Uni Hannover beugt sich Spardruck
Uni beugt sich dem Spardruck
An Hannovers Hochschulen regiert der Rotstift: Die Sparauflagen des
Landes machen zum Teil drastische Einschnitte erforderlich. Alle
Fachbereiche müssen Stellen einsparen, ganze Studiengänge sollen
gestrichen werden. Gestern hat Wissenschaftsminister Lutz Stratmann
erstmals Details vorgestellt - zur Überraschung der
Hochschulleitungen, die erst in der kommenden Woche mit konkreten
Vorgaben gerechnet hatten. Betroffen sind zunächst die Universität
und die Fachhochschule Hannover. Doch die Spardebatte geht weiter:
Bis Ende Oktober soll endgültig feststehen, wie viel gekürzt werden
muss. Er werde sich dafür einsetzen, dass keine weiteren Fächer
abgeschafft würden, erklärte Uni-Präsident Ludwig Schätzl.
Die Pläne
Universität: 250 von 2500 Stellen muss die Uni von 2005 an
einsparen, das entspricht einer Summe von 6,74 Millionen Euro pro
Jahr. Sicher ist, dass der zunächst von der Schließung bedrohte
Fachbereich Rechtswissenschaften erhalten bleibt, allerdings muss
der sozialwissenschaftliche Schwerpunkt dieser Fakultät aufgegeben
werden. Streichen will das Ministerium den Studiengang Soziologie am
Fachbereich Geschichte, Philosophie, Sozialwissenschaften; 680
Studenten sind in diesem Fach immatrikuliert. Auch der Studiengang
Romanistik (330 Studenten) soll aufgegeben werden. Die Ausbildung
für Grund-, Haupt- und Realschullehrer wird an die Universität
Hildesheim verlegt. Die derzeit 1300 Studenten könnten ihr Studium
in Hannover beenden, versichert Uni-Präsident Schätzl - ebenso wie
die Kommilitonen an den anderen betroffenen Fakultäten. Professoren
und fest angestellte Hochschulmitarbeiter könnten nicht entlassen
werden, möglicherweise werde es aber Versetzungen geben.
Fachhochschule Hannover: Der Fachbereich Bildende Kunst (200
Studenten) auf dem Expo-Gelände wird geschlossen, die Ausbildung
nach Braunschweig verlagert - der teure Umbau der Seilbahnstation
war damit wohl umsonst. Auch die Studiengänge Architektur und
Bauwesen der FHH-Außenstelle in Nienburg (etwa 750 Studenten) stehen
auf der Streichliste. Insgesamt muss die FHH 50 Stellen einsparen,
sagt Präsident Arno Jaudzims.
Medizinische Hochschule: Die Mediziner profitieren: Ihnen wird die
Rechtsmedizin aus Göttingen zugeschlagen.
Die reaktionen
Heinz-Jürgen Görtz, Dekan am Uni-Fachbereich
Erziehungswissenschaften: "Die Verlagerung der
Grundschullehrerausbildung nach Hildesheim ist überhaupt nicht
sinnvoll - zumal die Sonderpädagogik in Hannover bleiben soll. So
werden eng verzahnte Bereiche auseinandergerissen. Ich bezweifle,
dass man damit einen Spareffekt erzielt."
Gert Schäfer, Prodekan für Geschichte, Philosophie,
Sozialwissenschaften: "Die Soziologie aufzugeben ist eine
Verrücktheit, das Fach ist für die Kombination mit anderen
Studienfächern wichtig. Wir hatten uns dafür eingesetzt, in allen
Bereichen unserer Fakultät ausgewogen zu kürzen. So macht das keinen
Sinn, die Studenten werden abwandern."
Oskar Negt, emeritierter Soziologie-Professor der Uni Hannover: "Es
geht nicht um Haushaltskonsolidierung, hinter den Plänen steckt die
politische Absicht, mit allem kritischen und rebellischen
Gedankengut abzurechnen."
Wolfgang Jüttner, SPD-Landtagsabgeordneter:
"Die Kürzungen sind grotesk - das ist ein Rückfall in die Zeit Ende
der sechziger Jahre, als Hannover noch eine Technische Hochschule
hatte."
Anna Berlit vom AStA der Uni: "Wir haben den Eindruck, dass die
kritischen Wissenschaften in Hannover nicht mehr gewollt sind. Hoch
qualifizierte Wissenschaftler werden Hannover den Rücken kehren. "
Arno Jaudzims, FH-Präsident: "Es hat mich sehr überrascht, dass das
Ministerium schon jetzt konkrete Sparauflagen öffentlich gemacht
hat. Wir steckten noch mitten in den Beratungen."
Prof. Hans-Dieter Tröger, Chef der MHH-Rechtsmedizin: "Die
Verlagerung der Göttinger Rechtsmedizin würde unsere Abteilung
stärken. Aber zusätzliches Personal wäre notwendig. " jk/bk/tof