Die EU als Kosovos Allheilmittel?
Zehn Jahre nach dem Ende des Kosovo-Krieges sollen 14 000 damals geflüchtete Menschen wieder von Deutschland in ihre Heimat zurückkehren
Auf sie wartet ein Land, das zwar mittlerweile als eigenständiger Staat anerkannt ist, dessen innere Konflikte aber nur notdürftig überdeckt sind.
"Fünf Jahre", Hajredin Kuçi wiederholt es siegesgewiss, "fünf Jahre - dann sind wir in der EU." Ist es Realitätsferne oder Zweckoptimismus, der den Vizepremier des jungen Kosovo zu dieser Einschätzung verleitet? "Wir haben viel gegen die Korruption getan, unser Land ist sicher - die Kfor könnte morgen abziehen, ohne dass es Probleme im Kosovo gäbe."
Aber die internationale Schutztruppe solle erst mal bleiben, bis das Kosovo selbst Nato-Mitglied ist - wegen des serbischen Nachbarn, der immer noch Ansprüche auf die Region erhebt. Allzu lange kann der Beitritt nach eigenem Bekunden ohnehin nicht mehr auf sich warten lassen.
Diplomaten und auch viele Einheimische sehen das kleine Balkanland derweil noch lange nicht so weit. Noch immer mangelt es an vielen demokratischen Grundsätzen: "Die Grenzen zwischen Politik und Wirtschaft sind verwischt", prangert ein Kosovare, der für eine internationale Organisation arbeitet, die Vetternwirtschaft an. Sechs Clans hätten das Land weiterhin im Griff und teilten die Erträge unter sich auf.
Doch die sind landesweit ernüchternd: 4,5 Prozent Wachstum sind für den rückständigen Staat zu wenig, und internationale Investitionen bleiben aus. Zuletzt scheiterte der Plan für ein Kraftwerk zur Braunkohleverbrennung - dem einzigen Rohstoff, über den das kleine Land verfügt. Das internationale Konsortium platzte, weil sich Braunkohle und Umweltschützerimage mittlerweile beißen.
Augenscheinlich dürfte es im Kosovo zwar keine Energieprobleme geben, immerhin drängen sich die Tankstellen an den Landstraßen dicht aneinander - doch hinter der leuchtenden Fassade stecken meist illegale Gelder, die mit Benzin gewaschen werden.
Wer die Schuld an diesen Mängeln trägt? "Wir sind ein postkommunistisches Land, das keine Investitionen erhält", erklärt Kuçi und verweist darauf, dass man die Kosovaren in anderen Ländern stärker einbinden will.
Dabei liegt eines der Hauptprobleme innerhalb der neuen Staatsgrenzen: auf der anderen Seite einer modernen Brücke über den Fluss Ibar, die kaum befahren wird und bis vor wenigen Monaten noch von Panzern und mit Sandsäcken gesichert werden musste. Im Süden der Stadt Mitrovica leben allein albanische Kosovaren, am Nordufer des Ibar dagegen Serben, die sich nur schwer mit der für sie neuen politischen Realität anfreunden können. "Das hier ist Serbien", stellt ein Autofahrer klar, der demonstrativ ohne Nummernschild fährt. Vor einem Jahr gab es noch blutige Zusammenstöße. Doch auch wenn es nun relativ lang ruhig blieb - kaum einer will das Ufer der anderen Minderheit betreten.
Die Serben im Kosovo haben zwar offiziell die Eulex-Mission akzeptiert - aber nur, weil auch Belgrad eingelenkt hat. Fernab der Diplomatie, in der Realität auf einer Straße in Mitrovica, gibt es für viele aber nur einen Wunsch: "Wir wollen wieder wie vor dem Krieg 1999 leben - mit serbischer Polizei auf unseren Straßen und in den Kasernen die serbische Armee", erklärt der 37-jährige Dejan Dejanovic.
Als das Kosovo im Frühjahr 2008 seine Unabhängigkeit erklärte, quittierten alle serbischen Polizisten Mitrovicas den Dienst. Erst durch eine Absprache zwischen Brüssel und Belgrad - bei der sicher die Serben die Frage des Status für den Norden des Kosovo offenhielten - kehrten drei Viertel der Serben auf ihre Dienstposten zurück und beendeten die Anarchie, die weder Eulex noch Kfor endgültig beseitigen konnten.
Doch schon bald wird im Norden neuer Streit programmiert sein. Dann sollen an den Grenzübergängen zu Serbien - derzeit noch neutral "Tore" genannt - Zölle erhoben werden, die der Regierung in Prishtina zufließen würden. Für die Serben untragbar, fahren sie nach ihrem Verständnis doch von Serbien nach Serbien.
Von Peter Lausmann
Quelle: Rheinzeitung online