Kromfohrländer-Forum - Kromis oder Kromimischlinge suchen ein neues Zuhause

Hund zu vermitteln: was muß man beachten!

Hund zu vermitteln: was muß man beachten!

Servus, alle miteinander,

nachdem immer wieder Kromifreunde einen Kromi zu sich nehmen und versuchen - mehr oder weniger erfolgreich - ihn auf einem neuen und natürlich guten Platz unterzubringen, und auch verschiedene Leute einen "gebrauchten" Kromi zu sich nehmen würden, will ich mal versuchen hier darzustellen, wie das idealerweise aussieht. Daß die Bedingungen nicht immer ideal sind, ist klar, aber man kann ja versuchen, das eine oder andere zu übernehmen.

1. Ein Hund, der abgegeben wurde, ist immer traumatisiert. Das ist so und darüber muß man nicht diskutieren. Der Hund hat sich aus seiner Sicht einwandfrei verhalten, aber die Menschen haben ihn trotzdem ausgestoßen. Das kann gute Gründe haben (Krankheit, Scheidung, Tod...), für den Hund ändert das an der Dramatik in seiner Situation nicht das Geringste.

2. Mit viel Glück, aber sehr, sehr selten findet sich sofort jemand, der den Hund nimmt und alles läuft primasupergut. Darüber muß man kein Wort verlieren, außer: das ist äußerst selten der Fall.

3. So ein Hund hat oft sehr viel unerfreuliches erlebt, zumindest hat er die Aufregung und das schlechte Gewissen seiner Menschen erlebt, das er nicht einordnen konnte, aber das hat ihn sehr verunsichert. Er braucht also zuallerst ein sicheres und ruhiges Umfeld, gute und klare Rituale und souveräne Menschen, die ihm die verlorene Sicherheit wenigstens zum Teil wiedergeben. Das heißt: ein geregelter und ruhiger Tagesablauf, der für den Hund gut und leicht überschaubar ist. Als Beispiel vielleicht eher ein Negativbeispiel, das für den Hund nicht gut wäre: der Pflegemensch muß viel arbeiten, ist selten zu Hause und der Hund ist entweder viel allein, sieht seinen Pflegemenschen sehr unregelmäßig oder muß ihn viel begleiten (Unruhe und Unregelmäßigkeit) und / oder sitzt viel im Auto.

4. Hunde im neuen Haushalt können von Vorteil sind, müssen das aber nicht. Zum einen ist nicht jeder Hund glücklich über so einen Fremdling im Haus. Zum anderen sollte der eingesessene Hund dem Pflegehund schon auch das Gefühl geben, daß er willkommen ist. Er sollte also souverän und sozial sicher sein. Sozial sicher heißt nicht: ich setze alle meine Interessen durch, egal wie, wenn es sein muß auch mit "Biss", sondern: er vermittelt dem anderen das Gefühl, daß hier ein Vierbeiner ist, der sich sicher und wohl fühlt und das Leben gelassen und locker sieht. Auch muß der Hund der Pfegestelle akzeptieren, wenn hier ein Hund kommt, der erstmal andere Sorgen hat, als pausenlos zu spielen. Also: z.B. so ein dauerfröhlicher Spielbello kann auch zum Problem für einen Abgabehund werden.

5. Die Interessenten müssen lückenlos (! das ist sehr ernst zu nehmen) über alles aufgeklärt werden, warum dieser Hund abgegeben wurde. Wenn das die Pflegestelle schon nicht ernst nimmt, wie sollen die neuen Leute dann das Problem des Hundes ernst nehmen. Es gibt eben keinen unbelasteten Neuanfang mit einem Hund, der z.B. schon mal ein Kind oder die Oma gebissen hat. Man muß wissen, was man da ins Haus bekommt. Nur wenn man für sich selber die Risken einschätzen kann, kann man sich auch vernünftig entscheiden. Leider erfährt man nicht immer wirklich warum ein Hund "weg" muß. Umso wichtiger ist es, alles weiterzugeben, was man als Vermittler weiß. Auch Einstellungen wie "Es reicht ja, daß ich das weiß", helfen den neuen Besitzern nicht wirklich, wenn die Situation sich zuspitzt. Wenn ein Hund z.B. nicht allein bleiben kann, dann hilft es nichts zu sagen: das muß er aber können. Die bessere Ausgangslage ist zu sagen: Momentan kann er das nicht, aber wir werden unser Bestes geben, damit er das irgenwann in der Zukunft lernt. Ansonsten zerlegt er nämlich bei der ersten Gelegenheit die Wohnung und kommt wieder zurück. Keine gute Idee.

6. Die Interessenten sollten auch nicht den Hund einfach in die Hand gedrückt bekommen, weil sie ihn sooooo süß finden, sondern weil sie diejenigen sind, die man am besten für in der Lage hält, diesen Hund zu übernehmen. Ich würde nicht lange überlegen, ob ich einen Hund, der ein Kind gebissen hat, in eine Familie mit Kindern geben würde. Zunächst mal würde ich das rundweg ablehnen. Außer sie erweisen sich nach eingehender Prüfung als fähig, mit dem Hund so umzugehen, daß ich guten Gewissens dieses Experiment eingehen kann.

7. Einen Hund aus dem Tierschutz (im weitesten Sinne) zu übernehmen, heißt nicht: ich rette ein Tier und deshalb muß es dankbar sein. Das heißt vielmehr: ich verstehe, daß dieser Hund ein Problem hat, ich anerkenne, daß das ernst zu nehmen ist und wenn ich diesen Hund zu mir nehme, dann werden wir - wenn auch vielleicht auf Umwegen - ein gutes und glückliches Leben zusammen führen. Die Verantwortung, daß das so wird, übernehme ich, nicht der Hund.

8. In der Praxis sieht das so aus: ich besuche den Hund und wir stellen fest, ob von wenigstens einer Seite - meistens von der menschlichen Seite aus - ernsthaftes Interesse besteht. Dann verbringen wir mehrfach Zeit miteinander: wir gehen zusammen spazieren, der Hund kommt mal für ein paar Stunden oder Tage zu mir. Wir verbringen Zeit im derzeitigen Lebensumfeld des Hundes zusammen. Man merkt sehr schnell, ob man sich sympathisch ist und kann so auch den Hund besser einschätzen. Die Entscheidung, ob man den Hund nimmt, fällt nach reiflicher Überlegung und ohne Druck der Pflegestelle. Aussagen wie: Sie müssen ihn einfach nehmen, schauen Sie nur wie lieb er sie ankuckt! sollten einen nur dazu bringen, sich sofort vom Acker zu machen.

9. Am neuen Wohnsitz sollte der Hund zuallererst viel Zeit und Ruhe haben um sich einzuleben. Konkretes Beispiel: Krümels "neue Leute" haben ihn erstmal "ausgepowert" und dann alleingelassen. Ums kurz zu sagen: dümmer kann man sich kaum anstellen. Ruhe und Sicherheit braucht ein Abgabehund, keine Daueraction. Es geht hier nicht um Bespaßung, sondern um Eingewöhnung und Vertrauen, das langsam aufgebaut werden muß. Wichtig ist dabei der Kontakt zur Pflegestelle, damit man jemanden hat, an den man sich in unsicheren Situationen wenden kann. Also geht man die ersten Tage nur kleinere Runden an der Leine, läßt den Hund in aller Ruhe die neue Umgebung erkunden und fängt so ganz nebenbei an, kleine Gehorsamsübungen mit ihm aufzubauen. Bitte nicht : bei Fuß gehen und Abbruchsignale (damit er gleich weiß wos lang geht), sondern ruhiges Abrufen, locker an der Leine gehen, freundlich und bestimmt Grenzen setzen....

10. Es muß nicht jeder einen Hund aus dem Tierschutz haben. Es ist völlig ok, wenn jemand sagt: da fühle ich mich überfordert. Genauso kann nicht jeder einen Hund zur Pflege nehmen, das ist auftreibend und kostet Geld, Zeit und Energie. Aber wer es tut, sollte das ernst nehmen und nicht versuchen sich zu profilieren:

Es geht um den Hund, daß er einen guten Platz bekommt und nicht als Wanderpokal durch die Gegend gereicht wird. Jeder Hund, der vermittelt werden muß, ist ein Hund zuviel. Jeder Hund, der vom neuen Platz zurückkommt, hat einen weiteren Knacks. Für den Hund ist das kein Spaß, sondern Stress. Wer das nicht berücksichtigt, sollte die Finger davon lassen.

Ansonsten ist ein Hund aus zweiter Hand zu 99,999 % ein 6er im Lotto. Wert sind sie es alle.





Liebe Grüße
von Ute, Fritzi und Loni


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Liebe Grüße
von Ute, Fritzi und Loni

Wer für alles offen ist, ist vermutlich nicht ganz dicht.

Re: Hund zu vermitteln: was muß man beachten!

Danke Ute für deine offenen Worte und wertvollen Tipps. Leider wird die Vermittlung eines Hundes "aus zweiter Hand" oft viel zu sehr verharmlost, d.h., die anstehenden Schwierigkeiten werden nicht offen genug angesprochen. Manches Mal weiß der Vermittler es vielleicht nicht besser - so ging es uns damals mit unserem Aaron. Wir kannten ihn ja auch nicht genau, er war drei Jahre alt und uneingeschränkter Liebling seiner Leute - in manchen Bereichen völlig verzogen. Wir kannten weder Kommandos noch Zu-oder Abneigungen. Mit seinem ehemaligen Frauchen war nicht zu reden, sie war in Trauer über ihren verstorbenen Mann und war nicht in der Lage, uns detailliert Auskunft zu geben. Also ist er sozusagen fast ohne Vorgeschichte zu seinen neuen Leuten gegangen.
Die neuen Besitzer haben später gesagt, es habe ca. drei Jahre gedauert, bis dieser Hund so richtig bei ihnen angekommen war und sie das Gefühl hatten, dass er jetzt ganz und gar ihr Hund ist. Und ich bin ihnen auch heute noch unendlich dankbar, dass sie ihn übernommen haben und sich trotz der auftretenden Schwierigkeiten mit ihm nicht haben entmutigen lassen. Sie haben sich gemeinsam durchgebissen und Aaron hat bei ihnen sieben wunderschöne Jahre leben dürfen.

Sicher geht es in vielen Fällen gut und es klappt wesentlich schneller. Aber man darf nie vergessen, wie viel Stress und welches Trauma der abgegebene Hund hinter sich hat, dass man nie genau weiß, welche vergangenen Aktionen, Gesten, laute Stimmen, Emotionen ihn beeinflusst haben. Man braucht ganze Wagenladungen voller Geduld, um einem solchen Tier Vertrauen und Zuversicht wiederzugeben.

Liebe Grüße



Re: Hund zu vermitteln: was muß man beachten!

Vielleicht können wir dieses Posting auch um eine Liste erweitern, in der erfasst wird was Leute, die einen "gebrauchten" Hund bei sich aufnehmen möchten, beachten sollten?!

Wir könnten ja mal sammeln und anschließend eine Liste daraus erstellen, die diejenigen, die immer wieder einmal Vermittlungshunde auf ihre Homepage nehmen, dann als Unterpunkt auf ihrer Vermittlungsseite hochladen können.

Was haltet ihr davon? Ich wäre jedenfalls sehr interessiert an solch einem Leitfaden, damit sich so etwas wie bei Krümel nicht noch einmal wiederholt.

Viele Grüße
Britta



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http://www.familienkromi.de.vu und http://www.beepworld.de/members96/familienkromi/

Re: Hund zu vermitteln: was muß man beachten!

Gute Idee. Wer Fakten vor Augen hat, entscheidet dann vielleicht mehr mit den Kopf, als mit dem Bauch. Und das ist wichtig!!! 



Viele Grüße aus dem Westallgäu

von Tine, Chakra und Esprit


Re: Hund zu vermitteln: was muß man beachten!

die 10 punkte von ute auf jeden fall in den leitfaden mit rein, bin auch dafür, so was zu "entwickeln".

wegen krümel hat sich's dann ja wohl erledigt, soviel ich gehört habe, bleibt er bei ayla und angelika!





grüsse ingrid

Re: Hund zu vermitteln: was muß man beachten!

Hallo, diese Auflistung ist echt klasse! Darf ich trotzdem noch ein paar Worte dazu sagen?

Ich selbst hatte eigentlich immer "gebrauchte" Hunde vom Tierschutz, und davon hatte jeder so seine Macken, mehr oder weniger ausgeprägt. Diese haben sich jeodch alle auf ein lebbares Maß beeinflussen lassen, sofern ich das auch wirklich wollte. Dinge, die ich selbst nicht leben konnte und mit denen ich nicht leben konnte haben meine Hunde auch nicht gezeigt oder weitestgehend abgelegt. Es hat sicher viel damit zu tun wie man dem selbst gegenübersteht. Und wenn man an lästigen Marotten ewig und scheinbar erfolglos feilt, dann sollte man mal drüber nachdenken... Jeder kennt doch auch Menschen, die ewig über etwas jammern, es aber trotzdem nicht ändern... vielleicht steckt man ja unbewusst in diesem Sack?

Ein Hund aus zweiter Hand braucht seine Zeit um sich einzuleben, keine Frage. Aber die Unterscheidung, die gern gemacht wird, dass ein Hund, der aus "schlechten Verhältnissen" kommt, oder " traumatisiert" ist anders behandelt werden muss als ein "normaler" Hund, die würde ich nicht machen. Ich selbst habe keinen Unterschied feststellen können, dass der eine tatsächlich etwas anderes gebraucht hätte als der andere. Man muss sich sicher sein diesen Hund zu wollen und man muss ihn mit einfachen aber sehr klaren Worten und Taten führen, anfangs ist weniger immer mehr! Also besser nur 1-2 Kommandos für die erste Zeit, die aber dann regelmässig geben und immer ausführen lassen.

Dass man einen Hund durch einige Besuche kennen und einschätzen lernen kann, ich zweifle daran. Habe selbst den Fall, dass ein anfangs ruhiger und vermeintlich folgsamer Hund zum wilden Racker mutierte, aber auch das genau Gegenteil. Der als Untier verschriene Hund ist jetzt ruhig und umgänglich. ( Der Racker ist inzwischen auch wieder "anständig", war aber ein hartes Stückchen Arbeit, die selbst Kenner nicht vermutet hätten).

Fazit: Sich einen Hund ins Haus zu holen ist immer Arbeit. Und das erste Jahr ist es tägliche Arbeit, tägliche Konsequenz, viele Missverständnisse, viele Erfolge. Bei einem Welpen braucht man dieses Jahr bis er erwachsen ist und man sich eingespielt hat, bei einem Erwachsenen braucht man eben in etwa die gleiche Zeit bis man ein Team ist weil das lernen nicht mehr soo schnell geht. Wenn man sich darüber im klaren ist, dann ist es "fast egal" wie alt der Hund ist, der kommt.

Ein wichtiger Aspekt beim Hund aus 2. Hand. Ich muss mir zu 100 % im klaren sein, dass ich genau diesen Hund nehme und auch behalte, egal was kommt. Wenn ich mit dieser Einstellung dran gehe, dann ist Erfolg garantiert. Bei einem Welpen tendiert man wohl eher dazu, zu sagen es wird noch werden, einem erwachsenen Hund muss man vermitteln man nimmt ihn so wie er ist, das ist die Basis, dass sich das Team zusammenfinden kann und man auch diesen Hund in die Richtung erziehen kann, die man selbst möchte.

 



Re: Hund zu vermitteln: was muß man beachten!

Hallo, Susanne,

das ist ein sehr schöner Beitrag und ein gute Ergänzung, vor allem weil du schon Erfahrung hast. Am besten hat mir aber das gefallen, was ich hier zitiert habe. Das ist das große Drama jeden Hundetrainers, dieses ewige Gejammer von manchen Menschen, aber wenn es ans Eingemachte geht und sie selber was machen sollten, dann wirds schwierig, nur der Hund soll gefälligst.... Aber damit muß ich einfach leben.

Zum Thema "Traumatisierung" möchte ich folgendes sagen. Du hast vollkommen recht, daß ein Tierschutzhund vor allem Zeit und klare Regeln braucht, nicht viele Regeln, aber die, die mir wichtig sind und die wir für den Alltag einfach benötigen. Ob ich da soviel anders vorgehe, wie bei einem Hund vom Züchter, kommt auf den Hund an. Aber was der entscheidende Punkt ist, und das schreibst du ganz wunderbar und mir direkt aus der Seele: ich muß mir darüber im Klaren sein, daß ich diesen Hund jetzt nehme und ihn bitte schön doch nicht mehr diesem Drama aussetze, wenn es mir nur einigermaßen ernst ist. Ansonsten lass ich es eben. Muß ja keiner. Und diese Art von Herangehensweise ist bei einem Hund aus zweiter Hand einfach noch mal wichtiger, obwohl es eigentlich eine grundsätzliche Sache bei der Anschaffung eines Hundes sein sollte.

Und ob ich einen Hund besser kenne, wenn ich ihn ein paarmal gesehen habe? Ich finde schon, zumindest kennt mich der Hund besser, finde ich auch wichtig, und ich habe ein bißchen mehr Zeit zum Nachdenken, ob ich wirklich will, und die eine oder andere Macke kenne ich eben vielleicht schon. Was fast immer in die Hosen geht: oh, ist der süß, den nehmen wir gleich mit. Dem kann ich einfach vorbeugen und als Vermittler kann ich auch die Ausdauer der Interessenten überprüfen. Wer nicht bereit ist, sich für einen Hund in der Kennenlernphase zu engagieren und ein bißchen Zeit zu nehmen, der wird es auch später nicht tun.





Liebe Grüße
von Ute, Fritzi und Loni


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Liebe Grüße
von Ute, Fritzi und Loni

Wer für alles offen ist, ist vermutlich nicht ganz dicht.