Perspektive Kosova -
Bürokratisches

Tausenden droht die Abschiebung (23.03.09)

Tausenden droht die Abschiebung (23.03.09)


VON VIKTOR FUNK



Vertreibung verhindern" - so
lautete das Hauptargument der damals 19-Nato-Mitgliedsstaaten für ihren
Luftangriff auf serbische Truppen. Sie würden Kosovo-Albaner und andere
nichtserbische Gruppen aus dem Gebiet des heutigen Kosovo systematisch
vertreiben, lautete der Vorwurf. Das wollte die Nato nicht dulden - und
setzte mit ihren Luftangriffen vom 24. März an erst recht eine der
größten Vertreibungswellen der letzten 50 Jahre in Gang.


Während des 78-tägigen Bombardements hatten serbische Truppen und
Paramilitärs weitaus mehr als 500 000 Menschen vertrieben. Die meisten
waren Kosovo-Albaner und flohen in den Süden, nach Albanien. Genauso
aber flohen Serben vor der albanischen "Befreiungsarmee" UCK. Eine
Gesamtzahl der Flüchtlinge und vor allem, welchen Gruppen sie
angehörten, gibt es bis heute nicht. Die Vertreiber machten die Opfer
oft zu Staatenlosen, weil sie ihnen ihre Pässe abnahmen.



Deutschland sollte nach Angaben eines Sprechers des
Bundesinnenministerium (BMI) 15 000 Flüchtlinge aufnehmen, "tatsächlich
kamen aber Flüchtlinge in einem sechsstelligen Bereich hierher", sagte
der BMI-Sprecher.


Als Flüchtling anerkannt konnten aber nur die 15 000 werden. Faktisch
heißt es für die anderen, dass sie sich illegale hier aufhalten und
zurück müssen. Auch anerkannte Flüchtlinge können den Schutz verlieren.
Wenn ihr Flüchtlingsstatus nach Routineüberprüfungen widerrufen wird
und die zuständigen Bundesländer ihren sicheren Aufenthaltstitel nicht
verlängern, müssen sie zurück.


"Derzeit befinden sich in Deutschland rund 3700 ausreisepflichtige
Kosovo-Albaner und etwa 250 aus dem Kosovo stammende ausreisepflichtige
Serben", sagte der BMI-Sprecher. Seit den ersten Tagen, als Deutschland
ihnen Schutz gewährte, fordern Flüchtlingsorganisationen von Berlin
realistische Chancen für eine Integration und ein dauerhaftes
Bleiberecht. Viele der Geflohenen haben hier Familien gegründet und
ziehen Kinder groß. "Viele haben bei der Vertreibung traumatische
Erfahrungen gemacht", sagt Marei Pelzer von Pro Asyl. "Wenn sie zurück
geschickt werden, dann werden sie retraumatisiert."


Doch die meisten Kosovo-Albaner müssen zurück und werden notfalls
abgeschoben. In erster Linie setzt das BMI auf eine "freiwillige"
Rückkehr - Pro Asyl spricht allerdings von "erzwungener". Die
Zusammenarbeit mit den kosovarischen Behörden "verläuft derzeit
problemlos", sagt der BMI-Sprecher. EU-Wunschland Kosovo nimmt alle
auf, die EU-Großgewicht Deutschland loswerden will. Wer zurück soll,
kann in Deutschland eine berufliche Vorbereitung und einen Sprachkurs
in seiner Muttersprache erhalten. Doch laut einer Studie des
Flüchtlingsrates Bayern von 2008 geraten viele Rückkehrer in
ökonomische und soziale Probleme. Häufig würden sie von der
Gesellschaft nicht wohlwollend aufgenommen, ihre Chancen auf dem
Arbeitsmarkt seien sehr schlecht.


Das BMI selbst akzeptiert nur einen Grund für ein Bleiberecht in
Deutschland: Sicherheitsrisiko. Deshalb würden Serben und Roma nicht in
den Kosovo abgeschoben. Ihre Rechte würden dort oft nicht gewahrt,
kritisiert auch die UN-Flüchtlingsorganisation.

Quelle: Frankfurter Rundschau online