Ego-Shooter 1378 (km) - Virtueller Schießbefehl
Das Computerspiel 1378 (km) ist ein Ego-Shooter rund um die
innerdeutsche Grenze inklusive Schüssen auf Republikflüchtlinge. Die
Macher wollen Geschichte vermitteln, Kritiker finden das Game
geschmacklos.
Ein Republikflüchtling rennt um sein Leben. Als er durch ein kleines
Loch im Sperrzaun schlüpft, rufen DDR-Grenzsoldaten: Halt oder wir
schießen. Der Grenzwächter Jens Stober gibt vier Schüsse ab. Als sich
der vierte Schuss aus dem Sturmgewehr AK-47 in den Rücken des
flüchtenden Mannes bohrt, fällt dieser tot ins Gras. Zum Glück stammt
diese Szene nur aus einem Spiel, und der Student Jens Stober ist in
Wirklichkeit lediglich virtuell in die Rolle eines Grenzsoldaten
geschlüpft. Der 23-Jährige hat zum 20. Jahrestag der Wiedervereinigung
ein kostenloses Computerspiel entwickelt einen Ego-Shooter der
besonderen Art.
Stober will andere Jugendliche zum Nachdenken über die DDR und den
Schießbefehl anregen. Der 23-Jährige kam auf diese Idee, obwohl er
selbst keine persönlichen Erfahrungen mit der DDR gemacht hat.
Historiker sowie die Bundesstiftung Aufarbeitung halten indes das Thema
für zu sensibel, als dass es sich für ein Spiel eignen könnte.
Republikflüchtling oder Grenzsoldat
Jens Stober hat, um Jugendliche mit dem Thema vertrauter zu machen,
Infotexte in sein Spiel eingebaut. Auf den ersten Blick sieht es wie
ein normaler 3-D-Ego-Shooter aus in meinem Spiel sind aber auch
Mechanismen eingebaut, die das Töten verhindern, erklärt der
Entwickler.
Das Spiel mit dem nüchternen Titel 1378 (km) spielt im Jahr 1976, als
es noch die DDR und die etwa 1378 Kilometer lange innerdeutsche Grenze
mit Patrouillen und Selbstschussanlagen gab. Die Spieler teilen sich vor
Spielbeginn in zwei Teams auf, spielen Republikflüchtlinge oder
Grenzsoldaten. Die Flüchtenden müssen Sperrzäune, Panzersperranlagen und
einen weiteren Stacheldrahtzaun mit Selbstschussanlagen überwinden, um
aus der DDR in den Westen zu fliehen. Die Grenzsoldaten sollen die
Flüchtlinge stoppen mit oder ohne Waffengewalt. Wer zu viele
Flüchtlinge abschießt, wird zuerst mit einem Orden ausgezeichnet, findet
sich dann aber im Jahr 2000 auf der Anklagebank eines
Mauerschützenprozesses wieder.
Entwicklung mit viel Recherche verbunden
Im Spiel wählt Stober öfter die Rolle eines Grenzsoldaten, da dieser
mehr Möglichkeiten als ein Flüchtling hat: Die Soldaten können nicht nur
schießen oder die Flüchtlinge lebend verhaften, sondern haben auch die
Möglichkeit, selbst zu versuchen, aus der DDR zu fliehen. Spannend ist,
wie die anderen Spieler auf der Seite der Grenzsoldaten darauf
reagieren würden, sagt Stober. Folgen sie ihrem Schießbefehl? Stober
ist froh, solche Entscheidungen nicht im realen Leben fällen zu müssen.
Er stelle sich die Situation als wirklicher Grenzsoldat sehr schwierig
vor einerseits wolle man keinen Menschen töten, andererseits habe man
als Soldat den Befehl zum Schießen. Wer den Schießbefehl missachtet
habe, sagt der Diplom-Student an der Hochschule für Gestaltung in
Karlsruhe, habe damit rechnen müssen, bestraft oder degradiert zu
werden. Nach Auffassung der Vereinigung der Opfer des Stalinismus ist
jedoch das Schießen auf Menschen in jedem Fall eine Grenzüberschreitung,
die mit keinem Befehl gerechtfertigt werden könne. Soldaten würden es
sich zu einfach machen, das Töten mit Befehlen zu rechtfertigen, betont
die Organisation stets.
Teaser 1378 KM
Michael Bielicky, der als Professor of Media Art Jens Stober betreut,
lobt seinen Studenten. Das Spiel sei ein Modell für die ganze
Gaming-Abteilung, die an der Hochschule derzeit aufgebaut werde. Stobers
Art, das schwierige Thema anzupacken, bezeichnet Bielicky als
raffiniert.
Das Spiel findet jedoch nicht nur Zustimmung. Hans-Hermann Hertle,
Leiter der Forschungen zu den Toten an der Berliner Mauer am Zentrum für
Zeithistorische Forschung Potsdam, findet die Idee des Spiels eher
ungeeignet und geschmacklos. Gedenkstätten und die Internetseite
Chronik der Mauer seien geeignetere Mittel, aufzuklären. Die
Bundesstiftung Aufarbeitung ist laut ihrem Sprecher skeptisch, ob die
didaktischen Bemühungen der Herausgeber dieses Spiels wirklich greifen,
wenn Kinder und Jugendliche dazu eingeladen werden, Grenzverletzer zu
erschießen. Die Stiftung begrüße zwar alle Bemühungen, die Geschichte
der SED-Diktatur, insbesondere ihres Grenzregimes Jugendlichen zu
vermitteln. Ein Spiel, in dem geschossen werde, erscheine allerdings
buchstäblich grenzwertig, erklärte Sprecher Dietrich Wolf Fenner. Der
Direktor der Stiftung Berliner Mauer, Axel Klausmeier, nannte die
Herangehensweise des Spieles ebenfalls geschmacklos. Er könne es im
Namen von Maueropfern und ihren Angehörigen nicht gutheißen, dass in dem
Spiel Menschen abgeballert würden. Das Spiel sei ungeeignet für die
Vermittlung dieser historischen Tatsachen. Die Ernsthaftigkeit dessen,
was sich damals an der Grenze abspielte, kann man so nicht darstellen.
1378 (km) kostenlos als Download
Das Spiel gehört zu den sogenannten Serious Games (ernsthafte Spiele).
Sie sollen nicht nur Zeitvertreib sein und Spaß machen, sondern auch
Wissen oder Lernstoff vermitteln und an ernste Themen heranführen. 1378
(km) soll am Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober) veröffentlicht
werden und ist ab dann kostenlos als Download auf der Seite 1378km.de
erhältlich.
Der 1986 geborene Stober studiert seit 2007 an der HfG Karlsruhe
Medienkunst mit dem Schwerpunkt Games. Er hat auch das Spiel
Frontiers An der Grenze Europas mitentwickelt, das nach ähnlichen
Kriterien funktioniert. In ihm können Spieler entweder als Flüchtling
oder als Grenzwache dramatische Situationen entlang der Fluchtrouten
Europas erleben.
Der Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze und seine Opfer
An der Berliner Mauer gab es bei Fluchtversuchen mindestens 136
Tote, auf der Ostsee kamen etwa 190 Menschen ums Leben, an der
innerdeutschen Grenze geschätzte 600 bis 800 Flüchtlinge.
An den Grenzanlagen der DDR wurden vor allem Wehrpflichtige eingesetzt.
Die Existenz eines Schießbefehls ist unter Historikern anerkannt, auch wenn der Schießbefehl verklausuliert war.
Grenzsoldaten, die nicht auf Flüchtlinge schossen oder neben sie
zielten, mussten laut Historikern mit Geldstrafen oder Degradierungen
rechnen.
Das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) stellt
fest, dass nach der Wiedervereinigung viele Grenzsoldaten, die
Flüchtlinge getötet hatten, angeklagt wurden. Die allermeisten Soldaten
erhielten Bewährungsstrafen, nur in drei schweren Fällen sei es auch zu
Gefängnisstrafen gekommen.
Euer ***[MCM]-Clan***
Jeder der einen Rechtschreibfehler findet, der darf diesen behalten!
Dust2: