Neni's Forum - *<*Schmetterling*>*

Ein undankbarer Schmetterling

Ein undankbarer Schmetterling

Ein undankbarer Schmetterling

Der Bläuling, einer der seltensten Tagfalter, überlebt durch Betrug. Mit einem Trick verschafft sich seine Raupe Zugang zum Ameisennest und verspeist die Brut. Doch die Opfer werden seltener, damit gerät auch er in Gefahr

Wer betrügt, wird stets jemanden finden, der sich betrügen lässt", hat der Italiener Niccolo Machiavelli in seinem Hauptwerk „Der Fürst" schon 1513 lapidar formuliert. Diese pessimistische Erkenntnis des politischen Schriftstellers bezog sich zwar auf den Menschen, gilt aber auch für das Verhalten von Tieren, zum Beispiel das der Ameisenbläulinge, fünf seltenen Schmetterlingsarten in Mitteleuropa. Diese kleinen Insekten haben den Betrug auf die Spitze getrieben. Ihre Opfer sind Ameisen aus der Gattung Myrmica. Das komplizierte Täuschungsmanöver läuft folgendermaßen ab:

Die Weibchen der Schmetterlinge legen ihre Eier auf speziellen Pflanzen ab, bevorzugt sind Thymian oder auch Enzian. Nach dem Schlüpfen ernähren sich die winzigen Raupen von den Blättern und Blüten ihrer Wirtspflanzen. Sind die rosaweiß gemusterten Raupen etwa drei Millimeter lang, stellen sie das Fressen ein und lassen sich auf den Boden fallen. Nun warten sie darauf, von einer Ameise der Gattung Myrmica gefunden zu werden. Das ist nicht ohne Risiko. Findet eine andere Ameisenart die Raupe, wird sie gefressen. Kommt eine Myrmica-Ameise vorbei, beginnt ein seltsames Ritual. Die Ameise betastet mit ihren Fühlern die Raupe auf ihre Tauglichkeit als Beute. Diese presst aus ihrem Hinterleib einen Tropfen, der die Ameise in Ekstase versetzt. Sie schlürft gierig den süßen Saft auf, kriecht über die Raupe und beginnt, sie zu melken. Das ist eine Tätigkeit, die Ameisen sonst nur bei Blattläusen ausüben, um an deren zuckersüße Säfte zu gelangen. Bis zu vier Stunden dauert diese Zeremonie zwischen Räuber und Raupe. Dann geschieht Seltsames: Die Raupe krümmt sich plötzlich in S-Form, bläht sich auf und stellt sich auf ihre Hinterbeine. Durch diese Haltung wird offensichtlich der Brut- und Pflegetrieb der Ameise erweckt. Sie nimmt die Raupe Huckepack und schleppt sie in ihren Bau. Vermutlich lösen bestimmte Duftstoffe oder Pheromone der Raupe diese Rettungsaktion aus, denn sie kommt auch unbeschadet an den Wächtern des Ameisenbaus vorbei. Einmal im Nest, ist sie sicher. Doch Dankbarkeit kennt das Insekt nicht. Die ahnungslose Ameise hat einen Wolf im Schafspelz mit nach Hause genommen. In den folgenden Monaten entwickelt sich die Bläulingsraupe zu einem hemmungslosen Nesträuber. Trocken und warm ist ihr Jagdrevier. Sie fällt unbehelligt über die Eier, Larven und Puppen ihrer ahnungslosen Gastgeber her. Um sicher zu gehen, spendiert sie ab und zu ein paar Tropfen ihres bei den Ameisen so begehrten Sekrets. So überwintert der mörderische Gast wie im Schlaraffenland. Im Frühsommer verpuppt sich die Bläulingsraupe nahe der Oberfläche des Ameisenbaus und schlüpft als fertiger Schmetterling diskret etwa vier Wochen später ins Freie. Der Kreislauf beginnt von neuem.

Die totale Abhängigkeit der Bläulinge von bestimmten Wirtspflanzen und Ameisen setzt ihrer Vermehrung von vornherein ziemlich enge Grenzen. Dass das Betrugssystem mit seinen komplizierten Ritualen und chemischen Prozessen überhaupt funktioniert, setzt nach Ansicht von Wissenschaftlern eine lange Entwicklungsgeschichte voraus. Untersuchungen haben gezeigt, wie das Umfeld beschaffen sein muss, damit die Schmetterlinge eine Vermehrungsrate erreichen, die ihren Bestand sichert. Voraussetzung sind mindestens eine Thymianpflanze und ein passendes Ameisennest pro ein bis zwei Quadratmeter Bodenfläche. Diese Lebensraum-Kombination wird immer seltener und dementsprechend gehören die Bläulinge zu den Raritäten unter den einheimischen Schmetterlingen. Sie alle gelten als gefährdet.

Viele Vorgänge bei dieser seltsamen Beziehung sind noch ungeklärt. So zum Beispiel die Mechanismen, die es den Raupen erlauben, sich bei den Ameisen einzuschleichen und - auch das kommt vor - den ganzen Bau zu entvölkern. Ein wissenschaftliches Großprojekt soll diese Fragen jetzt klären, aber auch Empfehlungen erarbeiten, die einen effizienten Schutz der Ameisenbläulinge und ihrer Wirtsarten ermöglichen. Unter der Leitung der Universität Würzburg beteiligen sich daran das Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle sowie Wissenschaftler aus Dänemark, Großbritannien, Frankreich, Polen und Ungarn. Gefördert wird das Unternehmen mit 245 000 Euro von der Europäischen Union.




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Name: Fire
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