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Sozialabgabenpflicht besteht nicht!

Sozialabgabenpflicht besteht nicht!

Liebe Forumsgemeinde,

ich bin seit über 30 Jahren Komparse und möchte heute etwas über die Pflicht der Sozialabgaben schreiben. Das Problem haben zuerst Menschen, die auch Alg II beziehen.

Wenn ich auf dem Arbeitsschein der Komparsenagenturen (ich nenne hier keinen Namen, aber jeder kennt hier den "Markführer") brav angebe, daß ich Alg II beziehe, dann ziehen die mir automatisch Sozialabgaben ab und meine Gage wird um etwa 1/4 bis 1/3 weniger, als die anderer Komparsen. Das finde ich höchst ungerecht, denn die Gesetze besagen ja eindeutig, das Geringverdiener von Sozialabgaben befreit sind.
Meine Vermittlerin bei der Arbeitsagentur riet mir daher ganz klar, falsche Angaben zu machen und den Bezug von Alg II zu verschweigen. Also z. B. "Rentner" oder "Selbstständiger" mit freiwilliger Krankenversicherung anzugeben.

Diese angebliche Sozialabgabenpflicht führt nun sogar dazu, daß in manchen Angeboten steht "bitte keine Bezieher von Alg II, da Barauszahlung". Das ist schon eine regelrechte Diskiminierung. Bedenkt man, daß von einer Gage bei Alg II-Beziehern die Arbeitsagentur auch noch die Hälfte abzieht (so man seinen Freibetrag von 100 Euro schon erfüllt hat), dann bleibt von einer Gage meist nichts übrig oder man muß sogar noch zuzahlen.

Da so ein Zustand unhaltbar ist, habe ich mich bei einem Juristen in der Arbeitsagentur Nürnberg sachkundig gemacht: Ist der Job als Komparse ein versicherungspflichtiger Hauptberuf (dann müßten auch alle Bewerbungs- und Castingkosten von der Arbeitsagentur übernommen werden) wie es diese Komparsenabrechnungsfirma behauptet, oder ist es ein geringfügiger Nebenjob?

Hier kommen zwei Paragraphen in Frage. Der Jurist nannte mir den § 27 (3) 1 des SGB III (3. Sozialgesetzbuch). Er lautet:

>Versicherungsfrei sind Personen in einer unständigen Beschäftigung, die sie berufsmäßig ausüben. Unständig ist eine Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist<.

Das ist völlig eindeutig, denn nur sehr wenige Komparsenjobs sind länger, als eine Woche (etwa bei Theaterkomparsen). Dazu kommt, daß nach § 8 SGB IV nur dann keine geringfügige Beschäftigung gegeben ist, wenn die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Engelt 450 Euro im Monat übersteigt. Beides muß also zusammen zutreffen. Hier der Wortlaut:

(1) Eine geringfügige Beschäftigung liegt vor, wenn

  1. das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 450 Euro nicht übersteigt,
  2. die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450 Euro im Monat übersteigt.
(2) Bei der Anwendung des Absatzes 1 sind mehrere geringfügige Beschäftigungen nach Nummer 1 oder Nummer 2 sowie geringfügige Beschäftigungen nach Nummer 1 mit Ausnahme einer geringfügigen Beschäftigung nach Nummer 1 und nicht geringfügige Beschäftigungen zusammenzurechnen. Eine geringfügige Beschäftigung liegt nicht mehr vor, sobald die Voraussetzungen des Absatzes 1 entfallen. Wird beim Zusammenrechnen nach Satz 1 festgestellt, dass die Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung nicht mehr vorliegen, tritt die Versicherungspflicht erst mit dem Tag ein, an dem die Entscheidung über die Versicherungspflicht nach § 37 des Zehnten Buches durch die Einzugsstelle nach § 28i Satz 5 oder einen anderen Träger der Rentenversicherung bekannt gegeben wird. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig versäumt hat, den Sachverhalt für die versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung aufzuklären.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit anstelle einer Beschäftigung eine selbständige Tätigkeit ausgeübt wird. Dies gilt nicht für das Recht der Arbeitsförderung.


Demgegenüber wird von der Komparsenabrechnungsagentur mit "Geringfügigkeitsrichtlinien" der Rentenversicherung argumentiert. Bitte laßt Euch da nicht ins Bockshorn jagen, irgendwlche Richtlinien der Rentenversicherung sind keine gültigen Gesetze, hingegen das SGB ist gültiges Gesetz.

Also: Keine Sozialabgaben bei Komparsenjobs unter 450 Euro!

Bitte weigert Euch, falls Euch derartige Abgaben abgezogen werden.
Ich verschweige meinen Alg II-Bezug, um mir die Abzüge und den Streit darum zu ersparen und ich nehme keine Engagements mehr an, wo die Gage durch diese Abrechnungsfirma ausgezahlt wird. Diese Firma sollte sich mehr für die Interessen der Komparsen und die Umsetzung der SGBs einsetzen, als für die Bundesversicherungsanstalt mit ihren Verwaltungsrichtlinien. Wenn viele Komparsen Engagements ablehnen, wo diese Abrechnungsfirma dabei ist, dann werden die Film- und Fernsehgesellschaften zukünftig Komparsen anders engagieren. Ich will nicht zum Boykott aufrufen, aber wer falsch abrechnet zu Ungunsten der Komparsen, den sollte man nicht mehr nehmen.

Ich persönlich bin bereit, ggfls. den Rechtsweg zu gehen, falls derartige Forderungen seitens dieser Abrechnungsfirma auf mich zukommen sollten und ich bin mir sehr sicher, daß jeder Richter das Primat des SGB vor irgendwelchen Verwaltungsrichtlinien bestätigen wird.

Geza

Re: Sozialabgabenpflicht besteht nicht!

Liebe Komparsen,

ich möchte Euch nun gerne noch berichten, wie es weiterging. Die Abrechnungsfirma merkte (durch Hinweis der Landesversicherungsanstalt), daß ich falsche Angaben gemacht hatte und forderte die Sozialabgaben zuzüglich Bearbeitungsgebühr von mir. Ich weigerte mich und es kam zum Prozeß vor dem Sozialgericht in Potsdam. Hier machte ich den Fehler, mich gütlich zu einigen (ich zahlte 20 Euro nach, Kosten des Verfahrens übernahm die Abrechnungsfirma). Die Abrechnungsfirma wollte die Auskunft bei der Arbeitsagentur in Nürnberg einholen, ob der Komparsenjob nun abgabenpflichtig sei, oder nicht. Das war eine freiwillige Zusage, die sie aber bisherb nicht einhielt. So muß ich mich nun weiterhin damit beschäftigen - ich hätte es besser zu einer Entscheidung bei dem Gericht kommen lassen sollen.

Das Problem ist: Das Gesetz spricht von 450 Euro im Monat. Nun gibt es eine Geringfügigkeitsrichtlinie der Versicherungen, wonach dieser Betrag auf den ganzen Monat umgerechnet werden soll, also 450 durch die monatlichen Arbeitstage ergibt so ca. 13 Euro am Tag. Wer nun also mehr als 13 Euro am Tag verdient, der ist danach abgabenpflichtig.

Meine Argumentation: Das Gesetz (SGB) steht über den Richtlinien der Versicherungen, die ja kein gültiges Gesetz sind. Das Gesetz spricht von 450 Euro im Monat und nicht von 13 Euro am Tage (das hätte man ja leicht so formulieren können, hätte man das gewollt). Das Sozialgesetz bezweckt ja gerade, daß Geringverdiener von Sozialabgaben entlastet werden sollen und wird durch diese "Geringfügigkeitsrichtlinie" der Versicherungen ausgehebelt, was rechtlich nicht zulässig sein kann.

Ich habe nun also gegenüber meiner Krankenversicherung (die auch nach diesen Richtlinien handelt) erklärt, daß bei mir bei den Komparsenjobs keine "Berufsmäßigkeit" vorlag. Es läuft nun also auf einen weiteren Prozeß mit meiner Krankenversicherung hinaus, wo ich es nun ein für allemal gerichtlich klären will. Wenn ich da gewinne, dann werde ich das hier berichten und jeder kann sich dann auf dieses Urteil berufen und kein Komparse darf mehr zu Sozialabgaben verpflichtet werden, wenn er in einem Monat weniger als 450 Euro verdient. Die Krankenversicherung legt den Fall zunächst noch ihrem internen Gremium (aus Mitarbeitern und Versicherten) zur Entscheidung vor.

Ich habe außerdem an den Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages geschrieben und um Klärung gebeten: Bin ich abgabenpflichtig, oder nicht? Die haben das Schreiben an die zuständige Behörde weitergeleitet, von der ich noch keine Antwort erhielt.

So oder so können wir nur gewinnen: Wenn das SGB gilt, und nicht die Richtlinie der Versicherungen, dann sparen wir die Sozialabgaben. Gilt es aber nur in der Form von 13 Euro pro Tag und hat die Richtlinie Geltung, dann liegt bei jedem Komparsenjob "Berufsmäßigkeit" vor. Das bedeutet zwar, daß wir Sozialabgaben entrichten müssen, es bedeutet aber auch, daß alle Fahrten zu Castings usw. vom Jobcenter als "Bewerbungskosten" übernommen werden müssen.

Warten wir es also ab.

Gruß,
Geza

Re: Sozialabgabenpflicht besteht nicht!

Liebe Komparsen,

nachdem nun ein Verhandlungstermin beim Sozialgericht in Potsdam lief, möchte ich Euch informieren.

Es geht um die Frage, ob ein HARTZ-IV-Bezieher der als Komparse weniger als 450 Euro im Monat verdient, dafür Sozialabgaben zahlen muß. Die Abgrechnungsagenturen (Adag, Mecon usw.) behaupten das, genauso wie die Versicherungen. Letztere berufen sich auf eine "Geringfügigkeits-Richtlinie", wonach der Betrag des Gesetzes von 450 Euro im Monat auf die einzelnen Tage (um 15 Euro) umgerechnet wird.
Dagegen prozessiere ich, da diese Geringfügigkeits-Richtlinien der Versicherungen kein gültiges Gesetz sind.

Mein Verfahren wurde nun vorerst zum Ruhen gebracht, da gerade fast derselbe Fall vor dem Bundessozialgericht verhandelt wird. Wir warten also das Urteil dort ab (voraussichtlich Herbst 2016).
In dem Fall ging es um Bühnentechniker, die auch nur tageweise beschäftigt waren und HARTZ-IV bezogen. Die Versicherungen wollten von ihnen Sozialabgaben abziehen. Die daraufhin verklagten Versicherungen unterlagen vor dem Landessozialgericht in Bayern und so geht nun der Fall ans Bundessozialgericht. Die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichtes hat das Geschäftszeichen L 16 R 755/13 Ich füge den Text an: