Perspektive Kosova - Bildung allgemein * Studium * Weiterbildung

Bildungssystem: Kurzer geschichtlicher Abriß (Monatsbericht Mai aus dem Jahr 2000)

Bildungssystem: Kurzer geschichtlicher Abriß (Monatsbericht Mai aus dem Jahr 2000)

Im September 1990 verbot die serbische Regierung die Benutzung der albanischenSprache im Unterricht.

Da das Kosovoalbanische Parlament die Serbische Politik insgesamt und das Bildungssystem im Besonderen als nicht zumutbar empfand, deklarierte es im September 1990 eine von Jugoslawien unabhängige Konstitution und begann mit der Bildung von Schattenministerien, darunter auch das Ministerium für Bildung.

Im März 1991 stoppte die serbische Regierung endgültig die Bezahlung albanischer Lehrer und schloß Albaner vollständig von der Benutzung der Schulgebäude, Universitätenund der nationalen Bibliothek aus.

Über 100.000 albanische Schulbücher wurden eingestampft.
So gut dieses System auch organisiert war, barg es doch viele Probleme.
Das Bildungswesen war stark politisiert und unter einer zentralen autoritären Führung.
Die Unterrichtsqualität war sehr schwer zu überprüfen, Lehrmethoden und Prüfungen willkürlich.
Die desolate wirtschaftliche Situation des Landes und insbesondere die Lebensumstände der Kosovoalbaner hatte zur Folge, daß immer weniger Geld für Bildung zur Verfügung stand.


Bis 1996 fiel die Zahl der Schüler um 24%, während sich die Zahl der Studenten halbierte.
Vor allem eine starke Reduzierung von weiblichen Schülern und Studenten war zu vermerken.
Trotz aller Schwierigkeiten zogen die Albaner vor allem aus dem Bildungssystem die Rechtfertigung für ihre Fähigkeit, einen eigenen parallelen Staat führen zu können.

Die erste große Unterbrechung des Ausbildungsprozesses fand im April 1998, durch Kämpfe zwischen serbischer Polizei und UCK-Kämpfern statt. Die interne Vertreibung begann.
Schon in dieser Zeit waren ungefähr 100.000 Schüler vom Unterricht in der Schule ausgeschlossen.

Physischer Zustand der Schulen
Obwohl von ungefähr 900 Schulen 771 wieder funktionsfähig sind, hat sich deren Zustand kaum verbessert.
UNHCR hat einen Standard für den Wiederaufbau entwickelt, doch kommt dieser erstens zu spät, da viele der Schulen schon letztes Jahr wieder rehabilitiert wurden, und zweitens ist er zu hoch angesetzt.

Obwohl UNHCR den Bau von Toiletten vorschreibt, ist dies aufgrund des Mangels an Wasserleitungen und anderer technischer Probleme meist nicht möglich.

Alle Schulen haben einen erheblichen Mangel an Schulmöbeln, Schreibgeräten, technischen Geräten, Laboratorien, usw..

Die Bibliothek der Universität Pristina, die zugleich die Nationale Bibliothek ist, befindet sich in äußerst desolatem Zustand. Ganze Etagen stehen unter Wasser, Büchersind verschimmelt und in den letzten 10 Jahren sind weder Bücher noch Zeitungen erworben worden.

Das gegenwärtige Unterrichtssystem in den Schulen
Das gegenwärtige Unterrichtssystem ist noch immer das Gleiche wie unter kommunistischer Herrschaft und wird Jahre brauchen, um sich an westeuropäische Normen anzupassen.
Der Unterricht umfaßt zu jeder Zeit ein Minimum an 13 Fächern.
Die Lehrweise ist sehr traditionell, wobei die mündliche Komponente bevorzugt wird (obwohl viele junge Albaner sehr gut Englisch sprechen, sind ihre schriftlichen Fähigkeiten fast nicht existent; das Gleiche scheint für ihre eigene Sprache zu gelten).

Der Schüler sitzt am passiven, empfangenden Ende, d.h. er/sie hört zu und lernt auswendig.
Diskussionen, Ermunterungen zu Meinungsbildung, Kreativität und Analyse gibt es nicht.
Die sogenannte Lexikonmethode ist dominant.
Serbische Propaganda wurde und wird durch albanische Propaganda ersetzt.
DasArbeitspensum ist viel zu hoch, und aufgrund der hohen Anzahl der Schüler gibt es noch immer in 4 bis 5 Unterrichtsschichten.

Prüfungen sind eine schulinterne und damit der Subjektivität der einzelnen Lehrer ausgelieferte Angelegenheiten.

Ein erschreckender Monatsbericht, finde ich.
Es wäre interssant, zu erfahren, was sich in den letzten 6 Jahren positiv verändert hat, was noch immer im Argen liegt und was vielleicht in der Entwicklung stagniert ist, da andere Dinge wichtiger sind.

Ein Beispiel aus eigener Erfahrung:
In ganz Klinë (Klinë ist eine Kreisstadt!!! ist keine einzige Bibliothek oder ein Buchladen zu finden. Das, was von Passanten als Buchladen beschrieben wird, ist in Wirklichkeit ein Laden mit Schulbedarf....)

Lesen ist so wichtig für die Entwicklung der Schüler.
Es trägt zur Meinungsbildung bei, stillt den natürlichen Wissensdurst und ist für eine umfassende Entwicklung unabdingbar.
Aber auch in diesem Fall sind andere Dinge einfach wichtiger - bei einer Arbeitslosigkeit von beinah 80% - mancherorts sogar noch mehr - kann man diese Einstellung auch gut verstehen. Es geht um´s Überleben. Da ist kein Platz für die schönen Künste.

Und das war ein Erfahrungsbericht aus dem Jahr 2006.


Kalofsh mirë,
Lule

Quelle: Informationsstelle der Deutschen Caritas und Diakonie in Prishtina