Erklärung von den linksradikalen zum konflikt
EN RECHTEN VORMARSCH STOPPEN! SOLIDARITÄT MIT DER ANTIFA AG DER UNI HANNOVER
Heute am 06. Oktober 03 um 16.00 Uhr haben wir die Räumlichkeiten des Asta der Universität Hannover besetzt. Dieser symbolische Akt des Widerstandes gegen einen rechten Vormarsch an der Universität Hannover geschieht, um die Öffentlichkeit auf skandalöse Vorgänge aufmerksam zu machen, die sich an eben dieser Universität Hannover abspielen.
Wir rufen alle Studierenden dazu auf, ihre von ihren Vorgängern und Vorgängerinnen erkämpften Errungenschaften
-studentischer Mitbestimmung,
-rätedemokratischer Strukturen
-und die Selbstverwaltungsorgane der Studierenden
zu nutzen, zu erhalten und auch auszubauen.
Dazu gehört die Diskussion über gesellschaftliche Prozesse!
Dazu gehört jeglichen rechten und reaktionären Vorgehensweisen entschieden entgegen zu treten!
Dazu gehört Eigeninitiative - im Alltag und im individuellen politischen Engagement, dort wo man oder frau sich gerade bewegt!
Am 9. Juli 2003 beschloß die Vollversammlung der Fachschaftsräte der Antifa AG der Uni Hannover aufgrund angeblicher antisemitischer Tendenzen die politische und finanzielle Unterstützung seitens des AStA (Allgemeiner Studentenausschuss) zu entziehen.
Gegen diese Form von politischer Repression protestieren wir energisch! Unsere Besetzung ist ein erster Schritt des Widerstandes gegen einen rechten Vormarsch an der Universität Hannover.
Weder ist die Antifa AG der Uni eine antisemitische Gruppe noch sind wir in allen Fragen einer Meinung. Würden wir denken, die Aktivisten der Antifa AG wären Antisemiten, würden wir sie bekämpfen und nicht in Fragen der Repression mit ihnen solidarisch sein.
Die Antifa AG leistet seit mehr als zehn Jahren antifaschistische Arbeit an der Universität Hannover und darüber hinaus, die sich mit Neofaschismus, Rechtspopulismus und vor allem deren Ursachen auseinandersetzt und deren Bekämpfung betreibt. Der Antrag, ihr die politische und finanzielle Unterstützung zu entziehen, wurde von bzw. aus der Fachschaft Sozialwissenschaften eingebracht. Ähnlich lautende Anträge fanden am 3.12.2002, am 4.2.2003 und am 22.4.2003 nicht die Mehrheit der Vollversammlung der Fachschaftsräte. Ohne jegliche Konsequenzen zu haben verstrich ebenfalls ein Ultimatum, dass der AStA am 30.4.2003 der Antifa AG der Uni Hannover stellte. - Einerseits hatte der AStA keinen Auftrag der Vollversammlung der Fachschaftsräte, andererseits erhielt die Antifa AG in verschiedenen Schreiben die Unterstützung von antifaschistischen Gruppen weit über das studentische Spektrum hinaus.
Hintergrund der Vorgänge, die uns zu unser Besetzung des Asta geführt hat, ist eine Kampagne, in der der Antifa AG antisemitische Tendenzen unterstellt werden. Letztendlich soll durch diese Kampagne aber jeglicher linker Politik an der Universität Hannover ihre Existenzberechtigung abgesprochen werden. Initiatoren dieser Kampagne sind Studierende aus den Fachschaften Sozialwissenschaften, Geschichte und Religion, die politisch als so genannte Anti-Deutsche eingeordnet werden müssen.
Diese politische Tendenz hat ihre Geschichte in der deutschen radikalen Linken der neunziger Jahre. Nach dem Ende der DDR sollte einem "Viertem", einem neuen "großdeutschen Reich" entgegen getreten werden. Besonderes Augenmerk wurde auf die Verdrängung des Antisemitismus in Deutschland gelegt. Inzwischen aber haben sich diese so genannten Anti-Deutschen, namentlich die Zeitschrift "bahamas", zu Fürsprechern imperialistischer Kriege, wie zum Beispiel gegen den Irak, entwickelt. In diesem Zusammenhang verschärfen die "bahamas-Anhänger" ihre Angriffe auf die Linke und auf Bewegungen, die nach wie vor davon ausgehen, dass der Kapitalismus und seine globalen Auswüchse nicht das Ende der Geschichte sind.
Die Antifa AG der Uni Hannover wertet die Aufgaben ihrer Politik gänzlich anders. Sie hat schon vor langem ihre Konsequenzen aus der Kurzsichtigkeit einer allein gegen (Neo-)Nationalsozialismus ausgerichteten antifaschistischen Politik gezogen. Politisch widmet sie sich heute in erster Linie der so genannten Sozialen Frage und verknüpft sie mit dem Zusammenhang von Kapitalismus und Faschismus. Besonders in Zeiten von Streichungen und Kürzungen, auch im Hochschulbereich, ist es mehr als skandalös, einer Gruppe wie der Antifa AG die Unterstützung zu entziehen. Gerade sie ist durch ihre Bündnispraxis an der Sozialen Frage in der Lage, Brücken zu anderen Betroffenen der aktuellen Einsparpolitik in allen gesellschaftlichen Bereichen zu schlagen. Darüber hinaus ist die Antifa AG seit ihrer Gründung immer wieder aktiver Teil von Aktionsbündnissen gegen Naziaufmärsche, für internationale Solidarität und gegen die deutsche Beteiligung an Kriegseinsätzen gewesen.
Im Zusammenhang mit ihrer linken, internationalistischen Praxis entstand im Juni 2002 ein Text der Antifa AG unter der provokativen Überschrift >>"Solidarität mit Israel" bedeutet das Ende linker Politik<<. In seiner ersten Veröffentlichung, in einem Vorabdruck der Ausgabe Nr.9 der AStA-Zeitung "fragezeichen", war dieser Text mit einer Karikatur des algerischen Zeichners Khalil Bendib versehen, die durchaus als antisemitisch interpretierbar ist. Die Internetseite der Antifa AG ist nach wie vor mit einem Link zu den Karikaturen von Khalil Bendib verknüpft.
In weiteren Veröffentlichungen dieses Textes tauchte die Zeichnung nicht mehr auf. Nicht weil die Antifa AG besagte Karikatur für antisemitisch hält, sondern den Abdruck im Nachhinein betrachtet als Fehler wertet. Zu diesem vermeintlich ursprünglichen "Stein des Anstoßes" erklärte die Antifa AG, dass die verwendete Karikatur missverstanden werden könnte. Daher lenke sie von einer dringend notwendigen Debatte um inhaltliche Fragen, wie über die Politik des Staates Israel und der Wertung der Regierung Sharon, ab.
Vordergründig geht es in dieser Auseinandersetzung um Antisemitismus oder auch um eine Positionierung zum israelisch-palästinensischen Konflikt. Der Hintergrund ist aber ein Kampf um die politische Meinungsführerschaft in den studentischen Gremien und darüber hinaus. Diesen Kampf haben so genannte Anti-Deutsche im Verbund mit den Hochschulgruppen der Jusos und der PDS vorerst für sich entschieden. Burschenschafter und andere rechte Kräfte an der Universität reiben sich derweil die Hände. Unterstützt wurden diese Vorgänge durch eine politisch desinteressierte, gelangweilte und ob dieser Auseinandersetzungen genervte Studentenschaft, die offensichtlich andere Probleme hat.
Wir erklären uns solidarisch mit einer von politischer Repression betroffenen Gruppe, mit der wir immer wieder in verschiedensten Aktionsbündnissen zusammen gearbeitet haben - und auch weiterhin zusammen arbeiten werden. Wir wählen das Mittel der Besetzung, weil es sowohl Provokation ist, als auch die Aussicht auf eine größtmögliche öffentliche Wahrnehmung bietet. Denn diese Vorgänge sind außerhalb des Universitätsgeländes kaum wahrgenommen worden. Wir wollen aufzeigen, dass mit bloßen Unterstellungen, fadenscheinigen Argumenten und mit den Möglichkeiten, die die Geschäftsordnung der Fachschaftsräte-Vollversammlung bietet, eine politisch unliebsame Gruppe in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt werden soll. Das nehmen wir nicht widerstandslos hin!
Der AStA der Universität Hannover wird im Moment von den Jusos, mit Unterstützung der PDS, dominiert. Wir behaupten, dass Teile der Juso- und PDS-Hochschulgruppen überhaupt nicht an der vordergründigen so genannten Antisemitismus-Debatte interessiert waren. Ihr Interesse war es, die finanzielle und materielle Unterstützung der regierungskritischen Antifa AG der Uni durch den AStA zu beenden. Dabei kam ihnen die Argumentation der so genannten Anti-Deutschen gerade recht.
Damit wurde einem reaktionären Trend an der Universität Hannover Tür und Tor geöffnet. Die Antifa AG hat es als erste getroffen. Jede grundsätzlich gesellschaftskritische Gruppe an der Universität Hannover, die sich links der regierungstreuen Juso-Hochschulgruppe engagiert, scheint von nun an von repressiven Maßnahmen bedroht.
Wir sehen schwarz für politisch bewusste Studierende, die die materiellen und finanziellen Möglichkeiten nutzen wollen, die sich über die Arbeit an der Universität ergeben können. Wir befürchten, dass die basisdemokratischen Strukturen, die sich Studierende einmal erkämpft haben, zugunsten eines ständischen Dienstleistungsunternehmens namens AStA zurück gedrängt werden sollen. Das Ausschalten jeglicher linker Opposition gehört zu solch einem Prozess. Genau wie politisches Desinteresse, Teilnahmslosigkeit, Geschichtslosigkeit und Ellenbogenmentalität unter Studierenden.
DEN RECHTEN VORMARSCH STOPPEN!
Hannover, Oktober 2003
Rote Aktion Kornstraße (RAK)
Antifaschistische Aktion Hannover [AAH]
Antifa 3000, Hannover
Homepage:: https://www.antifa-hannover.de/ ¦