Dreierpack mit negativem Glanzlicht
POP: Auf Xavier Naidoos "Alles kann besser werden" sind viele Teile stärker als die Summe des Ganzen Von wegen "Alles kann besser werden": Wenn man Xavier Naidoo ist, hat man es schwer, sich selbst noch einmal zu toppen: Klar, Dreifach-Studio-CD, 35 Titel, zweieinhalb Stunden lang - das haben sich in Deutschland noch nicht viele zugetraut. Aber die thematische Aufteilung in Unter-Konzeptalben und die explizite Warnung vor einem davon hat es schon einmal gegeben: 2002, auf seinem ersten in Eigenregie produziertem Solo-Longplayer, der Doppel-CD "Zwischenspiel/Alles für den Herrn".
Damals hieß es an dieser Stelle, dass eigentlich jeder sich aus dieser stilistisch und inhaltlich breitgefächerten Musikmasse zehn (oder mehr) Stücke herauspicken und damit ein großartiges Album zusammenstellen kann. Auch bei "Alles kann besser werden" sind viele Teile stärker als die Summe des Ganzen: Gut die Hälfte der Songs zeigt musikalisch ganz neue oder ungewohnte Facetten (klassisch: "Ich warte bis Du kommst (Brief an Mozart)", rockig: "Was habe ich falsch gemacht", tief tönend: "Ruth Maude"), berührt unmittelbar, wie es Naidoo früher oft (und kitschfreier) geschafft hat ("Ich kann nicht weinen", "Befreit", "Halte durch", "So Calm"), oder ist einfach nur mal netter Pop ("Wild vor Wut").
Am auffälligsten gelungen ist die "dunkHelle" CD, die Naidoo unsinnigerweise sogar noch mit einem Warn-Intro einleitet: "Du willst es also wissen, was sich auf der dunklen Seite verbirgt. Bist Du sicher? Du musst es nicht tun, Du kannst die CD auch wieder rausnehmen." Das mag gut gemeint sein, relativiert aber seine teilweise sehr drastischen Ansagen und Absagen an Politik, Kinderschänder, Militäreinsätze oder sonstige Missstände und stellt seinen Hörern ein seltsames Mündigkeitszeugnis aus. Zumal die Inhalte für Naidoo-Fans ja nicht neu sind: "Wenn ich schon Kinder hätte" zum Beispiel hat nur mit weniger Namen jongliert.
Ähnlich verhält es sich mit dem Übermaß an Aufmunterungs-Rhetorik, die die CD 1 auf Dauer etwas mühsam macht - zumal Songs wie "Alles kann besser werden", "Mut zur Veränderung" oder "Bitte hör nicht auf zu träumen" das Tempo für Aerobic- oder Spinning-Kurse fehlt. Apropos fehlen: Naidoos Alleinstellungsmerkmal, die selbstgebaute Mystik, apokalyptischen Visionen und tanzbaren Bibel-Exegesen, vermisst man zwischen all den Liebesliedern und Agit-Popsongs allmählich. Denn (fast) ohne spirituellen Inhalt ist der pathetische Predigergestus, der Naidoos Arbeit trotz vieler neuer Poduzenten und Co-Komponisten immer noch dominiert, etwas enervierend. Es muss ja nicht gleich wieder "Alles für den Herrn" sein, aber immer nur "Zwischenspiel" ist auf Dauer auch nichts Halbes und nichts Ganzes. (Naidoo Records) Jörg-Peter Klotz https://www.morgenweb.de/freizeit/cd/20091015_srv0000004889823.html
-------------- Den Hinweis auf das Zwischenspiel, wobei hier andere Themen überwiegen, finde ich sehr zutreffend, wobei ich das im Gegensatz zu Herrn Klotz im Gegenteil sehr positiv bewerte. Einfache eingängige Popkost ist das Album ganz sicher nicht, aber meinen Nerv trifft es absolut. Ein Album für die Fans, die genau dieses etwas andere lieben. |