Heidenangst oder die Angst vor Heidnischem?
Heidenangst oder die Angst vor Heidnischem?
Wer die Gottesfurcht preisgibt, der wird von der Heidenangst überrollt." meinte der Limburger Bischof Franz Kamphaus in seiner diesjährigen Pfingstpredigt (1). Man sollte sich diese Worte mal auf der Zunge zergehen lassen. Heidenangst? Einschlägige Enzyklopädien sagen aus mit Heidenangst eine sozusagen übermächtige Angst gemeint sei. Überhaupt wird der Begriff Heide auch anderen Worten angefügt um deren Bedeutung zu verstärken z.B. Heidenspass, Heidenarbeit, Heidenspektakel usw.
Die bischöfliche Interpretation der Heidenangst zielt aber in eine andere Richtung: "Wer Gott fürchtet, braucht vor Menschen keine Angst zu haben.. Mithin unterstellt der werte Bischof hier, dass Phobien aller Art durch die Furcht vor seinem Gott weggepustet würden. Und wer seinen Gott nicht fürchtet, der hätte eben zwangsläufig eine Heidenangst. Aus der bischöflichen Sichtweise kann man das ja sogar irgendwie nachvollziehen. Wer sein eigenes Leben in den Dienst des Jenseits stellt kann mit hedonistischen Gedankengut eben nichts anfangen. Entsprechend der eigenwilligen Definition von Heidenangst wie sie auf der Kölner erzbischöflichen web-site nachzulesen ist (2), müssten also Heiden in ständiger Angst leben, während Christen ein völlig angstfreies Leben führen. Dass aber Heiden, die den christlichen Jenseitsglauben nicht teilen, gar keine Angst vor den christlichen Höllenstrafen haben, ist nicht in Bischofs Sinne.
Aber des Bischofs Pfingstbotschaft richtet sich ja nun mal nicht an die Heiden und sonstige Gottesleugner, sondern vordergründig an seine eigenen Schäfchen. Und diesen wird mitgeteilt, dass ihre Ängste verfliegen, wenn sie nur diesen Gott fürchten. Es ist zum Fürchten! Vor was kann sich ein Christ schon fürchten? Nun, noch vor vierhundert Jahren hätte er allen Grund gehabt sich tagtäglich zu fürchten, nämlich vor dem Verdacht der Häresie, der Ketzerei, der Hexerei, des Bundes mit dem Teufel, vor der Denunzierung durch Nachbarn, Obrigkeit, Pfaffen und Ordnungshütern. Vor Gott brauchte man sich der Christenmensch nicht zu fürchten, nur vor seinen Stellvertretern.
Es wird ja tagein, tagaus von allen Kanzeln herunter gepredigt dass Gott die Menschen so sehr liebt, dass er sogar einen Teil seiner dreifaltigen gespaltenen Persönlichkeit durch römische Besatzungssoldaten auf grausame Weise hinrichten lies um die Menschen von einer gewissen Erbsünde zu erlösen damit sie dann nach ihrem Ableben in alle Ewigkeit harfespielend auf einer Wolke sitzen können und nicht in einer Feuerhölle braten müssen. Wenn also dieser Gott die Menschen so sehr liebt, wieso sollen sie ihn dann fürchten? Oder bezieht sich die angemahnte Furcht doch eher auf die Unterwürfigkeit der Gläubigen unter dem Klerus? Fragen über Fragen. Aber vielleicht ist diese angemahnte Gottesfurcht auch in einem Kontext zu sehen, den der Limburger Bischof nur andeutet:
Jesus habe den Menschen keinen Gott nahe gebracht, den wir uns unter den verlieblichenden Schalmeientönen einer esoterischen Kuschelreligion nach eigenen Bedürfnissen zurechtträumen"
Hier also sieht der Bischof die heraufziehende Gefahr. Die verlieblichenden Schalmeientöne einer esoterischen Kuschelreligion! Welch geniale Wortschöpfung. Vielleicht dachte er hier an mittelalterliche Straßenmusiker, deren Musik die von Klerus und Obrigkeit geknechteten Untertanen wenigstens zeitweise der Lethargie des täglichen Überlebenskampfes enthob und
deren Gesellschaftskritik sich zwischen den Zeilen ihrer Verse verbarg. Waren nicht Spielmänner und Spielfrauen mit ihren Spottgedichten und Parodien auf Kirche und Obrigkeit die mittelalterlichen Vorläufer des modernen Kabarett? Verkörperten sie nicht ein Stück Freiheit unter widrigen Bedingungen? Auch ein Stück Freiheit von den Zwängen einer importierten Spititualität, die erst durch Zwangsbekehrung und Waffengewalt in unseren Breitengraden Einzug hielt?
Was genau ist an einer Kuschelreligion denn so verwerflich, entstammt sie doch dem individuellen spirituellen Bedürfnis und nicht den Maßgaben eines auch nach weltlicher Macht strebenden Klerus? Ist es vielleicht die Tatsache, dass es innerhalb und ausserhalb der christlichen Kirchen immer mehr Menschen gibt, die Dogmen ablehnen, die ihre ureigenste freie Spiritualität auch öffentlich ausleben und sich dazu bekennen? Sind die spirituellen Bedürfnisse Einzelner für die institutionellen Kirchen eine derart große Gefahr dass davor eindringlich gewarnt werden muß zu träumen?
Bedeutet es nicht Heidentum, die eigene und freie Spiritualität, die an keine Hierarchien und Dogmen gebunden ist, auszuleben? Haben die in ihren inneren und äußeren Zwängen gefangenen Kirchen dem nicht mehr entgegenzusetzen als martialische Höllendrohungen und Gottesfurcht?
Ist es nicht das, wovor der Bischof eine Heidenangst hat, nämlich dass die Menschen mehr und mehr zu einer Rückbesinnung auf ihre Wurzeln, ihre Umwelt und ihre spirituelle Freiheit finden und sich nicht mehr den Bedürfnissen der Kirchen anpassen, sondern erwarten, dass die Kirchen ihren Bedürfnissen entsprechen? Oder dass die Menschen den Kirchen den Rücken zuwenden, sie verlassen und ihre spirituelle Erfahrungen in anderer Weise finden? Oder dass die Gläubigen sich ihren Gott bzw. ihre Götter und Göttinnen so erschaffen, dass sie damit selber klarkommen?
Nicht der Suchende hat eine Heidenangst, sondern derjenige der unter zunehmender Einsamkeit und Verlassenwerden leidet. Insofern gestehe ich dem Bischof seine persönliche Heidenangst schon zu. Sie ist berechtigt! (pt.2005)
Quellenhinweis:
- https://www.kath.net/detail.php?id=10487
- https://www.erzbistum-koeln.de/export/sites/erzbistum/seelsorge/_galerien/download/einkehrtag/2002-2a.pdf