Der Bildungs-MISSBRAUCH

Schul-Verbildung

Schul-Verbildung

Der Bildungs-MISSBRAUCH:
Kinder als Humankapital*
_______________________________________


Kinder als Humankapital!
So will es der Begründer der HUMAN CAPITAL – Theorie,
der Sozioökonom Gary S. Becker.
Seine Prämisse lautet:
"... ich behandle KINDER als dauerhaftes KONSUMGUT“

- als wären Kinder Verbrauchsmaterial.

Für die Entwicklung dieser Theorie wurde ihm der Nobelpreis verliehen.

Schwedische Feministinnen wollten dagegen protestieren.

Deutsche BildungspolitikerInnen aber folgen dem Ansatz seiner Theorie. Denn “...um die Erträge pädagogischen Handelns sichtbar zu machen, werden KINDER als PRODUKT behandelt!“

Das stellte die Bildungsökonomin Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann Stiftung in ihrem Vortrag in der Evangelischen Akademie Loccum fest.

Darum – und nur darum geht es seit dem PISA-Schock in deutschen Staatsschulen:

Pädagogischer output muss sichtbar gemacht und gemessen
werden.

Denn die HUMAN CAPITAL – Theorie zielt auf messbare Erträge, die das Humankapital erwirtschaftet.
Im „Werksbetrieb Schule“ sind das die „Erträge“ von SchülerInnen-Köpfen.

¬¬¬¬¬¬¬¬¬¬___________________________________________________________
*Der Verfasser ist Autor der Streischrift
„Der Bildungs-MISSBRAUCH-
Oder: wofür schlägt Dein Herz? Mutter! Vater!“,
erschienen in der Frankfurter Verlagsgruppe Frakfurt a/M, München, London, New York,
ISBN 3-86548-078-0, €14,50
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Sie müssen seit PISA messbare Leistungen produzieren. Und Lehrerinnen und Lehrer sind als Staats-Diener verpflichtet, sie auf ein hohes Niveau des PISA-Maßstabes zu trimmen.

Darauf haben unsere Kultuschefs ihre Aktivitäten in den Staatsschulen fokussiert.
Dazu gehören:
1. Sogenannte Bildungs-Standards (exakt: Fächer-Standards), die den Unterricht dominieren.
Sie sind die „Passung“ für die Qualität der Schülerprodukte.

2. Regelmäßige Vergleichsarbeiten und Tests, mit denen die Qualitätsentwicklung des pädagogischen outputs seit Beginn des Schuljahres 2004/05 ab Klasse 3 kontrolliert wird.

3. Schul-TÜV, eingeführt in Brandenburg und in Schleswig-Holstein; geplant in allen übrigen Bundesländern, außer Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Saarland.

Diese Maßnahmen auf der Handlungsebene „vor Ort“ werden künftig gesteuert vom „Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen“, das die Kultusministerkonferenz im Juni 2004 an der Humboldt-Universität zu Berlin gegründet hat.

Zentrale Aufgabe dieses Instituts ist „die Normierung und Überprüfung der Bildungsstandards“ und „der Aufbau eines Aufgabenpools mit normierten Testaufgaben“ zur „Qualitätsverbesserung von Schulen in Deutschland“, um „so den Anschluss an das internationale Leistungsniveau zu fördern“.

Dahinter steht
die „große Erwartung, dass die Leistungsmessung von Schulen belegen wird, dass Standardisierung der richtige Weg ist, die Qualität der Schulen zu verbessern“;
so die Presseinformation der KMK vom 7. Dezember 2004.

Mit diesem Bündel von sogenannten Bildungsmaßnahmen wird ein hochgestochenes politisches Ziel verfolgt, das Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn und der Abgeordnete Jörg Tauss in der Bildungsdebatte des Deutschen Bundestages formulierten:

Deutschland soll in zehn Jahren wieder zum „Bildungsweltmeister“
aufsteigen.

Und – die KultusministerInnen der Länder folgen ihnen.




Eine solche Hybris geißelt einer der führenden Bildungsforscher Deuts chlands, Professor Achim Leschinsky, von der Humboldt-Universität Berlin in der ZEIT vom 24. Februar 2005 mit der folgenden Feststellung:

„ Wir haben es mit Selbsttäuschung zu tun, die auf geradezu verbrecherische Weise von den Bildungspolitikern gepflegt wird. Deutschland war nie an der Spitze. Das muss endlich offen gesagt werden.“

Und es muss endlich auch ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden, dass der blinde Aktionismus der Kultuschefs ein fundamentales neurobiologisches Faktum ignoriert:

BILDUNG, DIE MIT DEM PISA-MAßSTAB GEMESSEN WIRD, IST
HALBBILDUNG!

Die Begründung dafür ist relativ simpel:

• Messbare pädagogische Erträge werden vorwiegend nur von der einen Hälfte des Gehirns produziert, von der linken Hemisphäre.

• Solche Erträge werden nur in d e n Fächern sichtbar, in denen Lernergebnisse mit Zahlen m e s s b a r sind.

• Die zweite Hälfte des Gehirns, die rechte Hemisphäre, wird in deutschen Staatsschulen noch nicht intentional am Lernprozess beteiligt.

Um aber ein Optimum an Lernleistung zu erreichen, ist – so banal es auch klingen mag – eine intentionale, konstruktive Beteiligung beider Hemisphären am Lernvorgang eine fundamental-organische Bedingung.

Dafür verfügen „wir“ seit mehr als dreißig Jahren über ganzheitliche Lernverfahren, mit denen sowohl die kognitive als auch die emotionale Intelligenz geschult werden könnten, nicht nur in der Schulbildung, sondern auch in der LehrerInnenausbildung. Speziell zu erwähnen ist hier die themenzentrierte Interaktion (TZI).

Angesichts solcher Erkenntnisse neurobiologischer Forschung in Verbindung mit innovativen, „lebendigen“ Lernverfahren wirken die deutschen „Bildungs“-Maßnahmen geradezu „einäugig“.

So stellte denn auch der Pisa-Koordinator Andreas Schleicher am 17. Februar 2005 im ZEIT-Gespräch fest:
„Sicher kann man aus den Pisa-Daten allein keine Rezepte ableiten,
ebenso wenig übrigens die von den Kultusministern ergriffenen
Maßnahmen.“



Denn diese Maßnahmen resultieren aus den überholten Denk- und Handlungsmustern „Schwarzer Pädagogik“, die zu dem deutschen Pisa-Desaster geführt haben. Mit diesen Mustern wurden weder Kreativität entwickelt, noch die für unsere Gesellschaft so notwendige Innovationsfähigkeit, und schon gar nicht eine Bereitschaft für selbstverantwortliches Handeln.

Deshalb lassen noch heute erfolgreiche Unternehmen ihre Führungskräfte nachschulen in den Kategorien „weiche Kompetenzen“ und „Persönlichkeitsqualitäten“, weil solche weder in der Schule noch im Studium entwickelt wurden. Diese Unternehmen haben erkannt, was Ulrich Leitner, der Direktor für Corporate Organisation bei Daimler Chrysler im SPIEGEL (26/02) feststellte:
„... am Ende werden wir nicht mit Wissen gewinnen, sondern mit
Persönlichkeiten.“

Derart nachgeschulte Persönlichkeiten verfügen sowohl über Sach- und Methodenkompetenz als auch über Sozial- und Selbstkompetenz.
Erst alle vier Kompetenzen garantieren mit den dazugehörenden Schlüsselqualifikationen mündige Handlungsfähigkeit.

Eine solche „VOLL-BILDUNG“ ist jedoch nur zu erreichen, indem das Potential beider Hemisphären gleichermaßen „geschult“ wird.
Dazu bedarf es
• synergetischer Lernprozesse, in denen kognitive und emotionale Energien integriert werden,
und es bedarf
• einer pädagogischen Grundeinstellung, die Kinder als eigenständige Persönlichkeiten akzeptiert.

Gegenüber einer solchen ganzheitlichen Bildung erweist sich die eingeleitete Qualitäts-Kampagne als blinder Aktionismus, mit dem sich allenfalls verunsicherte und uninformierte Mütter und Väter einstweilen „ruhig stellen“ lassen.

So ergibt sich als Fazit:
Die verordnete Produkt-„Bildung“ für Pisa ist von neurobiologisch fundierter Menschenbildung und von einer freiheitlich-demokratischen BürgerInnenbildung so weit entfernt, wie der Eisblock von der Sonne. Denn die deutschen Bildungsaktivitäten
• folgen der Schiene der HUMAN CAPITAL – Theorie!
• beschränken sich auf Qualitätsmanagement!
• behandeln Schülerinnen und Schüler als machbares Produkt!
• produzieren HALB-BILDUNG!



Und damit noch nicht genug des Dilemmas. Denn die eingeleiteten Qualitätssicherungsmaßnahmen werden in Deutschland eine psychische Bildungskrise auslösen, in der die ignorierten emotionalen Energien zum Ausbruch kommen.

Darauf deuten die Ergebnisse einer TIMES-Untersuchung in Großbritannien hin, wo ähnliches Qualitätsmanagement zu einer psychischen Bildungskrise geführt hat. Dort leiden zwei Drittel aller Elfjährigen unter
- Weinkrämpfen,
- Schlaflosigkeit,
- Konzentrationsmangel,
- Angstattacken.

Vor solchen Folgen hat Professor Mc Beath von der Universität Cambridge die Deutschen gewarnt.

Schon jetzt leiden in Deutschland 6 Millionen Kinder „regelmäßig“ unter
- Kopfschmerzen,
- Bauchschmerzen,
- Schlaflosigkeit,
- Appetitlosigkeit,
- Aggressionen.

15% aller verschriebenen Psychopharmaka werden von Kindern bis zu 12 Jahren eingenommen.

SCHULSTRESS ist das Stichwort, das immer wieder als eine der Ursachen genannt wird.

So entlarvt die pathologische Tendenz der Produkt-„Bildung“ die Qualitäts-Kampagne deutscher KultusministerInnen als Bildungs-MISSBRAUCH.

Damit verstößt sie gegen die Kinderrechtskonvention der UNO, die das deutsche Parlament am 26. Januar 1990 ratifiziert hat (vgl. Art. 3(1), 19(1), 29(1)a)).