiv überwinden" - durch TV-Spots, öffentliche Auftritte und lokale Konvente.
Unterstützer: Hans-Olaf Henkel, Roland Berger, Otto Graf Lambsdorff, Peter Glotz, Rupert Scholz.
Finanzierung: unklar, nach stern-Informationen u. a. durch Düsseldorfer CDU-Großspender.
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (auch: Chancen für alle)
These: Soziale Marktwirtschaft ist durch zu viel Wohlfahrtsstaat überlastet, er muss gestutzt werden. Haben den "Reformer des Jahres" wählen lassen, schalten Anzeigen, platzieren Unterstützer in Talkshows.
Kuratorium: Hans Tietmeyer, Martin Kannegiesser (Gesamtmetall), Oswald Metzger, Randolf Rodenstock, Edmund Stoiber u. a.
Unterstützer: Arnulf Baring, Roland Berger, Peter Glotz, Arend Oetker, Lothar Späth, Florian Gerster, Michael Glos, Dagmar Schipanski u. a.
Finanzierung: 50 Millionen Euro von Gesamtmetall, weitere 50 Millionen Euro geplant.
Konvent für Deutschland
These: Das politische System hat sich überlebt, Bundestag und Bundesrat blockieren sich zu häufig. Deutschland braucht eine Neuordnung.
Konventskreis: Roman Herzog, Roland Berger, Hans-Olaf Henkel, Klaus v. Dohnanyi, Peter Glotz, Oswald Metzger, Otto Graf Lambsdorff, Rupert Scholz, Henning Voscherau u. a.
Finanzierung: Anschub von Deutscher Bank, weitere Finanziers gesucht.
Initiative Klarheit in die Politik (in Gründung)
These: Die Bevölkerung kennt die Vorzüge von Reformen nicht - sie muss aufgeklärt werden.
Gründer: Dieter Rickert, Headhunter.
Unterstützer: 20 Unternehmer und Privatpersonen - die Namen sind noch geheim.
Team-Arbeit für Deutschland
Ziel: Bürgerengagement gegen Arbeitslosigkeit stärken, indem man viele Mitstreiter ins Boot holt: Manager, Künstler, Journalisten. Geplant: bundesweite Aktionstage, Werbekampagnen.
Initiator: Wolfgang Clement .
Unterstützer: Florian Gerster, Peter Hartz, Gunter Thielen, Hubertus Schmoldt und 500 Unternehmen der "Initiative für Beschäftigung".
Finanzierung: 10 Millionen Euro pro Jahr aus Steuergeldern.
Vor vier Jahren las Arbeitgeberpräsident Martin Kannegiesser eine Meinungsumfrage, die ihn ärgerte. Darin stand, dass die Bevölkerungsmehrheit Wirtschaftsbosse für egoistisch hält, für Leute, die "nur an ihre eigenen Interessen" denken und "kein Verständnis für die Sorgen der kleinen Leute" haben. Der Arbeitgeberpräsident raufte sich die verbliebenen Haare und fragte sich: Was tun? Kannegiesser hoffte damals, dass Kanzler Schröder endlich die von der Wirtschaft ersehnten Sozialreformen anpackt - und nun diese Umfrage! 67 Prozent der Befragten verbanden mit dem Wort Reform "Befürchtungen" oder "Skepsis". Beim Stichwort soziale Marktwirtschaft fiel den Leuten im Osten vor allem "Egoismus" und "Ausbeutung" ein. Kannegiessers Fazit: "Das, was die Bevölkerung will, und das, was die Führungskräfte in der Wirtschaft für notwendig hielten, klaffte himmelweit auseinander."
Was sollte der Boss der Metall-Arbeitgeber tun? Aufgeben? Alle Hoffnungen fahren lassen, dass Rot-Grün einen wirtschaftsfreundlichen Kurs einschlägt? Gar auswandern, seine Waschmaschinenfirma gleich mit nach Asien verlagern? Oder hier bleiben und sich ein anderes Volk suchen? Der milde lächelnde Kannegiesser entschied sich für Letzteres. Weil man 82 Millionen Menschen nicht einfach auswechseln kann, griff er zu einer List. Er wollte die Leute ein bisschen umerziehen. "Aufklären" nennt er das. Ihnen mit schlauen Parolen die Notwendigkeit von radikalen Reformen einhämmern, sie mit Plakaten, Anzeigen und TV-Spots überschütten, auf dass die Leute die Wünsche der Wirtschaft als ihre eigenen begreifen. Kannegiesser, 62, und die Bosse von Gesamtmetall waren sich rasch einig, dass man "viel Geld in die Hand nehmen" müsse, um eine PR-Maschine für ein wirtschaftsfreundliches Klima zum Laufen zu bringen. Kannegiessers Argument: "Wir als Metall- und Elektroindustrie sind wie keine andere in die Weltwirtschaft eingebunden. Wir sind also viel stärker darauf angewiesen, dass sich die Produktionsbedingungen für Unternehmen verbessern."
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